Lustige Preisverleihung mit verbalen Scharmützeln

Am Sonntag, dem 12. Januar, fand die diesjährige Ehrung des neuen Heinrich-Zille-Karikaturenpreisträgers statt. Seit 2018 wird der Preis ausgeschrieben. Anlass war der 160. Geburtstag des „Urberliners“ Heinrich Zille, der am 10. Januar 1858 hier in Radeburg geboren wurde. Jährlich am Sonntag nach seinem Geburtstag findet die Verleihung des Jurypreises statt.

im Bild fehlt Bürgermeisterin Michaela Ritter ;-)

Gruppenbild ohne Dame (v.l.): Juror Mario Süßenguth, Peter Steinhorst und Maik Beger von Sponsor REWE, Walter Plathe (Schauspieler und Gründer des Zillemuseums in Berlin), Preisträger Uwe Krumbiegel, Michael Ufert (amt. Bürgermeister) sowie Juror Dr. Peter Ufer

Die Begrüßung übernahm der stellvertretende Bürgermeister Michael Ufert in Vertretung der erkrankten Bürgermeisterin Michaela Ritter. Als prominenten Gast konnte Michael Ufert den Schauspieler Walter Plathe begrüßen. Ebenfalls begrüßte er die 12köpfige Jury und die beiden Kuratoren Dr. Peter Ufer und Mario Süßenguth. Die beiden sind die Gründer der Galerie Komische Meister, die in diesem Jahr 10 Jahre alt wird. Als Jurymitglieder teilen sie sich die Laudatio für den Preisträger und die Einführung in die Ausstellung. Michael Ufert begrüßte deshalb auch die anwesenden Künstler, darunter Preisträger Uwe Krumbiegel.

„1000 € für den Hauptpreis und 500 € für den Publikumspreis sind zwei starke Argumente, an dem Wettbewerb teilzunehmen,“ stellte Michael Ufert fest, der hauptberuflich Leiter der Heinrich-Zille-Oberschule ist. „Deshalb ein großes Dankeschön an das Handelsunternehmen REWE-Petz, das das zweite Jahr in Folge den Hauptpreis sponsert und das Ideenwerk Radeburg, das von Anfang an den Publikumspreis finanziert.“ Fast 60 Künstler aus ganz Deutschland rechneten sich Chancen aus und bewarben sich mit ihren Karikaturen und Cartoons zum Thema „Mensch Alter, je oller je doller“. Aus über 400 Einsendungen wählte die Jury ihren Favoriten und aus einer Auswahl von noch einmal ca. 200 Arbeiten kann nun bis Ende März das Publikum seinen Liebling bestimmen. Selbst wenn man am Ende keinen Preis holt, so macht man doch auf sich aufmerksam und geteiltes Lachen ist vervielfältigtes Lachen, was unserer Gesellschaft doch nur guttun kann.

Der im Gegensatz zu Zille tatsächlich in Berlin geborene Schauspieler Walter Plathe erinnerte in seinen Grußworten daran, wie er mit Zilles Werken aufwuchs und was ihn bewegt hatte, 2002 das Heinrich-Zille-Museum im Berliner Nikolaiviertel zu gründen.

Im zarten Alter von 8 oder 9 Jahren bekam er von seiner Tante Hertha „Das Große Zillebuch“ geschenkt. Da er selber mit alleinerziehender Mutter auf einem Hinterhof großgeworden ist, kam ihm das, was er in den Bildern vorfand, doch sehr vertraut vor und das Buch begleitete ihn fortan. Bei einem Besuch des Karl-Valentin-Museums in München kam er auf die Idee, dass auch Zille so ein Museum haben müsste. In Berlin gab es gerade mal ein Zimmerchen für Zille im Märkischen Museum. Walter Plathe gewann mit Harald Juhnke, Günter Pfitzmann und Brigitte Grothum prominente Berliner Schauspieler, um gemeinsam mit Zilles Urenkel Heiner Preetz-Zille das Projekt „Heinrich-Zille-Museum“ anzugehen, das nahezu ausschließlich von privaten Unterstützern finanziert wird, getragen vom Heinrich Zille-Freundeskreis e.V.

