„Nach den öffentlichen Vergabevorschriften sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, den Zuschlag an den wirtschaftlichsten Bieter zu erteilen,“ teilt Bürgermeisterin Michaela Ritter schriftlich auf Nachfrage von RAZ mit. Vier Unternehmen baten um die Zusendung der Verdingungsunterlagen. Bis zum Angebotseröffnungstermin gaben zwei Unternehmen Angebote ab. „Die Prüfung und Wertung der Angebote erfolgte durch das von der Stadt Radeburg beauftragte Planungsbüro. Es wurde geprüft und bestätigt, dass die notwendigen personellen und technischen Mittel sowie die geforderten Qualifikationen zur Ausführung der angebotenen Bauleistungen vorliegen. Der Stadtrat hat in seiner Beratung am 13.12.2018 den Zuschlag auf die ausgeschriebene Gesamtbauleistung an die Hoch- und Tiefbau Dresden GmbH & Co. KG erteilt.“ so die Bürgermeisterin.
Platz für Bauchgefühl war da also wenig. „Wer Möglichkeiten gesehen hätte, den günstigsten Bieter auszuschließen um den zu bekommen, den man sich gewünscht hätte, soll es mir sagen,“ sagt Bürgermeisterin Michaela Ritter auf Nachfrage. „Wir haben keine gesehen.“ Man darf jetzt natürlich keinen Rückschaufehler machen und kann aus heutiger Sicht gut reden. Wenn man keine handfesten Gründe hat, wird man nicht an der Seriosität einer Firma zweifeln. Am Ende sind sicher alle schlauer.
Statt ÜBER jemanden zu reden, ist es natürlich besser, man redet MIT jemandem. Deshalb hat auch der RAZ bezüglich der Baumängel das Gespräch mit Geschäftsführer Winfried Bachmann gesucht. Dieser war die ganze Woche lang nicht zu sprechen, weshalb RAZ dann schriftlich um Stellungnahme zu konkreten Mängelfeststellungen, die RAZ vorliegen, gebeten hatte. Antworten bekamen wir jedoch nicht. Der Geschäftsführer ließ seine Mitarbeiterin am Telefon ausrichten, dass man sich „an die Pressestelle in Radeburg wenden“ solle. Auf die Frage, was für eine Pressestelle das sein soll und die Bitte, Herrn Bachmann zu fragen, wen er damit meint, war er „gar nicht im Haus“ und hat auch „überhaupt nichts gesagt“. Schade. Unternehmenskommunikation geht irgendwie anders. Wieder dieses verflixte Baugefühl. Wir waren nun gezwungen, Erkundigungen auf Umwegen einzuholen, eine gewisse Irrtumsquote ist also vorbehalten.
Zunächst: wer ist diese Firma HTD überhaupt? Da hilft zum einen das Internet. Dort ist nach zwei Klicks die Bilanzsumme der Baufirma über mehrere Jahre zu entdecken. Diese fiel von 2006 bis 2016 kontinuierlich von über 2 Millionen auf nur noch 40 T€, um 2017 plötzlich auf 11,6 Millionen zu springen. Das ist ein harter Fakt. Insider, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, behaupten, dass es ein neues Geschäftsmodell gibt. Die HTD soll seit 2017 kaum noch selbst die Schippe in die Hand nehmen, sondern nach erfolgreicher Vergabe Subunternehmen anheuern und damit gut verdienen.
Das Geschäftsmodell ist aber nun, nach zwei Jahren, etlichen Partnern in die Nase gefahren und sie verweigern der HTD die Gefolgschaft. So soll unter anderen der unterlegene Bieter die Mitwirkung als Subunternehmer verweigert haben – mit den nun sichtbaren Folgen, denn die beauftragte Firma Santos GLBau & Reinigung, erst vor einem Jahr gegründet, hat zwar binnen kurzer Zeit einige Referenzen und gute Bewertungen für Pflasterarbeiten vorzuweisen, aber keinerlei Referenzen beim Verlegen von Passe Kleinpflasterverbund und es zeigt sich nun, dass ihr dafür sowohl das Know How als auch die technischen Mittel fehlen. Dokumentationen, die das belegen sollen, liegen RAZ vor.
Da die Mängel bei den Pflasterarbeiten teilweise mit bloßem Auge sichtbar waren, wurden sie zum Thema innerörtlicher Kommunikation. Auf Plattformen wie Whatsapp und Facebook äußerten Bürger ihren Unmut. Die Mängel wurden umfassend dokumentiert und ins Internet gestellt. Es gibt Pflasterer im Karnevalsverein, es gibt Ruheständler aus der Berufsgruppe und es gibt auch noch Stadträte, die mit dem Thema Tief- und Straßenbau sehr gut vertraut sind. Sie sprachen darüber, was man sich gefallen lassen muss und was nicht. Immerhin geht es hier um das Wohnzimmer der Stadt und um nichts anderes. Hier geht es um unseren Stolz als Radeburger.
