Seit 2007 das Polyzentrum als solches ausgedient hatte, war es zunehmend dem Verfall preisgegeben. Interessenten für die der Stadt gehörende Immobilie gab es. Auf 68.000 Euro wurde der Wert geschätzt, doch der damalige Bürgermeister Dieter Jesse wollte es für den Preis nicht verkaufen. Schon damals hatten die jetzigen Besitzer, Andreas Kremer und Thomas Leitermann, nach dem Objekt gefragt. Bereits 2005, als das Ende des Polyzentrums absehbar war, wurde das Sanierungsgebiet Stadtmitte in östlicher Richtung extra um diesen Bereich erweitert. Die Städtebauliche Entwicklungsgesellschaft StEG legte im Rahmen der Begründung für diese Erweiterung Pläne vor, hier betreutes Wohnen und Einrichtungen aus dem passenden medizinischen Umfeld unterzubringen. Dazu sollte das Polyzentrum abgerissen und an dieser Stelle fußwegbündig ein Neubau errichtet und das alte Gebäude denkmalgerecht saniert werden.
Über die Jahre tat sich jedoch nichts. Der Technische Ausschluss beschloss schließlich, das Polyzentrum mit Hilfe von Fördermitteln abzureißen und dann ein baufreies Grundstück zu verkaufen. Wegen der Absicht eines weiteren Interessenten, den Baukörper zu erhalten, wurde das jedoch nicht realisiert.
Schon 2007 wurde das schon länger leerstehende Denkmalgebäude gegen Vandalismus gesichert, indem die Fenster mit Spanplatten zugenagelt wurden. Weil gerade die 50. Karnevalssaison lief wurden die Platten von Schülern der Zilleschule mit Faschingsmotiven bemalt. In der Faschingszeit wurde seit dem am Giebel eine große Plane aufgehängt, um die peinliche Optik des Ensembles ein wenig zu kaschieren.
Schon kurze Zeit nach der Wahl von Michaela Ritter zur Bürgermeisterin wurde die Immobilie gegen Höchstgebot zum Verkauf ausgeschrieben. Das Ergebnis war ein deutlich niedrigerer Preis als der vormals geschätzte. Kremer und Leitermann kauften dann auch noch das unmittelbar benachbarte Gebäude dazu, um mehr Gestaltungsspielraum zu haben. „Das war aber dann kein Schnäppchen,“ betonte Andres Kremer.
Inhaltlich blieben die beiden grundsätzlich bei dem Konzept, das die StEG angedacht hatte. Einzig der Idee des geschlossenen Quartiers mit dem fußwegbündigen Bauwerk folgten die beauftragten Architekten nicht.
Vielmehr unterstützen sie die Erhaltung der offenen Platzgestaltung im Bereich Heinrich-Zille-Straße/August-Bebel-Straße/Radeberger Straße, die in der Magistrale mit Großenhainer Platz und Markt ausgewogen einen dritten Platz bildet.
Als Architekt stand kein geringerer als Steffen Gebhardt zur Verfügung. Der freie Architekt ist seit 2009 Vorstand der Architektenkammer Sachsen. Er war im Februar 1990 Mitinitiator des „Rufes aus Dresden“ zum Wiederaufbau der Frauenkirche. Die Bürgerinitiative wurde 2015 mit dem Initiativpreis des Europäischen Kulturpreises ausgezeichnet.
Auf seiner Referenzliste stehen u.a. in Dresden das Forum Altmarkt, der Ammonhof, der Theaterkahn, das Fischhaus am Alberthafen und die Hafencity.
Gebhardt hat den Anspruch, „jede Bauaufgabe als Unikat zu begreifen und dies mit einer individuellen Lösung zu würdigen.“
So ist ihm der schon zum Abriss freigegebene graue Bau des Polyzentrums immerhin so viel wert, dass er innerhalb der bestehenden Kubatur das betreute Wohnen einrichtet. Schon im 3D-Modell ist zu sehen, wie interessant das ist.
Kremer und Leitermann hätten nun gern so in einem Zuge gebaut, aber Anfang des Jahres kam es ganz anders, denn...
dann kam Marion Seifert.
