RAZ Leserreise Israel: Zu unseren fremden Wurzeln

Unsere abendländische Kultur ist unvorstellbar ohne das Morgenland. Was hat uns Europäer mehr geprägt als das Christentum? Seinen Anfang nahm es in den römischen Provinzen Judäa, Samaria und Galiläa – dem heutigen Israel. Also back to the roots, auf nach Israel. Einmal auf die Anfänge sehen. Wäre das nicht was? Aber das ist doch so ein gefährliches Land...

Das Wichtigste gleich zuerst: Israel ist anders, als eine überwiegend einseitige Berichterstattung uns weiszumachen versucht. So anders, das ich das Bild gewählt habe von den „fremden Wurzeln“.

Blick über den Ölberg zur Altstadt

Blick über den Ölberg und das Kirdrontal zur Altstadt mit dem Tempelberg. In der Bildmitte die goldene Kuppel des Felsendoms.

Manche fahren zum Tauchen nach Eilat, manche zur Kur ans Tote Meer, wieder andere nutzen die Thermik der enormen Höhenunterschiede zum Paragliding, manche pilgern, manche biken, wieder andere reizt das moderne, junge Nachleben in Tel Aviv. Eine organisierte Rundreise, die möglichst viel vom ganzen Land in kurzer Zeit zeigt, möglichst viel von dem, was ich „fremde Wurzeln“ nenne, bietet Reiseveranstalter Maik Förster nun schon seit 25 Jahren an. Nach dem ersten Besuch Israels 2014 war ich so begeistert, dass es 2016 die erste gemeinsam veranstaltete "RAZ-Leserreise" gab und nun, 2018, soll es die nächste geben. Jeweils 10 Tage verbrachten wir hier - und die Faszination ist nicht geringer geworden. Diesmal sollen es 11 Tage sein, denn wir haben zwei Tage Erholung am Roten Meer neu im Programm. Hier finden Sie weitere Informationen und Reiseberichte zu einzelnen Tagen - zu allen Reisetagen aber Links zu Bildergalerien mit weiteren Beschreibungen. Lassen Sie sich inspirieren!

Leserreise Israel

Land voller Spannung

Land voller Spannung

"Erstmals seit 1979 hat der UN-Sicherheitsrat die israelische Siedlungspolitik in einer Resolution verurteilt, heißt es zu Weihnachten im MDR. "Möglich wurde das, weil die USA sich der Stimme enthielten. In den vergangen Jahrzehnten hatte Washington etwa 30 Mal sein Veto eingelegt und so Beschlüsse gegen Israel verhindert. Die 14 anderen Mitgliedstaaten stimmten für die Resolution, die einen sofortigen Stopp des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland und in Ost-Jerusalem fordert. Die UNO sieht die Siedlungen in von Israel besetzten Gebieten als illegal an, sie seien ein Haupthindernis für eine Beilegung des Nahost-Konflikts." Viele fühlen sich bestätigt. 14 Staaten können nicht irren und über die Gründe, warum gerade die USA Israel schützt, weiß eh jeder Bescheid.

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist ein Thema, zu dem jeder irgendwie eine Meinung hat, ein Thema, mit dessen Hilfe Menschen in Gut und Böse eingeteilt werden, ein Thema, das jedem historisch gebildeten Deutschen Gewissensbisse macht, denn den israelischen Staat und, so die gängige Vorstellung, den ganzen Nahostkonflikt würde es nicht geben, wenn die Holocaust-Überlebenden nicht aus Europa geflohen wären, um hier einen Staat zu gründen, in dem sie sicher(!?) leben können.

Johannes Gerloff, ein Publizist, der seit 1994 in Israel lebt und den wir besucht haben, sagt: „Wenn Sie sich auf Israel einlassen, will ich Ihnen nur so viel sagen: Israel ist kein einfaches Land. Es ist ein kompliziertes Land.” Und ja, es stimmt: durch den Besuch des Landes lösen sich Klischees auf. Das heißt aber nicht: es ist in Wirklichkeit alles gut. Ulrich W. Sahm, u.a. Israel-Korrespondent von n-TV, sagte zu einer Reisegruppe, der ich vor zwei Jahren angehörte, auf die Frage, wie denn aus seiner Sicht eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts aussehen könnte, ohne zu zögern: „Es gibt keine Lösung”. Er lebt seit den 70er Jahren in Israel und hat eine Wohnung in Jerusalem, in einem Haus im „Niemandsland”, in einem Streifen, der nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 von keiner Seite beansprucht wurde. Dieser Streifen ist heute dicht bebaut, obwohl das völkerrechtlich fragwürdig ist. Er ist mit einer Israelin verheiratet und sagt trotzdem: „Man neigt bald der einen, bald der anderen Seite zu, je nach dem, wen man zuletzt gehört hat.” Anders ausgedrückt: es gibt Extremisten auf beiden Seiten, die für viel Leid verantwortlich sind und denen es wieder zunehmend gelingt, Solidarisierungseffekte zu erzielen und das Zusammenleben zu stören, das im Alltag weitgehend friedlich ist. Wir als Touristen lernen gastfreundliche Menschen kennen: zum Beispiel jüdische Christen, muslimische Araber, christliche Palästinenser, Drusen, Baihai – ja, so differenziert ist das wirkliche Bild. Wie gesagt: die Klischees lösen sich auf.

In dem Landstrich zwischen Jordan und Mittelmeer, der nur wenig größer ist als Sachsen, finden sich Heiligtümer von drei Weltreligionen, die zusammengefasst die „abrahamitischen” heißen, weil sie gemeinsame Wurzeln haben, die auf Abraham (arabisch Ibrahim), den Stammvater der Israeliten (Juden) und Ismaeliten (Araber) zurückgehen, der in diesem Landstrich seine Heimat hatte.

Der Jude Jesus von Nazareth, nach dem sich das Christentum benennt, ist hier geboren und hier hingerichtet worden. Der Karfreitag ist ein Feiertag, an dem Feiern verboten ist. Auch für Nicht(mehr)christen. Viele wissen das nicht und wissen auch nicht, warum. Wir gedenken, ob wir also wollen oder nicht, der Kreuzigung an diesem Tag. Und am Ostersonntag gedenken wir der Auferstehung, an die alle Christen glauben und die auch alle "Sonstigen" in christlich geprägten Landen mitfeiern dürfen. Das ist die christliche Prägung unseres fernen Abendlandes, die hier in diesem Landstrich ihren Anfang hat.