Walter Plathe ist Älteren sicher noch aus DEFA-Filmen und als Moderator von „Ein Kessel Buntes“ bekannt, etwas Jüngeren durch die fast 300 Folgen lange ZDF-Serie „Der Landarzt“, in der er als Dr. Uli Teschner in dem virtuellen Dorf Deekelsen von 1992 bis 2009 die Praxis leitete.

Walter Plathe brachte im Anschluss an seine unterhaltsamen Grußworte den Wunsch nach einem engeren Austausch zwischen den beiden „Zille-Museen“ zum Ausdruck, womit er sicher nicht nur bei Museumsleiter und Kurator Robert Rösler, sondern auch bei Peter Ufer offene Türen einrennt.

Peter Ufer sagte, er könne dieses Berlinern zwar nicht leiden, aber vielleicht könne man sich im Anschluss an die Vernissage doch mal zweisprachig austauschen. „Vielleicht finden wir noch einen Dolmetscher.“ – Plathe Zwischenruf: „Ick kann Dir och ni leiden, aber ik komm trotzdem jerne!“ Das Wortscharmützel zwischen dem Sachsen Peter Ufer und der „Berliner Schnauze“ muss man erlebt haben! Aber auch ansonsten sind die Bonmots der Redner hier das Eintrittsgeld wert, das mit Null Euro und zur Vernissage freiem Eintritt ins Museum sogar unschlagbar günstig ist.

Peter Ufer beschwor Sachsen (im Gegensatz zu Berlin) als unerschöpfliche Quelle des Humors, was nicht nur mit Zille belegt sei, sondern auch mit dem von Plathe beschworenen Karl Valentin, dessen Mutter Sächsin war, denn sie war in Zittau geboren. „Hinter jedem erfolgreichen Berliner steht eine sächsische Familie,“ so Ufers Fazit.

Einführung in die Ausstellung

In Bezug auf das Motto „Je oller je doller“ machte der Redner darauf aufmerksam, dass die Alten mehr Aufmerksamkeit brauchen. „Viel zu oft macht die letzte Generation allerdings großen Zirkus, klebt sich an und lässt sich dann bequem nach Hause tragen, statt sich mal um die wirklichen Probleme der Gesellschaft zu kümmern – nämlich um die Rentner. Die fallen meistens hinten runter, manchmal fallen sie auch vorne runter. Jasmin Nölling weißt mit ihrem Treppenwitz darauf hin, zeigt absteigende Altersarmut. Welche Behörde hätte denn in früheren Jahren ahnen können, dass Menschen altern?“

Im frisch erschienenen Armutsbericht der Bundesrepublik Deutschland, wird die Überraschung der Behörden darüber deutlich, denn der einleitende aufschlussreiche Satz lautet: „Die Menschen in Deutschland werden wegen höherer Lebenserwartung immer älter.“

Wahrscheinlich ist ein Haufen Geld dafür ausgegeben worden um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Früher war man da schon näher dran an der Realität. In der DDR hießen die Unterkünfte für die Alten nicht marketingtechnisch geschickt „Seniorenresidenz“, sondern „Feierabendheim“. Ufer: „Da wusste man schon bei der Anmeldung, dass bald Feierabend ist.“ Und weiter: „Schon immer stellt sich die Frage: wird das Leben nach dem Tod schöner? Und die Antwort lautet: Es kommt darauf an, wer stirbt.“

„Ulrike Wodner aus Leipzig,“ so findet Ufer, schafft es mit ihrer Karikatur „Opa, das System stürzt ab!“ feinfühlig den Unterschied im Verständnis des Wortes „System“ in verschiedenen Generationen darzustellen. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt man, dass die Aussage des Enkels beim Opa nicht Panik, sondern Freude auslöst. Er hat ja Erfahrung mit bis zu zwei Systemen, die bereits untergegangen sind.

