Deutschlands beste Nachwuchshandwerker 2022 – darunter ein Radeburger

... aus der Druckerei, die auch unseren Anzeiger druckt. Die „Sächsische“ kürte den Radeburger Philip Kirschner (22) als „Deutschlands besten Flyermacher“. „Das stimmt so nicht ganz,“ sagte Philip Kirschner bescheiden. Philip Kirschner erklärt geduldig, wofür er tatsächlich geehrt wurde. Heraus kommt: die Aussage ist ein bisschen wie beim Sender Jerewan. „Im Prinzip ja, aber…“

Philip Kirschner mit den Pokalen des Bundeswettbewerbs (links) und des Kammerbezirks. Die Auszeichnung vom Landeswettbewerb fehlt noch.

Philip Kirschner mit den Pokalen des Bundeswettbewerbs (links) und des Kammerbezirks. Die Auszeichnung vom Landeswettbewerb fehlt noch.

Der Reihe nach. Philip Kirschner wurde in Dresden geboren und kam mit zwei Jahren nach Radeburg – er schlug also in dem Alter die entgegengesetzte Richtung ein wie der bekannteste Radeburger Grafiker, der mit zwei Jahren von Radeburg nach Dresden zog. 
Heinrich Zille musste bis nach Berlin ziehen, um dort 1872 eine Lehre in einer Druckerei anzutreten. Philip Kirschner konnte das in Radeburg, in der Druckerei Vetters. Zille wurde Lithograf. Lithografen zeichnen und schreiben spiegelverkehrt auf Druckblatten. Heutzutage ist die Druckvorstufe „anders kompliziert“ und die Berufsbezeichnung noch komplizierter: „Mediengestalter für Digital und Print“.
Zuvor hatte Philip Kirschner die Grundschule und die Heinrich-Zille-Oberschule in Radeburg besucht und im Berufsschulzentrum für Dienstleistung und Gestaltung in Dresden sein Fachabitur erhalten. Zum ersten der beiden „Abiturjahre“ gehört, sich Berufspraxis in einem entsprechenden Fachbetrieb anzueignen – Philip erwarb diese bei uns im Ideenwerk in Radeburg, wo unter anderem der Radeburger Anzeiger konzipiert, formell und inhaltlich gestaltetet sowie druckfertig gesetzt wird.
Nach dem Abi schloss Philip einen Lehrvertrag mit der Druckerei Vetters ab, wo er als Medienoperator praktisch an der nächsten Stelle im Prozess arbeitet – das heißt, die vom Kunden gelieferten Daten für den Drucksaal fertigzumachen, so dass aus der gelieferten Druckvorlage schließlich tausende oder gar Millionen Exemplare werden. Nach zwei Jahren Ausbildung unter den kritischen Augen von Lehrausbilder Mirko Schöne war es dann so weit: die Prüfungsarbeit stand an. 

„Die Prüfung sieht so aus,“ erklärt Philip Kirschner, „dass jeder Lehrling dasselbe Briefing für einen Flyer erhält. Text, Grafiken und Bilder werden geliefert. Fest steht, was davon auf welcher Seite erscheinen und welches Format der Flyer haben soll.“

Der Prüfling  entscheidet selbständig über Farben, Schriften, Bildausschnitte und die konkrete Anordnung von Text und Bildern, wobei der Text in einem Umfang von zwei Textseiten sowohl optisch und gestalterisch wirksam als auch sinnig mit den Bildern korrespondierend auf 16 Seiten „verteilt“ werden muss. Dazu waren die Entscheidungen, also was man warum wie gemacht hat, in einer schriftlichen Dokumentation festzuhalten, die ebenfalls bewertet wurde. Obwohl die Lehrpläne in den Bundesländern ganz verschieden sind, sind aber die Prüfungen bundesweit einheitlich,“ ergänzt der frischgebackene Geselle noch, der auch den im Druckhandwerk üblichen „Gautschbrief“ erhalten hat.

Mit seiner Arbeit, für die er 97 von 100 Punkten erhielt, war er zunächst der beste in bereich der Kreishandwerkskammer (RAZ berichtete) und dann der beste im Kammerbezirk Dresden. Und sogleich relativiert Philip Kirschner: „Ich war nur einer von dreien, die durch die Handwerkskammer Dresden geprüft wurden. Die meisten Lehrlinge wurden durch die IHK geprüft. Den Landeswettbewerb und den anschließenden Bundeswettbewerb gibt es auch nur für die Gesellenprüfungen in den Handwerksberufen. Vielleicht hatte jemand in der IHK-Prüfung 98 oder mehr Punkte, das weiß ich nicht. Ich bin also nur vielleicht der beste Mediengestalter des Abschlussjahrganges 2022.“ Auch in den landesweiten Vergleich kamen nur die Lehrlinge der Handwerks-Kammerbezirke Chemnitz und Leipzig aber nicht die der Industrie- und Handelskammern.

„In anderen Berufsgruppen gibt es zudem noch Wettbewerbe zusätzlich zu den Prüfungen. Bei mir wurde die Prüfungsarbeit einfach nur an die nächsthöhere Ebene bis zum Bundeswettbewerb des Handwerks weitergereicht.“

Dass die Auszeichnungen trotzdem keine so ganz kleinen Nummern sind, zeigt sich darin, dass z.B.  die Urkunde des Bundeswettbewerbs vom Bundespräsidenten unterzeichnet ist. Bei der Preisverleihung durch den Zentralverband des Deutschen Handwerks in Augsburg am 9. Dezember war sogar der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder persönlich zugegen. Ausgezeichnet wurden die jahrgangsbesten Gesellen in 130 Berufen.
Als Bundessieger kam Philip in das Auswahlverfahren für ein Weiterbildungsstipendium, das ihm dann ebenfalls zugesprochen wurde. Er hofft nun, dass er dieses für sein bereits begonnenes berufsbegleitendes Studium zum Bachelor für Mediendesign an der Internationalen Hochschule Erfurt verwenden kann. 

Vor zwei Jahren hatte es übrigens bereits Jonas Kühne in den Club der besten Gesellen geschafft – ebenfalls aus der Druckerei Vetters, jedoch aus der Reihe der Drucker, die sich heute „Medientechnologe Druck“ nennen. Im gleichen Jahr wurde die Druckerei Vetters als „Ausbildungsbetrieb des Jahres“ ausgezeichnet. Der Betrieb bildet jedes Jahr in bis zu acht verschiedenen Berufsrichtungen aus. Seit Jahren erreichen die Vetters-Azubis in allen Bereichen ausgezeichnete Leistungen. Mit mehr als 120 Mitarbeitern zählt Vetters zu den innovativsten Druckunternehmen in Deutschland.