Kommentar: Für Barbara Lenk dürfte es in Berlin schwer werden

Seit der Wahl am 26. September scheint sich alles nur noch um die Regierungsbildung zu drehen. Es wurden aber auch die Vertreter der Wahlkreise im Bund gewählt. Das Direktmandat des Kreises Meißen ging von Dr. Thomas de Maizière (CDU) an Barbara Lenk (AFD).

Barbara Lenk (AfD, links) mit Helferinnen. Sie war mit ihrem Infostand auch mehrmals in Radeburg. Sie hat nun das Mandat, den Kreis Meißen in Berlin zu vertreten.

Barbara Lenk (AfD, links) mit Helferinnen. Sie war mit ihrem Infostand auch mehrmals in Radeburg. Sie hat nun das Mandat, den Kreis Meißen in Berlin zu vertreten.

Die Wahl liegt nun schon ein paar Wochen zurück. Für die meisten Leser ist sicherlich klar, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind. Im Bund – und wie dir Grafiken zeigen – auf den zweiten Blick auch in Sachsen ist die SPD der große Wahlgewinner. In Sachsen kann sich aber auch die AfD als Gewinner fühlen, denn sie hat 9 der 15 Direktmandate geholt.

Die „blaue Landkarte“ Sachsens befeuert die oberflächlichen Beschimpfungen durch altbundesdeutsche Medien, aber wenn man die blaue Decke anhebt, zeigt sich durchaus ein differenzierteres Bild.

Zur Wahrheit gehört, dass die sächsische AfD nur nicht so viel verloren hat wie die CDU und die SPD das nicht aufholen konnte. Gerade bei den Zweitstimmen, der Kanzlerstimme, verwundert das schon ein bisschen, denn wochenlang schien es in den führenden Medien nur um eine Kanzlerwahl zu gehen und an der Wahl schienen nur drei Parteien beteiligt zu sein. Laschet konnte ganz offensichtlich in Sachsen keine Sympathien gewinnen, Scholz offenbar schon. Während bei der letzten Wahl, als das Flüchtlingsthema die Schlagzeilen beherrschte, die sächsische CDU hauptsächlich an die AfD verlor, verlor sie jetzt einen zweiten großen Wählerblock an SPD und FDP. Da der Klimawandel, befeuert durch Ahrweiler, zum alles beherrschenden Thema wurde und sogar Corona in den Schatten stellte, hätten eigentlich, vor allem nach der Blamage von Laschet, vor allem die GRÜNEN profitieren müssen. Da deren Forderungen aber vielen zu weit gehen und Annalena Baerbock als Hochstaplerin enttarnt wurde, blieb Olaf Scholz wohl für viele das kleinere Übel. Zumal er auch als einziger der drei ein staatsmännisches Auftreten hat und Korruptionsvorwürfe perlten an ihm ab. Das sieht man auch ein wenig am Unterschied zwischen der „Kanzlerstimme“ und der Erststimme. In ganz Sachsen zog die SPD bei den Zweitstimmen an der CDU vorbei, im Wahlkreis Meißen zog sie zumindest gleich, in unserer Region behauptete die CDU den zweiten Platz.

Nicht übersehen werden soll, dass die „Freien Wähler“ in unserer Region – im Unterschied zu Sachsen und dem Wahlkreis Meißen – bei den Erststimmen in den Bereich der 5%-Hürde kamen, in Radeburg sogar darüber. André Langefeld hat als Direktkandidat einen beherzten Wahlkampf gemacht und unter anderem auch auf die Benachteiligungen kleiner Parteien aufmerksam gemacht. Ich denke, von ihm und den Freien Wählern wird man noch hören. Die Partei der kommunalen Interessenvertreter dürfte sich im bürgerlichen Lager dort platzieren, wo die CDU-Positionen aufgegeben hat. Lange Zeit dachte man, dass die AfD diese Lücke füllt, aber sie droht, zum „Nurflügler“ zu werden, wenn die Partei von außen weiter so aus dem demokratischen Diskurs ausgegrenzt wird, was intern wiederum nur die Rechtsextremen stärkt.

