RAZ war zu diesem traurigen Punkt der Radeburger Industriegeschichte leider nicht eingeladen. Wir informieren Sie auf der Basis von sekundären Quellen.
Was an diesem Tag besiegelt wurde, ist nichts weniger als das Ende einer industriellen Ära: Seit 1873 wurde in Radeburg Glas produziert – seit 1933 gab es das Flachglaswerk., in den 50ern wurdes VEB (Volkseigener Betrieb), in den 70ern wurde es dem Flachglaskombinat Torgau angschlossen, das nach der Wende abgewickelt wurde. Danach wechselte der Betrieb mehrfach den Eigentümer – zuletzt firmierte es als Vandaglass und Doering Glass. Nun geht endgültig das Licht aus. Mit der Schließung des Flachglaswerks Doering Glass zum 30. November 2025 endet die über 150-jährige Glasgeschichte, die Generationen von Radeburger Familien geprägt hat.
„Die Hütte“, sagt Bürgermeisterin Michaela Ritter (parteilos), „ist in den Familien präsent, weil viele Radeburger hier über Jahrzehnte ihre Arbeit gefunden haben.“ Wie bei der Familie Schmidt: Schon der Großvater arbeitete im Werk, der Vater geht nun mit dem Ende der Firma in den Ruhestand – und die Söhne gehören zu jenen, die noch die letzten Aufträge abwickeln.
Laut Standortleiter Carsten Kunert wurden 1200 potentielle Investoren angeschrieben. Trotz dieses breit angelegten internationalen Investorenprozesses konnte keine tragfähige Fortführungslösung gefunden werden. „Wir haben darum gekämpft, durch einen frühzeitig eingeleiteten Umbauprozess einen Investor zu finden und damit beide Standorte im Rahmen einer Gesamtlösung zu retten“, sagt auch Geschäftsführer Swen Graf, der das Unternehmen im gerichtlichen Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung führte. „Zu unserem großen Bedauern haben wir aber auch hier erleben müssen, wie sehr die Industrie und der Glasmarkt momentan unter Druck stehen.“
Ursachen einer Krise
Wie viele Betriebe der Glasindustrie litt Doering Glass gleich mehrfach unter den Folgen der einzigartigen deutschen Energiepolitik. Einerseits verteuerten die hohen Energiepreise die Produktionskosten und andererseits verunsicherten neue Gesetze die Märkte, was zu einer Bauflaute führte. Dazu kamen gestörte Lieferketten – nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch bei Rohstoffen (z.B. Soda) aufgrund der Sanktionen gegen Russland.
Aber es gibt auch eigene Versäumnisse. In der Rückschau ist man natürlich immer schlauer. Swen Graf äußert laut „Sächsische Zeitung“, es sei „so dahingeplätschert“, spricht von „fehlender Strategie und Ausrichtung. Die Tendenz zur Spezialisierung ist auf dem Markt seit fünf, zehn Jahren erkennbar gewesen.“ Das auf gebogenes Glas spezialisierte Werk in Berlin kann überleben, aber das Flachglaswerk mit 25 europäischen Konkurrenten hatte unter den oben genannten Bedingungen einen zu starken Wettbewerbsnachteil. So blieb das Unternehmen stark vom Bau- und Energiemarkt abhängig was ihm schließlich zum Verhängnis wurde und deshalb wurde Fokus auf eine „Gesamtlösung mit Investor“ zur strategischen Sackgasse: Ein schrittweiser Übergang zur Spezialisierung wie in Berlin wurde in Radeburg nie angegangen.
Für viele Beobachter ist der Fall Doering Glass damit auch ein Beispiel für ein verbreitetes Dilemma mittelständischer Industriebetriebe in Deutschland und insbesondere in Ostdeutschland – zu wenig finanzielle Reserven, zu hohe Energiekosten, zu viel Abhängigkeit von Konjunkturprozessen.
Ein Stück Stadtgeschichte geht verloren
Mit der Schließung des Glaswerks verliert Radeburg nicht nur einen Arbeitgeber, sondern ein Stück seiner industriellen Identität. Über Generationen hinweg bot „die Hütte“ Arbeit, Stabilität und Stolz – ein Ort, an dem Handwerk, Erfahrung und Gemeinschaft zusammenfanden.
Wenn Ende November der Letzte das Licht ausmacht, endet nicht nur ein Produktionsprozess, sondern ein Teil Radeburger der Radeburger Industriegeschichte. Zur Erinnerung wurde am 26. September im Beisein von Bürgermeisterin Michaela Ritter die Sonderscheibe an Robert Rößler vom Radeburger Heimatmuseum, in dem es einen Platz finden wird, übergeben.
Dank und Hoffnung
Die Kündigungen für die Beschäftigten wurden bereits ausgesprochen. Immerhin hatg es die Geschäftsleitung geschafft, in Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen für viele Mitarbeiter neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. „Wir danken allen Beteiligten und besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie bis zuletzt alles für eine Fortführung getan haben“, so Graf.
Bis zur endgültigen Schließung läuft die Produktion weiter. Der bestehende Auftragsbestand wird noch abgearbeitet, und auch neue Aufträge können vorerst angenommen werden. Die Ausproduktion soll bis Ende Oktober abgeschlossen sein. „Ich habe die Hoffnung, dass wir für diesen Standort eine sinnvolle Nutzung finden. Es sollte nicht passieren, dass er zur Ruine verfällt, “ sagt Michaela Ritter gegenüber "Sächsische Zeitung". Ein Wohnstandort, wie Gerüchte besagen, wird hier nicht entstehen, versichert die Bürgermeisterin. Sie erwähnt aber ESMC im Dresdner Norden, das letztlich auch ein Hoffungsschimmer fü rden Radeburger Arbeitsmarkt ist - und auch ein Wink, das auf dem Radeburger Wohnungsmarkt bald etwas passieren muss.