Das ist das Spannende und das sind die Spannungen in diesem Land, die daraus folgen. Und es gibt im ganz wörtlichen Sinn noch mehr Spannungen: denn just hier, wo sich die Weltreligionen aneinander reiben, ist auch eine der geologisch aktivsten Gegenden der Erde.

Der „Jordangraben” ist ein Grabenbruch auf einer Länge von etwa 1000 Kilometern, an dem die Arabischen Platte im Osten und der Afrikanischen Kontinentalplatte im Westen jährlich etwa 3 cm aneinander „vorbeischrammen”, sodass sich immer wieder Spannungen in der Erdkruste aufbauen und sich anschließend als Erdbeben entladen. An dieser Linie sind Teile der Erdkruste eingebrochen und liegen bis zu 400 Meter unter dem Meeresniveau. Das Ufer des Toten Meeres ist die tiefstgelegene Stelle der Erde, die man trockenen Fußes erreichen kann. Das Tote Meer und der See Genezareth sind durch diese tektonische Bewegung überhaupt erst entstanden. Ihr Wasser speist sich hauptsächlich aus dem Jordan, der sein Flussbett ebenfalls in dem nach ihm benannten Graben gefunden hat.

Wie sicher ist eine Israel-Reise?

Wie sicher ist eine Israel-Reise?

Israel-Reiseveranstalter Maik Förster bekräftigt nach nun schon über 25 Jahren Reiseerfahrung: „Israel ist für Touristen eines der sichersten Reiseländer. 2015 besuchten 3,1 Mio. Touristen aus aller Welt das Heilige Land. 198.000 Gäste davon kamen aus Deutschland. Sie alle haben ohne besondere Vorkommnisse das Heilige Land bereist und sind wohlbehalten zurück nach Deutschland gekehrt.
Aufgrund der detaillierten Einreisebestimmungen konnten sich Besucher jederzeit sicher fühlen und sich frei im Land bewegen. Die Heiligtümer, Sehenswürdigkeiten und Kulturerbestätten sind in der Regel ganzjährig frei zugänglich. Von den deutschen Besuchern kamen 70 Prozent als Individualreisende. An einer organisierten Rundreise nahmen 19 Prozent teil, während sieben Prozent ein Pauschalangebot buchten.”

Tag 1: Tel Aviv - Jaffa

Tag 1: Tel Aviv - Jaffa

Unsere Zeit reichte, das Land bis hinauf zu den Golanhöhen und bis hinunter zur Negev-Wüste zu bereisen. Den Anfang machte sinnvollerweise Tel Aviv, weil wir ja auf dem Flughafen Ben Gurion ankamen. Tel Aviv ist eine Doppelstadt, die offiziell Tel Aviv-Jaffa heißt. Ursprünglich war Tel Aviv der jüdische Ortsteil des arabischen Jaffa, dem biblischen Yoppe.

"Tel Aviv ist der perfekte Mix: orientalisch und westlich, sonnig und cool, spannend und entspannt, schnell und hektisch, doch am Strand entschleunigt und ruhig. Es ist eine Stadt zum Baden und zum Feiern - und all das kann man genießen, weil man sonst nichts verpasst. Denn die Sehenswürdigkeiten sind anderswo, zum Beispiel im 60 Kilometer entfernten Jerusalem," sagt Peter Münch, Korrespondent der Süddeutschen. Doch dem letzten Satz können wir getrost widersprechen. Wir wanderten des Nachts am Strand von Tel Aviv entlang in die Altstadt von Jaffa oder anders gesagt, vom Gründungsort Israels zum Ausgangspunkt einer Weltreligion.

Am Ende der kilometerlangen Strandpromenade befindet sich das Etzel-Museum. Das Museum erzählt die Geschichte von ETZEL (auch IRGUN genannt) einer der drei Hauptkräfte im Widerstand gegen die britische Besatzungsmacht. Es konzentriert sich auf Etzels Aktivitäten in den Monaten vor der Gründung des Staates Israel, insbesondere den Kampf um Jaffa im April 1948. Es erinnert an die 41 Etzl-Kämpfer, die in diesem Kampf fielen. Der Kampf wurde nicht, wie man oberflächlich vermuten könnte, gegen die arabische Bevölkerung geführt, sondern gegen die britische Besatzungsmacht, aus deren Sicht die Freiheitskämpfer als Terroristen bezeichnet wurden. Wenn man so will, geht die Staatsgründung eines Landes, das besonders unter Terrorismus leidet, selbst auf Terroristen zurück. Das Museum (Fotos), das über Original-Dokumente, Bilder, Kurzfilme, Karten und Dioramen verfügt, ist in einem restaurierten Haus einer jüdischen Familie aus dem 19. Jahrhundert untergebracht.

Jaffa ist über 5000 Jahre alt. 1909 wurde Tel Aviv als jüdischer Ortsteil gegründet, 1934 selbständige Stadt. 1950 wurden beide Städte zur Stadt Tel Aviv-Jaffa vereinigt.

1945 hatte Jaffa über 100.000 Einwohner, von denen mehr als die Hälfte muslimisch, ein Drittel jüdisch und der Rest christlich war. Heute sind 96% der 300 000 Einwohner von Tel Aviv-Jaffa Juden. Nur noch ca. 10 000 Araber (Moslems und Christen) leben in Jaffa. Diese werden aber auch hier zunehmend von Juden verdrängt, die hier alte Gebäude aufkaufen. Der weitgehend vollzogene „Bevölkerungsaustausch” ist einer der vielen Nadelstiche in der arabischen Seele, für viele Palästinenser ein Beleg für einen Prozess, der auch dem Westjordanland, englisch West Bank, einschließlich Ost-Jerusalem droht.