„Beim Bau auf der Großenhainer Straße gab es doch auch eine ordentliche Kommunikation, warum klappt es denn jetzt hier nicht?“ fragt man sich.
Für eine gute Kommunikation auf der Baustelle hatte sie, genau wie damals Vorgänger Dieter Jesse, angeboten, dass die betroffenen Händler einen Vertreter zu den Bauberatungen entsenden. Nach mehrmaliger Aufforderung und eigentlich erst, als Mängel bei den Pflasterarbeiten auftraten, entsandten diese den Apotheker Jens Rudolph. Auch ein Vertreter des Radeburger Carnevalsclubs nahm regelmäßig an den Baubesprechungen teil. Meist Vorsitzender Olaf Häßlich selbst, vereinzelt aber auch die Elferräte Peter Modler und Uwe Berge, der zugleich mit CDU-Mandat im Stadtrat sitzt. Was die Kommunikation eigentlich verbessern sollte.
In der Bauberatung am Donnerstag, dem 08.08.2019, wurde den Eingeladenen mitgeteilt, dass sie, nachdem sie ihre Anliegen vorgetragen hatten, die Bauberatung zu verlassen hätten. „Das die Öffentlichkeit heute bei der Baubesprechung ausgeschlossen wurde, hat wahrscheinlich den Grund, dass zum einen verhindert werden soll, dass Details der Beratungen in die Öffentlichkeit geraten, und zum anderen, dass öffentliche Kritik an der Qualität der Bauarbeiten geübt werden kann,“ stellt Apotheker Jens Rudolph in einer Mitteilung an die Gewerbetreibenden fest. „So wurde Uwe Berge in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass dies eine Angelegenheit des Auftraggebers, der Stadt, sei und er nicht berechtigt ist, sich in die Verhandlungen einzumischen.“ Der Apotheker kommt nach zwei Bauberatungen zu der Einschätzung: „Meiner Meinung nach wurde viel zu selten mit Nachdruck auf die bestehenden Qualitätsmängel hingewiesen. Die Folge davon ist, dass sich die Qualität nicht wesentlich verbessert hat. Angesichts des noch zu bewältigenden Umfangs der verbleibenden Aufgaben und der Nachbesserungen habe ich starke Bedenken, ob alles bis Ende November fertig wird.“
Bürgermeisterin Michaela Ritter verwundert diese Einschätzung: „Diese Teilleistung (Pflasterarbeiten - d. Red.) wurde durch die Stadt als Auftraggeber bereits mehrfach gerügt. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Nachbesserungsfristen wurden gesetzt. Auf nochmalige Nachfrage ergänzt sie, dass sich die Firma HTD und die Verwaltung bezüglich der Baumängel einig sind und der Generalauftragnehmer mit dem gebotenen Druck an den Pflasterern dran ist. Bauamtsleiter Mathias Kröhnert ergänzt: „Auch die Arbeit mit dem Vorarbeiter von HTD ist sehr gut. Er hat als erster die Mängel bei den Pflasterarbeiten registriert und war umgehend bei mir und hat die Situation mit mir besprochen.“
Michaela Ritter verrät, dass sich die Stadt aufgrund der erkannten Schwierigkeiten bei den Pflasterarbeiten bereits Anfang Juli darum bemüht hat, eine externe Bauüberwachung zu bekommen, „aber Bauüberwacher bekommt man nicht von heute auf morgen und die Guten sind auch alle ausgelastet“.
Die Stadträte und die Bürgermeisterin waren sich bei ihrer letzten Zusammenkunft am 1. August einig, dass von HTD gefordert wird, das Bauvorhaben so auszuführen, wie in der Ausschreibung gefordert. Bürgermeisterin Michaela Ritter schreibt: „Die Stadt geht nach wie vor davon aus, dass auch unter Einbindung des für die Maßnahme verantwortlichen Planungsbüros und noch intensiverer Bauüberwachung die vertraglich geschuldete Leistung erbracht werden kann.“
Dann muss aber auch alles klappen. Selbst das Wetter muss mitspielen und es darf kein zeitiger Frost kommen. Stadtrat Christian Damme hat seine Zweifel, ob das so klappt: „jetzt wird nachgebessert. Jeder, der schon mal gesehen hat, wie eine Straße aufgerissen und wieder zugemacht wurde, der weiß, dass man Flicken nachher immer sieht.“ So hat die Mehrheit der Stadträte wohl ein Bauchgefühl, dass sie an dem geplanten Endtermin zweifeln lässt, obwohl alle natürlich das Beste hoffen. Wenn es ganz dick kommt, mündet die Sache in einem Rechtsstreit. Stadtrat Rüdiger Stannek würde das auf sich nehmen „und wenn es noch zwei Jahre dauert…“ Es geht schließlich um unser Wohnzimmer.