Grandios ist der Niedergang der LINKEN. Hier ist aus meiner Sicht der Grund, dass sie sich durch die junge Generation von Politikern von einer Ex-DDR-Protestpartei zu einer Partei gewandelt hat, die im Wesentlichen alles mitmacht, was die anderen Parteien, außer der AfD, auch machen. Ihre Programmatik steht zwischen SPD und Grünen. Von den beiden unterscheidet sie sich nur noch im Verhältnis zu Russland. Ihre Protest-Ikone Sarah Wagenknecht ist kaltgestellt, auch die Direktkandidaten identifizieren sich eher nicht mit ihr.

Ebenso grandios ist der Absturz der CDU im Kreis Meißen, der bei den Erststimmen fast doppelt so hoch ausfiel wie in Sachsen. Hier kommt natürlich sofort die Frage auf, ob für Sebastian Fischer die Schuhe von Thomas de Maizière nicht doch etwas zu groß waren. Ein solches Urteil ist aber ein wenig ungerecht, denn bei genauem Hinschauen erkennt man, dass Sebastian Fischer immer noch mehr Stimmen bekommen hat als seine Partei und in unserer Region sogar besser abschnitt als der CDU-Sachsendurchschnitt bei den Erststimmen. In unserer Region ist er in der Vergangenheit auch sehr präsent gewesen.

Kommen wir abschließend zu Barbara Lenk (AfD), die nun diejenige ist, die Thomas de Maizière (CDU) als Direktmandatsträgerin im Bund ersetzt. Die 39jährige Diplom-Bibliothekarin war von 2009 bis 2015 Bibliothekarin an der Hochschule für Musik in Nürnberg und schloss 2015 ein berufsbegleitendes Studium als Master of Arts ab. Danach übernahm sie die Leitung der Bibliothek der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Barbara Lenk ging in die Politik, nachdem sie dort durch einen Studentenmob aus ihrem Beruf gedrängt wurde. "Sonst wäre ich nie Politikerin geworden," sagte sie in einem Gespräch mit RAZ am AfD-Infostand. Man kann ihr zur Wahl auch deshalb gratulieren, weil das durchaus auch ihr eigenes Verdienst ist – auch wenn sie natürlich ihrem Wahlkampfteam dankt, das sie so unterstützt hat. Sie hat jedoch besser abgeschnitten als ihre Partei, in unserer Region sogar fast überall mit Stimmenzugewinnen gegenüber Detlev Spangenberg 2017. In Radeburg war sie drei Mal vor Ort – damit war sie deutlich aktiver als alle anderen Kandidaten.

Ob und wie sie in Berlin für unsere Region wirksam wird, wird man sehen müssen. Erstens wird sie nicht so einen Einfluss haben wie de Maizière – viele Jahre quasi Merkels rechte Hand und sowohl im Bund als auch im Freistaat bestens vernetzt. Wenn die AfD aber in Berlin durch die politische Konkurrenz weiter so undemokratisch kaltgestellt bleibt wie in der letzten Wahlperiode, dann dürfte es sehr schwer werden, für den Kreis Meißen Brot aus dem Feuer zu holen.

Wahlergebnisse im Vergleich: Sachsen - Wahlkreis Meißen - Kommunen der Region

Die Grafiken sollen die im Kommentar gemachten Aussagen - den Vergleich zwischen Sachsen, unserem Wahlkreis und den einzelnen Kommunen belegen. Zu den Datenquellen und weiteren zugehörigen Daten (z.B. Wahlbeteiligung Anzahl der Stimmen usw. beim Statistischen Landesamt Sachsen) gelangen Sie durch Klick auf die jeweilige Grafik oder die Überschrift. Dort sind auch alle nicht in den Grafiken sichtbaren Parteien sowie die absoluten Zahlen zu finden. 

Die Wahlergebnisse aller Wahllokale des Landkreises Meißen (Wahlkreis 155) finden Sie als Rohdaten in einer Excel-Tablelle - Download hier
Eine Excel-Tabelle, übersichtlich aufbereitet für unsere Region (Radeburg, Moritzburg, Ebersbach, Thiendorf, Schönfeld) in einer Excel-Tabelle - Download hier.