In Jaffa befindet sich heute noch das Haus des Gerbers (Bild), bewohnt von der armenischen Familie Zacharias. Der christlichen Überlieferung zufolge lebte Petrus einige Zeit hier, in dem damals heidnischen Haus. Petrus erklärte hier den Jüngern, dass nicht nur Juden, sondern auch Heiden den Segen Gottes empfangen können. Das war Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Christentums zur Weltreligion. Ohne diese „Eingebung” gäbe es kein Christentum. Insofern ist dieses unscheinbare Haus in der Nähe des Leuchtturms von Jaffa ein wirklich „historischer Ort”. Die Vision, die im Humanismus und in der Aufklärung aufgehoben ist, dass nicht nur ein Volk das auserwählte ist, sondern alle Menschen gleich sind, wurde hier zum ersten Mal ausgesprochen. Vieles wird als „historischer Ort” bezeichnet. Leider gibt es dafür keine Steigerung, auch wenn sie hier angebracht wäre. 

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Tag 2: Caesarea - Haifa - Akko - Tiberias

Tag 2: Caesarea - Haifa - Akko - Tiberias

Am folgenden Tag führte uns die Reise zunächst nach Cäsarea. Es ist der Ort, der mit der Historie von Jaffa in einer besonderen Verbindung steht, denn hier lebte zu jener Zeit der römische Hauptmann Cornelius, der von den Botschaften des Jesus von Nazareth angetan war und sich sehnlichst wünschte, in den Kreis des auserwählten Volkes aufgenommen zu werden. Dies war nach jüdischem Brauch unmöglich, denn zum jüdischen Volk konnte nur gehören, wer eine jüdische Mutter hat. Der Bibel zufolge erschien Cornelius ein Engel und riet ihm, Soldaten nach Yoppe (Jaffa) zu entsenden um Petrus nach Cäsarea zu holen, damit dieser ihm verkünde, was Gott mitzuteilen hat. Und in Cäsarea angekommen verkündete Petrus: „Ich darf keinen Menschen für unrein halten und ihm darum die Gemeinschaft verweigern.” Und: "Jetzt erst habe ich richtig verstanden, dass Gott niemanden wegen seiner Herkunft bevorzugt oder benachteiligt. Alle Menschen sind ihm willkommen, ganz gleich, aus welchem Volk sie stammen...” Die Botschaft, die eigentlich nur gemeint sein kann, wenn wir von den jüdisch-christlichen Wurzeln unserer Kultur sprechen und die es wert sind, verteidigt zu werden gegen alle, die falschen Propheten folgen, die Zwietracht sähen, Hass predigen und die Gesellschaft spalten. Das kann ich auch als Atheist nachvollziehen.

Cäsarea war in der römischen Kaiserzeit eine der bedeutendsten Hafenstädte, nach Konstantinopel die zweitgrößte im östlichen Mittelmeer. Die archäologischen Ausgrabungen der Neuzeit legten große Teile des alten Cäsarea frei. Amphitheater und Leuchtturm aus der Römerzeit sind in ihrer einstigen Pracht ebenso zu erahnen, wie die letzte Blüte in der Kreuzritter-Ära mit der immer noch imposanten Ruine der gotischen Basilika.

Auch der Geschichte des Cornelius, der hier als erster Nichtjude durch Petrus getauft wurde, ist eine Fläche im heutigen Nationalpark Cäsarea gewidmet.

Haifa

Von Cäsarea weiter ging die Fahrt nach Haifa – für mich die Welthauptstadt der Toleranz. Obwohl es hier mit Juden, Muslimen, Christen, Drusen, Bahai und Ahmadiyya gleich sechs unterschiedliche ethnische bzw. religiöse Gruppen gibt, sind Auseinandersetzungen zwischen diesen selten. Vielleicht liegt es an der besonderen Rolle der Bahai. Die Bahai vertreten eine humanistische Ethik, die den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt über religiöse Unterschiede stellt. Das im 19. Jahrhundert entstandene Baihaitum betrachtet alle Religionen als gemeinsames kulturelles Erbe und religiöse Unterschiede als nur bedingt durch unterschiedliche historische Erfahrungen und regionale Prägungen. Haifa ist die einzige Stadt in Israel, in der dadurch auch das Judentum so tolerant ist, dass am Sabbat öffentliche Verkehrsmittel fahren. Ja, richtig, weil jegliche körperliche Anstrengung religiösen Juden am Sabbat streng verboten ist, darf an diesem Tag auch kein Jude ein Fahrzeug führen.

Der Baihai-Garten ist selbst im Winter eine Augenweide, eine Pracht, die sich kein Israelbesucher entgehen lassen sollte. Der Schönheit und Vollkommenheit der „Hängenden Gärten von Haifa“ kann sich niemand entziehen. Die korrekte Bezeichnung der Anlage ist Bahá'í World Centre. Es ist das administrative und geistige Zentrum der Glaubensrichtung. Neben dem „Schrein des Bab“, der Grabstätte eines der Religionsstifter, befinden sich weitere Schreine auf dem Gelände und weitere für die Bahai wichtige, aber auch architektonisch reizvolle Gebäude wie das Universale Haus der Gerechtigkeit, das „Parlament“ der Bahai.

Die im Stadtteil Kababir beheimateten Ahmadiyya leben eine aus Indien stammende neuzeitliche buddhistisch-islamische Mischreligion, die ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt. Die Ahmadiyya werden vor allem von anderen Muslimen als Abtrünnige angesehen und verfolgt. Sie leben nirgends so sicher wie im multireligiösen, toleranten Haifa (Israel).

Bei der 2. Leserreise widmeten wir uns etwas intensiver den deutschstämmigen "Templern" und dem Besuch derselben durch Kaiser Wilhelm II. Die "Tempelgemeinschaft" ist eine religiöse Sekte, deren Ansichten über die baldige Wiederkunft Gottes und der Errichtung eines Tausendjährigen Reiches von den großen Kirchen abgelehnt wird. Ziel der Templer war die Wiedererrichtung des (dritten) Tempels in Jerusalem, so wie es auch die Juden als Endzeit-Vorstellung haben, mit dem Unterschied, dass die Templer diese Vorstellung für alle Menschen haben, sofern sie christlich leben haben und nicht nur für ein "auserwähltes Volk".

Um einen Vorposten im Heiligen Land zu schaffen, gründeten sie 1868 (zum Zeitpunkt der 2. Leserreise war dies genau vor 150 Jahren) eine Siedlung in Haifa - damals noch ein unbedeutender Ort. Die Spuren dieser deutschen Siedlung sind noch heute sichtbar, insbesondere auf der prachtvollen Ben-Gurion-Straße, die in einer Achse mit dem Bahai-Garten liegt. 