Mario Süßenguth danke in seiner Laudatio allen, die sich am Wettbewerb beteiligt haben, „die jedes Jahr mit ihren phantastischen Ideen den Witz und die Schärfe der Satire liefern“ – also das, was die anschließende Ausstellung dann so besonders macht.

Süßenguth betonte noch einmal, dass es sich bei dem Zillepreis um einen internationalen Preis handele – so kämen die Preisträger immerhin aus Berlin, München, Leipzig, Frankfurt und … Flöha – „Und der diesjährige Preisträger kommt aus Hetzdorf, der heimlichen Partnergemeinde von Hassloch“ Oder war es Heuchelheim?

Uwe Krumbiegel, Jahrgang 1962, ist aufgewachsen in Flöha (Sachsen) und hat an der Bergakademie Freiberg die Fachrichtung Energietechnik studiert. Karikaturen waren zunächst seine Freizeitbeschäftigung. Schon als Schüler fing er damit an. Als Ingenieur zeichnete er in seiner Freizeit oder im Urlaub. Bereits vor der Wende machte er mit Veröffentlichungen in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften, z.B. in der „Freien Presse“ und im "Eulenspiegel" auf sich aufmerksam. Inzwischen ist er so erfolgreich, dass er von seiner „Lieblingsbeschäftigung“ leben kann, hat mehrere Bücher veröffentlicht und zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den Publikumspreis beim Österreichischen Cartoonpreis und 2021 den „Sächsischen Scherzkeks“.

„Gezeichneter Humor,“ zitiert Süßenguth Uwe Krumbiegel, „ob nun als Blödsinn oder als treffsicher entlarvende Satire, ein paar Bleichstiftstriche und treffend getextete Sprechblasen – und schon erhitzt sowas die Gemüter. Wenig Aufwand, viel Effekt.“

Auf der Siegerkarikatur sehen wir „eine silbergrau gelockte Dame in altrosafarbenem Nachthemd, die an die blaue Zimmerdecke klopft und ruft enttäuscht: „Hallo, was ist los? Heute kein Sex?“ Süßenguth sieht darin einen unterschwelligen Spott über eine Gesellschaft, die nicht genügend Nachwuchs zeugt. „Das Geräusch, das beim Nachwuchszeugen entstehen kann, ist immer seltener zu hören. – aber schauen wir noch etwas genauer hin, auf die Vase links. Drei Blumen erinnern vielleicht dezent an die drei Ex-Männer des nunmehr einsamen Singles, dem die Decke auf den Kopf fällt und die nun nicht einmal mehr von den Nachbarn ein Lebenszeichen bekommt. Tote Hose. Deutschland stirbt aus. Dabei verschweigt uns der Zeichner, wer da oben wohnt. Sind es Mann und Frau, Mann und Mann, Frau und Frau – und so weiter, na Sie wissen schon. – Oder ist da oben vielleicht sogar ein frivoler Club, ein Etablissement und die Untermieterin der alten Schule treibt die arbeitsscheue Generation Z da oben zu mehr Einsatzbereitschaft, Fleiß und Einsatz an?“

Bei der Entgegennahme des Preises wurde Uwe Krumbiegel gefragt, was ihn eigentlich mit Zille verbinde. Natürlich das witzige Zeichnen, klar. Aber er hatte auch entdeckt, dass seine Mutter und Zilles Mutter im Erzgebirge, nur 10 km voneinander entfernt geboren wurden. So kann man haarscharf schlussfolgern: Da wir mit Jan Kunz aus Flöha bereits einen Zillepreisträger hatten, muss das eine ziemlich heitere Ecke sein.

Und dann meldete sich Walter Plathe noch mal. „Ick muss een Jeständnis machen: Meene Mutta is ooch Sächsin. Se stammt aus Leipsich.“ Die biosächsische Mehrheit im Saal bog sich vor Lachen. Das „Gagfeuerwerk“ an diesem Sonntag war einzigartig.