Im unserem Aschermittwochgespräch informierte Michaela Ritter über das Bauvorhaben von Andreas Kremer und Thomas Leitermann sowie deren Konzept.
Das las auch die Physiotherapeutin Marion Seifert, die mit ihrer Praxis „bei Waldens“ eingemietet war. Das ehemalige Bauernhaus hatte die Familie Walden zur Arztpraxis für Frau Dr. Ingrid Walden umgebaut, die dort bis zu ihrem Ruhestand praktiziert hatte.
Der Ärztemangel auf dem Land ist allseits bekannt und deshalb freut sich jeder, wenn eine junge Ärztin nach Radeburg kommt. Da Tochter Dr. Christine Walden bereit war, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, war klar, dass sie ihre Praxis natürlich im Haus der Familie eröffnen würde. Also musste notgedrungen der Vertrag mit Marion Seifert gekündigt werden.
„Es lief alles einvernehmlich ab,“ beteuert Marion Seifert, „allerdings wurde es im Frühjahr schon langsam dringend und ich hatte noch nichts gefunden. Da las ich von dem Vorhaben in der Zeitung und wandte mich an Herrn Kremer.“
Dieser fand die Idee der Einrichtung der Physiotherapie im Zusammenhang mit dem betreuten Wohnen sehr passend und so planten er, Leitermann und Architekt Gebhardt noch mal um, zogen die Sanierung des Altbaus, in den nun die Physiotherapie einziehen sollte, vor und machten aus einem zwei Bauanträge. „Da der Neubau baurechtlich komplizierter war, haben wir das getrennt,“ sagt Kremer und Frau Seifert nickt bestätigend als er feststellt: „Es haben alle große Unterstützung gegeben und sehr gut mitgemacht, ob das Frau Ritter war, die Stadträte, die StEG, das Bauamt beim Landkreis... Es sind alle weit entgegengekommen, als wir mit dem Ansinnen kamen, den Bauantrag zu teilen.“
Am Ende war es verdammt knapp, aber es hatte gepasst. „Als wir am 4. Oktober eröffneten, roch es überall noch nach Farbe,“ sagt Marion Seifert und zeigt stolz ihre Räume.
Der Empfangsraum und der Warteraum befinden sich in dem Teil, der im vorigen Jahrhundert mal angebaut wurde. Die architektonische Besonderheit der Schaufenster wurde erhalten, die im Übergang zum noch älteren Gebäudeteil vorgefundenen Rundbögen wurden erhalten und als Gestaltungselement auch an anderer Stelle übernommen.
Die Vornutzung als Wohnhaus bot es an, dass man nun als besonderes Merkmal statt der sonst für Physiotherapieeinrichtungen typischen Abtrennung der Behandlungsplätze hier nun für jeden Behandlungsplatz einen geschlossenen Behandlungsraum hat. Die dadurch mögliche größere Ruhe kommt jedem Patienten zugute.
Extra zwei größere Behandlungsräume sind für Spezialbehandlungen geeignet, die mehr Platz erfordern, auch zum Beispiel für in der Bewegung stark eingeschränkte Patienten und Rollstuhlfahrern.
Das Team von Marion Seifert besteht aus 4 Physiotherapeuten und 1 Rezeptionistin.
In der oberen Etage befinden sich weitere Behandlungsräume – insgesamt sind es sieben im ganzen Haus - ein Übungsraum für Turnen, Gymnastik und Entspannungsübungen in kleinen Gruppen - sowie ein kleiner Gymnastikraum zum Beispiel für Babygruppe.
„Aber das Schöne ist wirklich, dass man durch die separaten Räume nach der Behandlung noch richtig in Ruhe entspannen kann,“ sagt Marion Seifert. „Gerade die, die unsere Wellnessangebote nutzen, wissen das sehr zu schätzen.“
Andreas Kremer und Thomas Leitermann wollen im kommenden Jahr das Polyzentrum Geschichte sein lassen. Die Baugenehmigung für den 2. Bauabschnitt liegt inzwischen vor, so dass Anfang des Jahres mit dem Bau begonnen und die Bedarfslücke beim betreuten Wohnen nun bald geschlossen werden kann. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
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