Welches Verhältnis Kaiser Wilhelm zu dieser Glaubensrichtung hatte, ist nicht überliefert, doch an zahlreichen Beispielen ist belegt, dass er sich mühte, Protektor aller Auslands-Deutschen zu sein, unabhängig von deren Glauben. Da Deutschland nur wenige Kolonien hatte, suchte man so, den Nachteil zu kompensieren. Außerdem wollte der Kaiser die Hand der Freundschaft allen loyalen Osmanen reichen, gleichgültig welchen Glaubens und welcher Volkszugehörigkeit und machte dies auf der gesamten Reise immer wieder deutlich - nachzulesen in der Schrift "Kaiserbesuch 1898 - Besuch beim Sultan und Palästina-Reise". Haifa ist durch sein überwiegend friedliches Zusammenleben verschiedener Regionen in diesem Sinne ein Vorbild für die ganze Welt.

Bei der 2. Leserreise orientierten wir uns mehr in den Süden. Deshalb fuhren wir bei dieser nicht nach Acco weiter, was leider ein notwendiger Kompromiss war, sondern setzen die Fahrt über das Karmelgebirge in die Jezreel-Ebene fort (siehe 4. Tag der ersten Reise).

Akkon (Acco)

 

Unsere Reise ging weiter nach Akkon. Diese Stadt existiert auf zwei Ebenen, eine oberirdische und eine unterirdische. Die oberirdische teilen sich Juden und Moslems, die untere beheimatet die christliche Vergangenheit.

In der Neuzeit galt Acco als eine der friedlichsten Städte Israels mit harmonisch zusammen lebenden Juden und Moslems. Galt. Seit zwei charismatische Immame aus Gaza hier predigen, kippt zusehens die Stimmung. Es mag vielleicht albern klingen, die Stimmung an Kopftüchern festzumachen – aber das ist etwas, was schon in einem Abstand von zwei Jahren auffällt. Die Zahl der Frauen, die Kopftuch tragen, hat deutlich zugenommen.

Nichtsdestrotz essen wir wieder ein arabisches Mahl bei einem freundlichen arabischen Israeli an der Ecke Weizmann Straße – El Jazzar Straße. Es gibt lauter arabische Nationalspeisen:

Kefta – Hackfleischbällchen aus Schaf- und Rinderhack, Baba Ghanush – ein Sesam-Auberginen-Knoblauch-Dipp, Hummus (Kichererbspüree) und Falafel – dasselbe wie Hummus in Bällchenform und fritiert. Dazu Fladenbrot und jede Menge Rotes und Grünes aus dem orientalischen Garten.

Frisch gestärkt ging es durch den wunderschönen Garten Ha Metsuda auf der Rückseite der El-Jazzar-Moschee hinab in die unterirdische Ritterstadt...

Seit Akko 1948 zum israelischen Staat gehört, wurden Anstrengungen unternommen, die orientalischen Charakter der Altstadt zu wahren und die verschütteten Überreste der einstigen Ritterstadt ausgraben und zu restaurieren. Im Jahr 2001 wurde die Altstadt zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Die unterirdische Ritterstadt ist weltweit einzigartig.

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts war Akkon vom Königreich Jerusalem, dem Reich der Kreuzzügler, erobert worden. Akkon war von so großen Interesse, weil es die einzige Hafenstadt an der östlichen Mittelmeerküste war, die bei jedem Wetter angefahren werden konnte. Nachdem Jerusalem von Sultan Saladin erobert wurde und auch durch den dritten Kreuzung von Richard Löwenherz nicht zurückgewonnen werden konnte, wurde Akkon die Hauptstadt des Kreuzritter-Königreichs.

Unter anderem ließen sich hier auch die TEMPLER nieder, die bis zum Fall Jerusalems auf dem Tempelberg in der Basilika St. Maria, der heutige Al-Aqsa-Moschee, ihr Hauptquartier hatten. Die Templer errichteten ihre Burg auf der Westseite der Landzunge. Auf der Ostseite befindet sich noch heute der zugehörige Hafen. Zwischen Hafen und Burg schlugen sie in den Fels eine unterirdische Verbindung. Diese wurde im Jahr 1999 zurch reinen Zufall wieder entdeckt, als Handwerker eine verstopfte Abwasserleitung freilegen wollten, stießen sie auf ein Gewölbe, das sich als dieser unterirdische Gang entpuppte.

Ende des 12. Jahrhunderts wurde in Akkon außerdem der Deutsche Ritterorden gegründet - zunächst auch als Hospitaliterorden. Er sollte im Zuge der deutschen Ostexpansion eine große Rolle spielen und im späteren Ostpreußen den Ritterordensstaat gründen. In Akkon stiftete 1219 Franz von Assisi ein nach ihm benanntes Franziskanerkloster, das noch heute existiert. 1291 wurde die Stadt von den Mameluken erobert und zerstört. Erst 1749 wurde im wörtlichen Sinn auf den Trümmern der Ritterstadt die Festung Akkon errichtet, die fünfzig Jahre später vergeblich von Napoleon belagert wurde. Der Legende nach warf Napolen hier seinen Hut ins Meer und rief aus: „Wer Akkon erobert, erobert die Welt!“ Von ihm zurückgelassene Kanonen stehen auf dem Festungswall.

Aber viel bedeutender ist, dass beim Bau der neuen Festung große Teile der alten Ritterfestung einfach zugeschüttet wurden und so erhalten blieben. Heute ist die wieder ausgegrabene Festung mit zahlreichen Trakten zu bestaunen. Wir beginnen mit dem 1200 m² großen Innenhof, den Rittersälen – angefangen beim Nordsaal, der sich aus sechs einzelnen Gewölbehallen zusammensetzt, gehen weiter in den Kunstsaal, einen großen Saal der etwa genauso groß ist wie der Innenhof und der mit zahlreichen Kunstwerken bestückt ist. Mit einem Fresko und animierten Projektionen wird die „südliche Straße” wieder lebendig. In ihr herrschte einst reges Handelstreiben, auf ihr zogen die Ritter zum Kampf aus und auf ihr kamen Jerusalem-Pilger in die Stadt oder Kranke und Verwundete, die von den Hospitalitern Heilung erhofften.