Die Karikaturenausstellung ist ab sofort bis voraussichtlich Ende März im Heimatmuseum zu den Öffungszeiten zu sehen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie als Dank für das Lachen, Lächeln oder Schmunzeln, das Ihnen die Bilder bringen, Ihrem Lieblings-Cartoon Ihre Stimme geben. Die Stimmkärtchen erhalten Sie direkt im Museum. 

Zille über Zille

Detlef Zille über Heinrich und Helen Zille

Unser Leser und nebenberuflicher „Zille-Forscher“ Detlef Zille hat auch anlässlich des 167. Geburtstages wieder einen interessanten Beitrag gesendet. Detlef Zille, mit dem Pinselheinrich nicht verwandt, hat sich spezialisiert auf populäre Irrtümer in Bezug auf Heinrich Zille – in diesem Beitrag geht er auf Helen Zille ein, damals Bürgermeisterin von Kapstadt, anschließend (2009 – 2019) Premierministerin der Provinz Westkap (vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten bei uns).

Zum 150. Jubiläum von Heinrich Zilles Geburtstag sollte eine neue Gedenktafel enthüllt werden. Der Bürgermeister von Radeburg, Dieter Jesse, lud dazu seine Amtskollegin aus Kapstadt (Südafrika) Helen Zille ein. Sie galt als Großnichte des Pinselheinrich, was sich später als nicht zutreffend herausstellte.
Der Irrtum beruht auf handschriftlichen Aufzeichnungen. Ein Onkel von Helen erstellte 1971 einen Familien-Stammbaum, der auf einer Studie von Richard Walter Zille von vor 1914 aufbaut. Letzterer starb früh und konnte seine Arbeit nicht vollenden. Später emigrierten die Eltern von Helen Zille auf Grund des in Deutschland herrschenden Rassenwahn, weshalb ihnen der Zugriff auf Unterlagen aus den Standesämtern verwehrt war.

Einige Zeit nach dem Besuch der südafrikanischen Politikerin in Radeburg erhielt diese einen Brief von einer Frau, die für sich beanspruchte, die einzige lebende weibliche Verwandte von Heinrich Zille zu sein. Das Schriftstück war in einem verletzenden Ton abgefasst und bestritt, dass es je einen Juden in der Zille-Familie gegeben hätte. Die Antwort fiel deutlich aus:
»Aus der Formulierung Ihres Briefs wird ersichtlich, dass die Bigotterie, die meine Vorfahren dazu veranlasste, Deutschland zu verlassen, bis heute überlebt hat. Ich glaube, der großartige Heinrich Zille wäre über Sie beschämt. Seine Arbeit und Leben vermittelt eine ganz andere Art von Humanität.«

Weitere Jahre später begrüßte Helen Zille das Vorhaben der deutsche Genealogin Martina Rohde, den Familien-Stammbaum zu erforschen. Das Ergebnis kam noch rechtzeitig in Südafrika an, um in die Autobiographie der Politikerin eingefügt zu werden:

Es gab eine Verwechslung zwischen zwei Johann Gottlob Zille – der eine war der Großvater des berühmten Heinrich Zille, geboren 1795. Der andere war Helens Vorfahre, geboren 1787. Zwei verschiedene Personen, aber Richard Walter Zille dachte, sie wären ein- und derselbe Mensch. Und es gibt zwei weitere Personen mit dem Namen Heinrich in diesem Stammbaum: Heinrich Erich Zille, 1872 in Berlin geboren und 1948 in Wiesbaden verstorben sowie Heinrich Johannes Paul Zille, 1867 in Berlin geboren und im Jahr darauf gestorben. Aber auch hier kann auf Grund abweichender Lebens- wie auch Ortsangaben keine Verbindung zum Berliner Grafiker gemacht werden.
Quellen:
• Helen Zille: Not without a fight: The autobiography, Cape Town 2016, S. 20.
• Brandenburg – Datenbank: https://db-brandenburg.de/?page_id=1668