Moritzburgs Bürgermeister Hänisch: Kräfte für das einsetzen, was ich beeinflussen kann

Zum Jahresausklang sprach „Radeburger Anzeiger“ mit dem Moritzburger Rathauschef: Was gibt es Neues in der Gemeinde, das auch die Nachbarn interessiert? Asyl, Ortsgestaltungskonzeption, Verbindungen zwischen den Ortsteilen, Fasanengarten und das Beherrschen der touristischen Blechlawine waren die Themen.

Bürgermeister Jörg Hänisch

Bürgermeister Jörg Hänisch

Moritzburger Kirche

Einwohnerversammlung in der Moritzburger Kirche. Das gibt es nur, wenn Zeitenwende angesagt ist.

RAZ: Das Thema Asyl beherrscht gegenwärtig alles. Der Gemeinderat hat erst in einer ordentlichen, dann am 3. Dezember auch in einer Sondersitzung das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag des Landratsamtes zur Einrichtung einer Notunterkunft in der ehemaligen Heimschule abgelehnt. Kann die Gemeinde das überhaupt ablehnen, wenn das Landratsamt selber der Eigentümer des Objekts ist?

Jörg Hänisch: An Bauanträgen wird die Gemeinde immer beteiligt. Normalerweise gehen alle Bauanträge über den Tisch des Technischen Ausschusses. Aufgrund der Wichtigkeit habe ich aber bestimmt, dass alle Gemeinderäte darüber befinden sollen.

RAZ: Die Gemeinderatsmehrheit hat doch beim ersten Beschluss zum Thema für eine Asylunterkunft gestimmt, jetzt stimmen alle dagegen. Wie kommt es zu dem Sinneswandel?

Jörg Hänisch: Das ist kein Sinneswandel. Wir wollen eine Gemeinschaftsunterkunft, wie wir das von Anfang an kommuniziert haben. Wir wollen aber keine Notunterkunft. Bei einer Notunterkunft ist es, abgesehen von den baulichen Abstrichen, kaum möglich, die Asylbewerber in das Leben im Ort zu integrieren, da sie nur kurze Zeit hier bleiben und ständig wechseln. Wir haben mit unserem Netzwerk Vielfalt Moritzburg alle Voraussetzungen für die Integration von Flüchtlingen geschaffen.
Die Integration ist aber nur möglich, wenn sie über einen längeren Zeitraum auch hier bleiben können.

RAZ: Die Gemeinde hat also nun die Notunterkunft erneut abgelehnt. Warum gibt es dann keinen Baustopp?

Jörg Hänisch: Das Landratsamt hat unser verweigertes Einvernehmen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens ersetzt und begründet dies damit, dass der Bebauungsplan eine Nutzung für soziale Zwecke vorsehe und durch die Änderung der Baugesetze auf Grund der Asylproblematik auch mit einer Notunterkunft gegeben sei. Wir haben schon bei unserer ersten Ablehnung argumentiert, dass eine Notunterkunft kein juristisch eindeutiger Begriff ist wir den Umnutzungsantrag deshalb kritisch sehen. Selbst der Kreistag geht davon aus, dass wir in Moritzburg eine Gemeinschaftsunterkunft bekommen. Die Kreisverwaltung verstößt gegen den Kreistagsbeschluss vom 10. Dezember, wenn sie hier eine Notunterkunft einrichtet.

RAZ: Welche rechtlichen Mittel haben Sie, um dagegen vorzugehen?

Jörg Hänisch: Wir könnten gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegen. Ich möchte meine Kräfte aber lieber für das einsetzen, was ich beeinflussen kann. Das ändert aber nichts an meiner Kritik an dem Kommunikationsverhalten beim Landratsamt. Dass es mit dem Bau an der Heimschule losgegangen ist, habe ich durch eine Kindergärtnerin erfahren, die mich telefonisch informiert hat, dass Baulaster am Kindergarten vorbei in das Gelände fahren. Es kann nicht sein, dass der Bürgermeister darüber keine offizielle Information bekommt.

RAZ: Kräfte konzentrieren auf das, was man beeinflussen kann – wo sind da die weiteren Schwerpunkte?