Es gibt noch ein Reflektorium – den ritterlichen Speisesaal, einen Tunnel und ein türkisches Badehaus zu bestaunen. Ein Zuckersaal, eine große Lagerhalle, in der riesige Tonnen mit Zucker für den Seehandel gelagert wurden, bildete die Lebensgrundlage der Hospitaliter. Über die Krypta verlassen wir das Areal und gelangen in einen überdachten arabischen Basar.

Durch die arabisch geprägte obere Altstadt gelangen wir zur El-Jazzar-Moschee, die größte Moschee Israels außerhalb von Jerusalem. Ahmed El Jazzar (El Dschedzzar) ist ein ehemaliger Christ vom Balkan, der aufgrund eines Mordes nach Istanbul floh, als Sklave an einen Ägypter verkauft, der ihn zwangskonvertierte und als Auftragskiller arbeiten ließ. Er stieg zum Pascha von Kairo auf, kämpfte – zwar erfolglos – gegen die Russen unter der aus Zerbst stammenden Katharina der Großen und erhielt schließlich für seine Verdienste Akko. Zu diesen "Verdiensten" gehören Massaker gegen Christen und die brutale Unterdrückung anderer Minderheiten. „Cezzar” ist das türkische Wort für „Schlächter”. Wörtlich hieße El-Jazzar-Moschee also „Schlächter-Tempel”, weshalb die Moslems sie „Jama El Basha” nennen – Moschee des Pascha.

Den Rückweg sollte man wegen der Aussicht unbedingt entlang der westlichen Festungsmauer wählen, um durch durch das leider verschlossene Tor des Khan Al-Umdan zu spähen und die Alte Karawanserei (Khan) des EL Jazzar zu sehen – ein beeindruckendes Gebäude mit Wandelgängen, deren Bögen auf Granitsäulen stehen und in dem sich Lagerhallen und Herbergen befanden. Nicht zuletzt sollte man auch noch einen Blick auf den romantischen Hafen werfen.

Tiberias

 

Unser Tag endete in Tiberias. Aus etwa 200 Metern über dem Meeresspiegel am Ortseingang fuhren wir hinab bis auf 200 Meter UNTER dem Meeresspiegel. Die Stadt am Westufer des Sees Genezareth wurde zu Jesus' Zeiten von Herodes Antipas erbaut und nach dem römischen Kaiser Tiberius benannt, der wiederum seinem Namen vom Tiber hat. So kam der Name aus Rom ins Morgenland.

Vermutlich hat Jesus selbst die neu erbaute Stadt nie betreten, weil mit ihr ein jüdischer Friedhof überbaut wurde, sie damit als unrein galt und von Juden gemieden wurde.

Am Abend waren wir beim Libanesen in der Strandpromenade eingeladen. Unser Weg führte uns über die HaGalil-Straße, eine wunderschöne Geschäftsstraße mit Arkaden zur Ausgrabungsstätte des Amphitheaters aus der Römerzeit. Seine Entdeckung 1990 war eine Sensation. 19 Jahre dauerte seine Freilegung. Einst muss es sehr bedeutende gewesen sein, denn es bot Platz für 7000 Besucher. Obwohl die Juden den Ort zu Jesus Zeiten mieden änderte sich das wenige Jahrzehnte später. Als Jerusalem von den Römern zerstört wurde, wurde Tiberias das kulturelle und geistige Zentrum der Juden. Dass diese ein römisches Amphitheater übernahmen und ausbauten zeigt an, dass die Bevölkerung damals gegenüber der römischen Kultur liberal war und in die eigene Lebensweise integrierte. Das hatte man so nicht erwartet.

Unser Abend endete im Restaurant Ktse HaNachal beim Libanesen, der zur Minderheit der Drusen gehört, bei gutem Hauswein und gutem Essen – ob Lammfleischspieß oder Fisch, Steak oder Hummus – so kamen wir der einheimischen Küche wieder ein Stück näher.

In Tiberias blieben wir drei Nächte. Wir übernachteten im Hotel Dona Gracia. Es gibt schöne, moderne Hotels in Tiberias – aber dieses Haus ist doch etwas ganz besonderes. Es ist nicht nur Hotel, sondern auch ein Museum. Es führt den Besucher in die sephardische Welt des 16. Jahrhunderts. Sepharden sind die Juden Spaniens, deren Sprache Ladino heißt oder „Juden-Spanisch“. So wie die Juden im deutschsprachigen Raum einen mittelhochdeutschen „Dialekt“ - das Jiddisch entwickelten, entwickelten sie im lateinischen Sprachraum „Ladino“ - einen lateinischen Dialekt.

Im 16. Jahrhundert lebte Gracia Nasi, eben jene Dona Gracia, eine bedeutendste Frauen der Renaissance. In einer Zeit, da das Judentum unterdrückt und nur heimlich praktiziert wurde, heiratete sie mit 18 Jahren christlich und heimlich nach jüdischem Ritus einen Bankier und nach dessen frühem Tod dessen Bankhaus, das sie mit Erfolg und Geschick weiterführte. Zu dem Geschick gehörte, dass sie als Jüdin durch Venedig einen Freibrief bekam, der jedoch nach einigen Jahren aufgehoben wurde.

Als Mäzenin gab sie 1553, 19 Jahre nach Luthers deutscher Bibelübersetzung, die erste Übersetzung der Bibel ins Spanische heraus. Von dieser Übersetzung wurden zwei Ausgaben gedruckt: eine für Christen, die andere für Juden. Eine Blasphemie. Noch im selben Jahr floh sie nach Konstantinopel, wo sie 1569 starb. Im Osmanischen Reich konnte sie, im Gegensatz zu Europa, ihren jüdischen Glauben ohne Verfolgung leben, ihren Geschäften weiter nachgehen und damit die Grundlage schaffen, von der Inquisition verfolgte jüdische Glaubensbrüder und -schwestern aus Europa im Osmanischen Reich in Sicherheit zu bringen. In Tiberias erwarb sie ein Anwesen, um Flüchtlinge dort unterzubringen – das heutige Hotel, das im „maurischen Stil“, dem Baustil ihrer portugiesischen Heimat, erbaut wurde.

