Feuerwehren schlagen Alarm - in eigener Sache

Für sächsische Kommunen sehen sich bei der kommunalen Pflichtaufgabe Feuerwehr vom Freistaat im Stich gelassen. Fördermittel stehen nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung, der notwendig wäre. Feuerwehrleute sind frustriert, weil sie die Einsatzbereitschaft nicht mehr garantieren können.

Am Dienstag, dem 24.5.2016, trafen sich Bürgermeister der Region, Stadt- und Gemeinderäte sowie Feuerwehrleute mit Landtagsabgeordneten im Landgasthof Berbisdorf, um Alarm zu schlagen.

Landtagsabgeordnete, Bürgermeister und Feuerwehrleute im Gespräch

Die Landtagsabgeordneter Sebastian Fischer und Jan Löffler (hintere Reihe 3.,4. vl.) im Gespräch mit Bürgermeistern, Räten und Feuerwehrleuten

Bürgermeisterin Michaela Ritter fast das Kernproblem zusammen: "Zwar wurden beim neuen Feuerwehr-Förderprogramm die Fördersätze erhöht, die Richtlinie aber insgesamt nicht mit zusätzlichem Geld ausgestattet. Eine Förderung von Ausstattung, Geräten, Fahrzeugen und Gebäuden ist aber ausschließlich über diese Richtlinie möglich. Weder in den gut ausgestatteten Programmen zur ländlichen Entwicklung noch im neuen Investitionsstärkungsgesetz wurden Möglichkeiten der Bezuschussung für Feuerwehr-Aufgaben geschaffen."

Der Landtagsabgeordnete der Region, Sebastian Fischer hatte seinen Landtagskollegen Jan Löffler mitgebracht. Löffler ist Vertreter im Landesbeirat für Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Und nicht nur das. Er ist selber freiwilliger Feuerwehrmann und Katastrophenschützer. Er kennt die Lage aus eigener Anschauung. Er konnte sachkundig Auskunft über die aktuelle Thematik geben, musste sich aber - salopp gesagt - auch einiges anhören.

Nicht zuletzt von Kreisbrandmeister Nestler, der in seinem Statement strukturelle Defizite beim Freistaat aufzeigte, die dazu führen, dass die Notwendigkeiten bei Brand- und Katastrophenschutz sowie bei der Lebensrettung nicht dort Gehör finden. Dies beginnt bei dem Fakt, dass es z.B. im Kreis Meißen aktuell nur noch rund 3000 aktive Feuerwehrleute gibt. Früher waren es 3500. Zwar gibt es bei den Jugendfeuerwehren einen Trend nach oben, diese begründen sich aber auf Eigeninitiative vor Ort. Michaela Ritter ergänzt: "und die bewegten sich sogar lange in einer rechtlichen Grauzone, weil deren rechtlicher Status nicht gesichert war, geschweige dass es für sie Förderung gegeben hätte."

Nestler führte weiter aus, das im Landkreis seit der Wende 91% der Fahrzeuge neu beschafft wurden. Das heißt einerseits, dass immer noch jedes 10. Fahrzeug aus DDR-Zeiten stammt. Andererseits stehen jetzt auch bereits die ersten Neuanschaffungen von vor 20 bis 25 Jahren vor der Situation, dass sie ersetzt werden müssten. Das heißt, dass mit einem aktuell gleich bleibend niedrigen Förderbudget mit 1,5 bis 1,6 Millionen Euro im Jahr, oder auf den Freistaat hochgerechnet 21 Millionen, der jetzige Status nicht gehalten, geschweige ausgebaut werden kann.

Aus seiner Sicht war es richtig, die Fördersätze zu erhöhen, aber das bedeutete im Umkehrschluss, dass es keine Förderung mehr gibt für Bekleidung und Ausrüstung. Der Schönfelder Bürgermeister Hans-Joachim Weigel verärgerte das: "Man muss sich das mal überlegen: für die Jugendfeuerwehr muss ich mir Sponsoren suchen, damit die wenigstens ein paar T-Shirts und Schuhe bekommen können!"