Jörg Hänisch: Im Vordergrund steht die Vorbereitung für eine Ausschreibung zu unserer Ortsgestaltungskonzeption. Ich hatte für diese Aufgabenstellung Angebote eingeholt und dann von einschlägigen Büros Angebote bekommen. Die waren so unterschiedlich und weit gefächert, dass ich gemerkt habe, dass da nicht das rauskommt, was wir brauchen. Deshalb bin ich einen anderen Weg gegangen. Wir haben mit dem Planungsbüro Schubert eine Einwohnerversammlung vorbereitet. Wir haben dort den Grundgedanken vermittelt, dass in der jüngsten Vergangenheit viel investiert wurde in Moritzburg. Nicht nur durch die Gemeinde, sondern auch durch das SIB (Sächsisches Immobilien- und Baumanagement – d.Red.), aufgrund der vielen Liegenschaften des Freistaates bei uns, durch den Sachsenforst, aber auch durch Investoren, die sich insbesondere in Boxdorf angesiedelt haben und durch den Zuzug von Neu-Moritzburgern, zum Beispiel in Eigenheime. Und wir werden auch für Touristen immer attraktiver. Es gibt aber auch Konflikte. Alte, die noch nicht gelöst sind, und es kommen neue hinzu. Wir wollten zuerst die Bürger befragen, wo sie die Schwerpunkte sehen. Deshalb haben wir das so organisiert, dass wir nach der Auftaktveranstaltung sechs weitere Veranstaltungen organisiert haben. In jedem Ortsteil eine, dazu und noch eine weitere nur mit den Verwaltungsmitarbeitern, denn auch die Einschätzung der Ressorts ist wichtig. Die Veranstaltungen waren gut besucht. Mit fast dreißig Interessierten kamen in Reichenberg die meisten Leute. Mehr braucht man gar nicht. So konnte sehr konstruktiv und visionär gearbeitet werden.
Bei allen stellte sich als Schwerpunkt die Verbindung zwischen den Ortsteilen heraus. Angefangen bei den Radwegen für den Alltags- und Schülerverkehr geht es weiter bis zum ÖPNV (Öffentlicher Personen-Nahverkehr – d. Red), der zwischen den Ortsteilen nicht gut funktioniert.
Bei beiden Themen soll konzeptionell weiter gearbeitet werden.

Ein weiterer Schwerpunkt, der genannt wurde, ist der Wunsch, dass mehr Augenmerk auf Lückenbebauung gelegt werden sollte, als immer neue Wohnbaugebiete auszuweisen. Deshalb sollen die verfügbaren Flächen in einem einheitlichen Kataster zusammengefasst werden.
Jetzt ist Herr Glumbick vom Planungsbüro Schubert am Auswerten. Am 11. Januar wird es um 19 Uhr im Bachhaussaal in Moritzburg Schlossallee 4 eine Auswertungsveranstaltung geben, in deren Ergebnis dann die Aufgabenstellung für das Ortsgestaltungskonzept formuliert und ausgeschrieben wird.

RAZ: Gab es auch Themen, die unterschiedlich bewertet wurden?

Jörg Hänisch: Ja. Zum Beispiel wünschen sich die Moritzburger eine Sportkonzeption für ihren Ortsteil. Eine solche gibt es nur für Reichenberg. Für Boxdorf ist die Dorfplatzgestaltung ein Thema. Zumindest gibt es dort einen solchen Bereich, den man entwickeln kann. In Reichenberg ist das schwieriger, denn dort gibt es keinen „Dorfplatz“ im eigentlichen Sinne. Es gibt Überlegungen, den Bereich am Sportplatz mit weiteren Gemeinschaftsflächen zu entwickeln.

RAZ: Lange Zeit war die Parkplatzkonzeption ein Thema, um der Blechlawine zu touristischen Spitzenzeiten Herr zu werden. Im Bereich Fasananengarten/Wildgehege nimmt das wilde Parken immer wieder überhand. Da wird im Landschaftsschutzgebiet geparkt, Feuerwehrzufahrten werden zugestellt und es geschehen immer wieder dramatische Unfälle in diesem Bereich. Geht es auch hier voran?

Jörg Hänisch: Das hat eher weniger eine Rolle gespielt, der wurde im Zusammenhang mit dem ÖPNV (Anm.d. Red. - Öffentlicher Personennahverkehr) gesehen. Wenn wir durch den ÖPNV besser mit den Nachbarn und der Landeshauptstadt verbunden sind, gibt es auch weniger Bedarf an Parkplätzen. Aber wichtiger ist uns die Lenkung der Touristenströme.

Wir haben einen runden Tisch mit den großen touristischen Partnern eingerichtet, mit der SIB, der Schlösserverwaltung, dem Forst und dem Denkmalschutz und haben gemeinsam gute Ideen entwickelt. Wir haben uns zu einer touristischen Wegeführung verständigt. Im nächsten Schritt möchte ich mit den Eigentümern im Fasaneriegelände und den vielen Kutschbetrieben diese Ideen besprechen. Denn nur gemeinsam können wir daraus Lösungsvorschläge entwickeln.