 

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Tag 3: Kapernaum_Tell Dan_Golan

Tag 3: Kapernaum_Tell Dan_Golan

Am Berg der Bergpredigt

Am folgenden Morgen brachen wir in Richtung Golanhöhen auf. Schon beim Verlassen von Tiberias konnten wir am Horizont den schneebedeckten Berg Hermon (2800 m üNN) entdecken, den Israel nach dem Sechstagekrieg besetzte, der sich im Juni zum 50. Mal jährt. Der Berg ist strategisch bedeutsam, weil die syrische Hauptstadt Damaskus von hier in Sichtweite liegt. Zuvor hatte Syrien von dort strategischen Zugriff auf die (Jor)Dan-Quellen, die einzigen Süßwasserreserven Israels. Unser erstes Ziel jedoch war Kafarnaum, zu deutsch „Dorf des Naum“. Das Wort „Kaff“ für ein armseliges Dorf hat in „Kafar“ seine hebräischen Wurzeln und ist über das Jiddische in die deutsche Sprache gekommen. Hier geht es konkret um ein altes Fischerdorf, in das sich der Überlieferung nach Jesus zurückgezogen haben soll. Nachdem er von der Gefangennahme Johannes des Teufers erfahren hatte, wurde es ihm in seiner Heimatstadt Nazareth zu „heiß“. Er fand Unterschlupf beim Fischer Simon (Petrus) und gewann auch dessen Bruder Andreas sowie die Fischer Jacobus, Johannes (Sohn des Zebedäus) und Matthäus für seine revolutionäre Lehre, als er in der hiesigen Synagoge predigte. Diese wurde im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Große Teile des Geländes wurden von den Franziskanern erworben.

Eine als Haus des Petrus identifizierte Grabungsstelle wurde 1980 mit der auf Stelzen stehenden Petruskirche überbaut, die wie ein UfO wirkt. Bereits 1931 wurde östlich neben dem Gelände der Franziskaner eine kleine, vor allem im Inneren sehr sehenswerte griechisch-orthodoxe Apostelkirche errichtet. In nordwestlicher Richtung sieht man den Berg der Verkündigung, der seinen Namen von da her hat, dass hier diese neue, die christliche Glaubenslehre verkündet wurde. Hier fand jene Glaubensrevolution statt, die aus der jüdischen Stammesreligion eine Weltreligion für alle Menschen machte, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Rasse und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Ein bedeutender, für Christen spiritueller Ort. Von hier stammt der Überlieferung zufolge das Vaterunser, das Gebet der Christen, als Teil der Glaubensverkündigung, die unter dem Namen „Bergpredigt“ in die Geschichte eingegangen ist. Die Bergpredigt interpretiert die 10 Gebote des Alten Testaments und lässt sie in einem neuen Licht erscheinen – schon zur Überraschung derer, die sie damals hörten. Im Neuen Testament heißt es dazu: „Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten.“ (Matthäus 7, 28f) Was hatte er hier Ungeheueres gesagt? „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, die bis dato unbestrittene Regel der Vergeltung, ersetzte er durch den aufregenden Satz: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.“ In Anbetracht steigender Kriminalität, in Anbetracht fordernder, zudringlicher Bettler, im Angesicht grausam tötender Feinde erscheinen solche Worte bestürzend naiv – und doch sind sie aufregend, weil sie die nötige Kraft entwickeln, emphatisch zu sein, sich in den anderen hineinzuversetzten. Es sind Sätze, die in ihrer Konsequenz zum Humanismus der Renaissance und in die Epoche der Aufklärung führten, die essenziell sind für das, was heute in der Carta der Menschenrechte festgeschrieben ist und worauf unser Recht und Gesetz fußt. Es sind Worte, die aber auch unsere Verletzlichkeit begründen, solange sie nicht Gemeingut sind. Wer denen, die diese Regeln nicht gelten lassen wollen, die Grenzen nicht zeigt, der erwartet zu viel. Der keinen Widerstand leistet, der wird ausgeplündert, geschändet, umgebracht.

Der Bergprediger geht aber noch weiter. Er sagt nicht: Liebe Deinen Nächsten, sondern er sagt: liebe Deine Feinde und bete für Sie! Auch hier geht es darum, emphatisch zu sein, sich in den anderen hineinzuversetzen. Welch großartige Wirkung hatte der Heilige Abend 1917, als sich die Soldaten in den Schützengräben mit ihren Feinden verbrüderten! Denn der Kern dieser Botschaft ist, dass alle Menschen gleich sind, denn Sonne geht auf über den Guten und den Bösen und es regnet auf den gerechten und den Ungerechten. Kein Volk, keine Rasse, keine Kaste ist etwas Besseres als andere. Von hier, von diesem Platz im Morgenland stammen die Ideale, die wir als unser abendländisches, humanistisches Erbe ansehen – und die heute so gefährdet sind durch Mitmenschen, die nicht bereit sind, diesen Humanismus zu teilen. Der Spiritualität des Berges macht sich auch der bei dem Dorf Vered Hagalil gelegene Domus Galilaeae zu Nutze. Das ist ein im Jahr 2000 im Auftrag von Papst Johannes Paul II. erbautes Seminar, das ein architektonisches Meisterwerk ist, was man schon von außen durch zahlreiche Sichtbeziehungen zum See Genezareth und zum Berg der Verkündigung wahrnimmt.

Ein polnischer Student übernimmt spontan die Führung unserer Gruppe. Er spricht englisch und Susanne Förster übersetzt. Im Inneren ist das Bauwerk reich an Symbolik. In der Kapelle ist ein Gemälde des Gründers Kiko Argüello zu sehen, in dem östliche und westliche christliche Symbole miteinander kombiniert wurden, die zugleich den jüdischen Wurzeln der Kirche ihre Referenz erweisen. Der Fundus der Bibliothek hat sich auf Bücher über die Bergpredigt spezialisiert, an diesem Ort verständlich, aber doch eine Besonderheit, genauso wie die jüdische Torah-Rolle, der Ursprung des Alten Testaments. Sie befindet sich exakt in der Mitte der Bibliothek. Die Fenster sind so angeordnet, dass die Torah-Rolle ebenfalls in der Sichtachse zwischen See Genezareth und dem heiligen Berg steht. An den einjährigen Bauarbeiten waren ungefähr 150 vollzeitliche Mitarbeiter unterschiedlicher Glaubensrichtungen und unterschiedlicher Herkunft beteiligt. Vor allem Christen, Moslems und Drusen aus Israel und Palästina. Domus Galilaeae ist offen für jedermann und ein Beispiel, wie Zusammenleben möglich ist, wenn nicht Fanatiker ihren Glauben oder ihre Ideologie über die der anderen stellen.

