Kommentar: Sachsen erlaubt Click & Collect – als letztes Bundesland und viel zu spät

Neue Corona-Regeln seit 15. Februar: ein „Tropfen auf den heißen Stein“ und die viel zu spät kommt die Erlaubnis von Click & Collect (C&C) für Geschäfte, die vernünftigerweise auch längst wieder öffnen sollten. Diese kleinteilige derzeitige „Maßnahmenpolitik“ rettet uns nicht – geschweige unsere Innenstädte – meint unser Autor Klaus Kroemke in folgendem Kommentar:

Auch Silva Böhme nimmt am Click & Collect Service teil.

Auch Silva Böhme, Inhaberin von Lederwaren Weser nimmt am Click & Collect Service teil. Doch viel lieber würde sie wieder aufschließen.

Seit Montag, dem 15. Februar, dürfen Händler in Sachsen den Click & Collect-Service wieder anbieten. Das bedeutet, online oder telefonisch bestellte Ware darf dann unter Beachtung strenger Regeln vor Ort im Geschäft abgeholt werden. 

Mit dieser Regelung reagierte das Sächsische Kabinett auf die entstandene Unverhältnismäßigkeit zwischen der aktuellen so genannten Inzidenz und dem Einfluss, den kleine, ohnehin gering frequentierte Geschäfte darauf haben können. Zuvor hatte der Handelsverband gewarnt, dass 80% der Händler in ihrer Existenz bedroht sind und schon jetzt feststehe, dass im Frühjahr ein Viertel aller Geschäfte aufgeben müsste. Auch viele Bürgermeister, darunter Radeburgs Bürgermeisterin Michaela Ritter, auch Händler selbst und Prominente wie Katarina Witt und Jens Weißflog schlossen sich diesen Befürchtungen an.

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Leipzig hatte unmittelbar Unverständnis geäußert über das C&C-Verbot in Sachsen: „Seit Beginn des Lockdowns mahnen wir gegenüber der sächsischen Regierung an, den Händlern wenigstens diesen Vertriebskanal einzuräumen und somit zumindest eine gewisse geschäftliche Grundlage zu bieten,“ so Leipzigs IHK-Chef Kristian Kirpal.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig begründete seine bisher ablehnende Haltung in der PM damit, dass Sachsen „lange Zeit die höchste Corona-Inzidenz im Bundesgebiet hatte“. Dabei überwog bei ihm „die Befürchtung, dass es zu mehr Begegnungen und Kontakten oder gar Schlangenbildung kommt.“

Wer jemals in den kleinen Läden von Städten und Gemeinden unter 15.000 Einwohner einkaufen war, dürfte wissen, dass der Einzelhandel schon vor Corona unter massivem Druck gewesen ist, wie Martin Dulig selbst noch vor Kurzem einräumte. Die von ihm befürchtete Schlangenbildung sollte also auch vor dem Lock Down ein frommer Wunschtraum gewesen sein.

Nun wird sein plötzlicher Meinungsumschwung mit „niedrigeren Ansteckungszahlen“ begründet. Die Unverhältnismäßigkeit, kleine Läden überhaupt als „Superspreading-Hotspots“ ins Auge gefasst zu haben, gipfelt in der Aussage, „die Nachverfolgung der Kontaktpersonen durch die Gesundheitsämter“ sei „nun besser möglich“.

Als ob da nicht Supermärkte die ganze Nachverfolgbarkeit ohnehin zu einem Witz machen - mit einem Durchlauf von Tausenden, die die gleichen Wagen anfassen, hunderte davon gleichzeitig anwesend, jede Menge mit falsch sitzenden Masken, viele, viele die Ware inspizieren und wieder zurücklegen. Als ob da der ÖPNV mit seinen in Spitzenzeiten überfüllten Bussen und Bahnen für den Mann, der auch Verkehrsminister ist, nicht ein viel dringender zu lösendes Problem wären.