RAZ: Sie erwähnten, dass der ÖPNV bei den konzeptionellen Überlegungen eine Rolle spielte...

Jörg Hänisch: Mir schweben zwei Ring-Buslinien vor, eine über die S81, Auer, Steinbach, Bärwalde, Radeburg, Berbisdorf, Bärnsdorf, Volkersdorf, Boxdorf, Kreisverkehr Reichenberg und wieder S 81 und die Zweite Runde über Radebeul, Friedewald, Reichenberg, Wahnsdorf, Boxdorf und wieder Radebeul. Somit wäre an zentralen Umstiegspunkten ein Anschluss an die großen Zufahrtsstraßen nach Moritzburg, Coswig, an den Stadtverkehr Dresden und das Straßenbahn- und S-Bahn-Netz in Radebeul gegeben. Diese Idee soll im zweiten Teil unseres ÖPNV Konzeptes eine Rolle spielen, das wir dann dem Landkreis als Träger des ÖPNV vorschlagen wollen.

RAZ: Die Kleine Fasanenstraße als Entlastung der Großen Fasanenstraße ist als Verbindung zwischen dem Moritzburger Ortszentrum und dem Fasanengarten von großer Bedeutung. Warum bekommt man den Weg nicht in den Griff und hat nun zum dritten Mal versucht, ihn zu befestigen?

Jörg Hänisch: Der Weg wurde in Zusammenarbeit mit der SIB und dem Sachsenforst umweltgerecht saniert und hergerichtet. Leider hat der Abwasserzweckverband Promnitztal seit Jahren die Baumaßnahme Bau einer größeren Druckwasserleitung am Fasanengarten zwar im Plan gehabt, aber nie umgesetzt. Nachdem der Weg ertüchtigt war, haben wir dann im AZV mit der Maßnahme erst anfangen können. Das ist natürlich sehr ärgerlich. - Ein Thema hätte ich aber auch noch.

RAZ: ?

Jörg Hänisch: Es geht mir um die Abwicklung des Biohofes in Rödern. Meiner Meinung nach ist dort einseitig dem Moritzburger Diakonenhaus die Verantwortung zugeschoben worden, dass der Hof aufgegeben werden musste. Der Biohof war ein Projekt der Produktionsschule Moritzburg. Die PSM ist eine gemeinnützige GmbH, an der die Diakonie ebenso beteiligt ist wie die Gemeinde Moritzburg und die Kirchgemeinden Moritzburg und Reichenberg.

Wenn aus Sicht der Röderner das Interesse am Erhalt des Biohofes so groß gewesen wäre, wie es nun bei der Schließung vorgetragen wurde, dann hätte sich sowohl die Verwaltungs-Gemeinde Ebersbach als auch zum Beispiel die Kirchgemeinde Rödern an der g GmbH oder zumindest am Projekt „Biohof<“ auch finanziell beteiligen können. Das haben sie aber nicht getan, und die Risiken den Trägern aus anderen Gemeinden überlassen.

 

Aber das ist jetzt auch mal dahingestellt. Der Grund für die Aufgabe war, dass zeitgleich mehrere europäische Förderprogramme im Sozialbereich ausliefen, über die das Projekt bisher finanziert wurde.

Eine Weiterführung wäre nun nur noch als „wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ innerhalb der gemeinnützigen GmbH möglich gewesen. Die betriebswirtschaftlichen Berechnungen und Prognosen haben aber gezeigt, dass dieser landwirtschaftliche Betrieb auch zukünftig nicht ohne Zuschüsse kostendeckend arbeiten kann. Und dieses Risiko hätte die Gemeinnützigkeit der PSM gGmbH gefährdet. Die Gemeinnützigkeit der Produktionsschule, die maßgeblich Zweck der Gesellschaft ist, wollten und konnten die Träger aber nicht aufgeben.

Der im Biohof tätige Projektleiter, der mit seiner ganzen Familie und größtem persönlichen Einsatz das Vorhaben am Laufen hielt, und den ich deswegen sehr schätze, hätte die Möglichkeit gehabt, in die Selbständigkeit zu wechseln und den Biohof zu übernehmen. Dass er sich anders entschieden hat muss man letztlich akzeptieren.

RAZ: Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die Landwirtschaftsflächen des Biohofs inzwischen an den Biobetrieb Thomas Fischer aus Bahra verpachtet sind, der auch die Hühnerhaltung weiter führt. Das ist der derzeitige Stand. Jedoch Danke für die Klarstellung und Danke für das Gespräch, ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute für das kommende Jahr.


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