 

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Tag 4: See Genezareth, Tabor, Jezreel-Ebene (Armageddon) und Tiberias

Tag 4: See Genezareth, Tabor, Jezreel-Ebene (Armageddon) und Tiberias

Heute waren wir nur "halbtags" unterwegs, wegen des beginnenden Sabbat. Freitag ist hier wie bei uns Sonnabend. Es hier  offiziell ein Werktag, aber viele haben schon den ganzen Tag frei. Sie nutzen die Zeit für's Shoppen oder für die Gestaltung der Freizeit. Bei der erstebereisten den Berg Tabor. Aus religiöser Sicht ist er der Berg der Verheißung, aus touristischer einer mit Rundumblick vom Jordantal über die Jesreel-Ebene mit Armageddon, das Carmel-Gebirge bis hinüber nach Nazareth.

 

Zurück in Tiberias dann ein kurzer Abstecher in die Synagoge "Grab des Maimonides".

Anlegestelle - mit einem solchen Boot geht es auf den See Genezareth, auch Galiläisches Meer genannt.

Uns zuehren wurde die deutsche Flagge aufgezogen und die Nationalhymne gespielt

Hier wird von Fischern der Petrusfisch gefangen und die Kinneret-Sardine

Der Petrusfisch ist ein Buntbarsch

Blick auf den Berg Tabor, den Berg der Verklärung. Den Weg hinauf gingen Jesus, Paulus, Johannes und Jacobus zu Fuß. Die Letzgenannten müssen oben ziemlich fertig gewesen sein, den Jesus erschien ihnen in einem besonderen Licht. (Matthäus 17, Markus 9, Lukas 9).

Nach dem Berg wurden zahlreiche Wehranlagen des Mittelalters Tabor genannt, oft Standorte von Wehrkirchen. So 1421 zur Zeit der Hussitenkriege in Böhmen die Stadt Tábor als „Ansiedlung der Verklärten“.

1631 ließen sich die Franziskaner auf dem Berg nieder. Ihre in der Zeit von 1921 bis 1924 gebaute Kirche (Verklärungsbasilika) ist bis heute der markante Punkt auf der östlichen Seite des Bergplateaus

Detail des Altars. Pfaue scheinen eine besondere Bedeutung zu haben, denn die haben wir auch schon in der orthodoxen Kirche gesehen.

Blick von Tabor auf Megiddo in der Jezreelebene, bekannter unter dem Namen Armageddon, des Ortes der biblischen Entscheidungsschlacht.

12:00 Uhr Ortszeit steht die Sonne genau über der Uhr. Nach der angezeigten Zonenzeit Jerusalemer Zeit - Israel Standard Time) weicht nur um 10 Minuten ab.

Diese unscheinbare Landmarke sind die Hörner von Hittim - berühmt vor allem wegen einer entscheidenden Schlacht der Kreuzfahrerzeit: Nach der Schlacht verloren die Kreuzfahrer 1187 weite Teile ihres „Königreiches Jerusalem“ und Jerusalem selbst. Nur Akko blieb ihnen.

Das Grab des Maimonides ist eine der wichtigsten jüdischen Pilgerstätten

Maimonides war ein bedeutender jüdischer Gelehrter, weshalb es hier auch zahlreiche Bücher gibt, in die jeder einen Blick werfen kann. 

 

 

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Tag 5: Yardenit - Beit Shehan - West Bank - Totes Meer

Tag 5: Yardenit - Beit Shehan - West Bank - Totes Meer

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Tag 6: Ein Gedi - Negev - Massada - Sodom

Tag 6: Ein Gedi - Negev - Massada - Sodom

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Tag 7: Jerusalem - Tempelberg - Via Dolorosa - Klagemauer

Tag 7: Jerusalem - Tempelberg - Via Dolorosa - Klagemauer

Der siebente Tag unserer Reise führte uns nach Jerusalem. In Jerusalem kulminiert alles an Reizen, an Geschichte, Religion und Kultur, Widersprüchen und Konflikten, die Israel und Palästina zu bieten haben. Mehr noch. Wenn man sich die Welt als optische Linse vorstellt, ist hier der Brennpunkt. Wenn Sie nur drei Tage Zeit für Israel haben, sollten Sie zwei davon in Jerusalem verbringen.

Der Tempelberg

Heute müssen wir schon besonders zeitig los, denn wir haben die seltene Chance, auf den Tempelberg zu kommen – wenn wir zeitig genug da sind. Die Zahl der Touristen, die auf den Tempelberg gelassen werden, ist stark begrenzt, da es eine religiöse Stätte der Muslime ist, die die so genannte Waqf- Behörde verwaltet, die ihren Sitz im palästinensischen Ramallah hat. Schon dieser Fakt ist unglaublich kompliziert. Der Tempelberg ist nach eigenen Aussagen das drittwichtigste islamische Heiligtum der Moslems – nach Mekka und Medina. Aber es ist auch das wichtigste jüdische Heiligtum. Nach dem Waffenstillstand von 1948 war Juden der Zugang zum Tempelberg versperrt. Erst als die Israelis im Sechstagekrieg von 1967 das zuvor von Jordanien besetzte Westjordanland (West Bank) und Ostjerusalem ihrerseits besetzten, erhielten sie wieder Zugriff auf den Tempelberg. Aus jüdisch-religiöser Sicht muss das Ziel der Juden sein, auf dem Berg den „Dritten Tempel“ zu errichten. Obwohl sie 1967 die Möglichkeit dazu gehabt hätten, „begnügten“ sie sich mit der Westmauer am Tempelberg, der so genannten Klagemauer, und überließen den Tempelberg weiterhin den Moslems. Der Zugang zum Tempelberg ist den Moslems über elf Tore an der Nord- und Westseite der Anlage möglich. Alle Tore werden von israelischen Polizisten und der Waqf bewacht.