Martin Dulig versteht es, die nunmehrige Erlaubnis als Erfolg zu verkaufen: „Ich bin sehr froh, dass wir diese Entscheidung heute treffen konnten. Es ist mir absolut bewusst, dass die Öffnung dieses Verkaufskanals für die lokalen Händler immens wichtig ist. Deshalb habe ich mich auch dafür eingesetzt und bitte Sie: Unterstützen Sie Ihre lokalen Händler!“

Von den elf Radeburger Geschäften, für die Click & Collect überhaupt in Frage gekommen wäre, beteiligen sich sechs. Die anderen haben inzwischen teils durch Sortimentsänderung ein „Schlupfloch“ gefunden und werden dem Minister nicht dafür danken, dass sie dazu genötigt wurden.

Der Minister hätte unsere lokalen Händler unterstützt, wenn er Click & Collect in den Zeiten hoher „Inzidenzen“ zu Weihnachten und um den Jahreswechsel herum ermöglicht hätte. Nochmal: die Zahlen waren in dieser Zeit die bisher höchsten, OBWOHL diese Geschäfte geschlossen waren. Sie hatten also mit dem Infektionsgeschehen nichts zu tun. Der Minister hätte ihnen wenigstens einen Teil der Umsätze in der sonst umsatzstärksten Zeit retten können, was den Läden mehr geholfen hätte als Hilfsgelder, die bis heute kaum geflossen sind. Jetzt eine solche Maßnahme einzuleiten, in der nur noch die vollständige Öffnung unsere Innenstädte retten kann, ist eher unrühmlich.

Sie reiht sich umso mehr ein in das neuerliche, schwer nachvollziehbare Drehen an kleinen und kleinsten Stellschrauben (C&C hier, ein paar Öffnungen da, Maskengebot im Auto dort, Friseure ja, Kosmetik nein), das zurückzuführen ist auf eine Politik, die sich auf Gefälligkeits- statt evidenzbasierte Wissenschaft stützt und sich darin nun heillos verheddert hat.

Die Politiker, die bei steigenden Zahlen Schlittenfahrer und Demonstranten verantwortlich machten, preisen sich nun ob sinkender Zahlen als Propheten, die uns den richtigen Weg gewiesen haben. Merkwürdig nur, dass die „Zahlen“ sinken, trotz fehlender Impfstoffe.

Damit jetzt nicht „alle Mühe umsonst“ war, gehen die bekannten „Gefälligkeits-Wissenschaftler“ bereits wieder in Stellung. Laut Lothar Wieler (RKI), der das Ohr der Kanzlerin hat, warnt: „Es werden umso mehr Mutationen entstehen, je mehr wir impfen“. Wie bitte? Und laut Christian Drosten, der mit seinen Prognosen seit Jahren die politischen Entscheidungen mitbestimmt, wird es Mutationen geben, die sehr viel gefährlicher sind, sodass wir im Sommer mit bis zu 100 000 Neuinfektionen täglich zu rechnen haben. Wird die Kanzlerin dann wieder „Maßnahmen“ beschließen und die Länder nötigen, ihr zu folgen?

Wo soll das noch hinführen? „Lockdown for ever“? Bill Gates, der schon jahrelang mit Impfkampagnen in der dritten Welt unterwegs ist und nun auch 250 Millionen für Corona-Impfstoffe spendet, erklärt Pandemien zur neuen Normalität und spekuliert: diese könnten 10 x schlimmer werden als Corona. Solche Aussagen sind dazu geeignet, noch mehr Panik auszulösen. Bill Gates sagt aber noch eins mehr. Man mag von ihm halten, was man will – Philanthrop oder Profitgeier. Aber wenn man sich die derzeitige „Maßnahmenpolitik“ anschaut, die aus immer neuen Heilsversprechen für die nächste Zukunft besteht, die dann immer wieder gebrochen werden, kann man ihm nur beipflichten, wenn er warnt:  „Darauf sind wir schlecht vorbereitet“. Genau das haben wir nun ein Jahr lang erlebt. Auch ein Wirtschaftsminister sollte das sehen und so ein Minimalzugeständnis wie Click & Collect auch als solches einordnen und nicht es als die große Rettung verkaufen.

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