Jan Löffler gab dem Kreisbrandmeister Recht in der Frage der strukturellen Probleme. Er schilderte ausführlich, wie in den Verhandlungsrunden der Interessengruppen um die Mittelzuweisungen vom Freistaat im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) verteilt werden. Nach diesem Gesetz wird aus den Anteilen von Freistaat, Kreisen und Kommunen eine Finanzausgleichsmasse gebildet, mit dem Ziel, das Geld gerecht umzuverteilen. Bei den Verhandlungen auf der staatlich-kommunalen Ebene seien die Abgeordneten leider nicht involviert. Löffler zeigte auf, dass dort die Interessenvertreter der Kommunen und Landkreise, der Sächsische Städte und Gemeindetag (SSG) und der Sächsische Landkreistag die Interessen der Feuerwehren stärker vertreten werden müssten, was aber offenbar nicht geschieht. 

Was die Folgen eines Zurückfahrens oder auch eines Verharrens auf dem jetzigen Niveau bedeutet, schilderten Feuerwehrleute mit teils drastischen Worten. Marcus Bachmann fragte, ob er dem, der auf der Autobahn verunglückt ist und in seinem Auto, das auf dem Dach liegt, was von Finanzen erzählen, weil das einzige verfügbare Gerät eine Brechstange ist? Als weiteres Beispiel wurde ein Busunglück auf der Autobahn genannt, bei dem Rettungskräfte aus einem Umkreis von 20 km anrücken mussten, weil die Feuerwehren vor Ort nicht ausreichend ausgestattet waren. Sie schilderten Fälle, wo bei der Fahrt zum Einsatzort die Elektrik komplett ausfiel. Das Problem war bekannt, aber kein Geld für eine Reparatur da.

Hans-Joachim Weigel an die beiden Politiker gewandt: "Sie versuchen uns hier den schwarzen Peter zuzuschieben, aber es ist doch ganz einfach: der Freistaat muss mehr Geld für die Feuerwehren zur Verfügung stellen. Ich bin heute hier her gekommen, um Euch ins Buch zu schreiben: sorgt dafür, dass die Feuerwehren mehr Geld kriegen! Die Kameraden halten ihren Buckel hin und versuchen das beste draus zu machen. Viele sind frustriert. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass sie abspringen."

Stadtrat Michael Ufert, Direktor der Zille-Schule, brachte noch einen anderen Aspekt ins Spiel: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Feuerwehren in vielen Orten für den sozialen Zusammenhalt sorgen. Früher waren das die Kirchen, die Schulen, die Sportvereine und eben die Feuerwehren. Wir reden viel über Förderung des ländlichen Raumes. Aber was geschieht wirklich? Identität geht verloren. Kirchen werden weniger besucht, Dorfschulen wurden geschlossen, bleiben die Vereine und die Feuerwehren. Sie kämpfen mit den gleichen Problemen. Mangelnde Finanzausstattung und Überalterung. Wir waren letzte Woche in der Partnerstadt Frydlant. Dort haben wir gesehen was geht. Die Tschechen schwimmen wahrlich nicht im Geld und haben mit der Entwertung ihrer Währung zu kämpfen, aber was man dort sieht: Feuerwehren tip top und Sportvereine, die sind bestens ausgestattet. Da schämt man sich, wo man her kommt."

Im Rahmen der Veranstaltung war es sicher nicht möglich, von heute auf morgen an Förder- und Strukturproblemen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen etwas zu ändern, dennoch ist von Berbisdorf aus ein Alarmsignal an den Landtag ausgesendet worden, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Klar war am Ende wohl allen, was ein Gesprächsteilnehmer so ausdrückte: "Wenn wir jetzt die Feuerwehren zu Grabe tragen, wird es zehn, fünfzehn Jahren nicht 21 Millionen, sondern 100 Millionen kosten, Lebensrettung, Brand- und Katastrophenschutz wieder auszugraben."