Nichtmuslimen ist der Zutritt nur über das Marokkanertor gestattet, zu dem eine Holzbrücke nahe der Klagemauer führt. Es geht durch eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Und das auch nur außerhalb der Gebetszeiten von Samstag bis Donnerstag. Das Betreten der Gebäude hat die Waqf für Nichtmuslime verboten. Verboten ist außerdem das Mitbringen von Symbolen und das Abhalten von Gebeten anderer Religionen. Wir haben das selbst erlebt. Als ein aufdringlicher Postkartenverkäufer, der den Vortrag unseres Reiseleiters störte, nicht zum Zuge kam, zeigte er diesen beim Waqf-Wachmann an, weil er zur Erklärung auf den Boden eine Übersichtskarte der Jerusalemer Altstadt liegen hatte, auf der die einzelnen Stadtviertel (das arabische, das jüdische und das christliche) mit den jeweiligen Religionszeichen markiert waren. Er wurde aufgefordert, die Mappe zu schließen. Bei geschlossener Mappe war dann nur noch der stilisierte Petrusfisch zu sehen, den Maik Förster als Marke für sein Reiseunternehmen führt – nur der Wachmann wusste offensichtlich nicht, dass das ein christliches Symbol ist. Für Christen war der Tempelberg übrigens auch ein heiliger Ort. Von der christlichen Belagerung von Jerusalem 1099 bis zu ihrer Niederlage in der Schlacht bei Hattin 88 Jahre später war der Tempelberg im Besitz der Kreuzfahrer, die den Felsendom „Templum Domini“ nannten und in der Al-Aqsa-Moschee den Hauptsitz des Templerordens einrichteten. Die heutige Gestalt bekam die Moschee durch Saladin unmittelbar nach der Rückeroberung. Eine Bedeutung für die Christen hat der Berg heute nicht mehr, da der Templerorden 1312 in einem Schauprozess aufsehenerregend aufgelöst wurde. 2006 und 2012 hatte sich der Vatikan ausdrücklich nochmals von den Templern distanziert. Noch strenger geht es für Juden zu. Um provokante Aktionen jüdischer Gruppen zu verhindern, die gegen die muslimische Besatzung ihres Heiligtums protestieren, werden Juden nur in kleinen Gruppen und unter Bewachung über den Platz geführt. 

Wir durften auch dieses „Schauspiel“ mit erleben – und wie die Moslems darauf reagierten. In mittelgroßen Gruppen saßen an verschiedenen „Ecken“ des Tempelberges Gruppen von Muslimen, diskutierend oder vertieft in das Studium ihrer heiligen Schriften. Zwischen Felsendom und Al Aqsa Moschee, beide übrigens nach der islamischen Eroberung Jerusalems im 7. Jahrhundert errichtet, ging es an diesem Montagmorgen entspannt und friedlich zu. Dann plötzlich Unruhe an allen Enden des Platzes. Wie nach einem unhörbaren Kommando sprangen die Studierenden von ihren Plätzen auf uns riefen ihr „Allahu akbar!“ - „Allah ist am größten!” Wir schauten uns um und sahen, wie Polizisten in römischer Schildkrötenformation eine Gruppe orthodoxer Juden beschützend über den Platz führten, die an Kleidung und Haartracht als solche erkennbar waren. So sehen in Jerusalem Kompromisse aus. Sie durften unter Polizeischutz gegen die muslimische Besatzung des Tempelberges protestieren, die Muslime durften sich gegen die „Schändung“ ihres Heiligtums durch den Auftritt der Juden lautstark Luft verschafften. Alles blieb so weit friedlich.

--> Bildergalerie 7. Tag - Jerusalem Teil 1: der Tempelberg

Via Dolorosa – der Leidensweg

Wir konnten den Felsendom zwar nur am Marrokanertor betreten, aber an jedem anderen Tor verlassen. Wir wählten das Stammestor in der nordöstlichen Ecke des Tempelberges. Es führt weiter zum Löwentor, über das wir zu unserem nächsten Ziel gelangten. Das Ziel ist diesmal der Weg, und zwar der Leidensweg Christi, hier unter der lateinischen Bezeichnung „Via Dolorosa“ geführt. Ein Teil dieses über 14 Stationen führenden Prozessionsweges trägt auch den Straßennamen Via Dolorosa Street. Jährlich am Karfreitag erlangt dieser Weg eine besondere Bedeutung und hat hier besonders viele Besucher, ist doch die Bedeutung dieses „Feiertages“ nicht wirklich eine Feier, sondern für die Christenheit die Erinnerung an die Verurteilung und Kreuzigung des Gottessohnes. Hier vor Ort wird aber an jedem Nachmittag durch die Franziskaner durch Begehung des „Kreuzweges“ dieses Ereignisses gedacht. Wir sind schon in der Mittagszeit hier, was den Vorteil hat, dass das Gedränge nicht ganz so groß ist. Unvorstellbar, dass dieser Prozessionszug durch das arabische (palästinensische) Viertel und mitten hindurch durch den Basar führt, und vor allem: dass das an mehr als 99 von 100 Tagen problemlos funktioniert.

Die Via Dolorosa wurde schon zur Kreuzfahrerzeit vor fast 1000 Jahren angelegt. Sie beginnt am – nur behaupteten – Amtssitz des römischen Statthalters Pilatus, der Antoniafestung, und endet an der Grabeskirche, auf dem Berg Golgotha („Schädelberg“), an jenem Ort, an dem Jesus gekreuzigt, vom Kreuz genommen, gesalbt und ins Grab gelegt wurde und wo er am Ostersonntag nach christlicher Überlieferung auferstanden ist. Schon siebenhundert Jahre vor den Kreuzrittern, als das Christentum nicht mehr verboten war und sogar römische Staatsreligion wurde, kamen die ersten Christen zurück nach Jerusalem. Aber selbst da hatte es sich schon dreihundert Jahre weiterentwickelt. Es gab zwar die Apostelgeschichten, aber die Christen fragten sich schon damals: wo wird das gewesen sein, wo Jesus verurteilt wurde? Wo war die Stelle, wo man ihm die Dornenkrone aufsetzte, wo musste er das Kreuz schultern? Wo war er seiner Mutter begegnet? Wo sprach er zu den Jerusalemer Frauen? Wo stürzte er mit dem Kreuz? Wo wurde ihm geholfen, das Kreuz zu tragen? Wo wurde ihm das für Katholiken so bedeutsame Schweißtuch, die spätere Reliquie, gereicht? Wo wurde er ans Kreuz genagelt? Wo wurde das Kreuz schließlich aufgerichtet? Wo wurde er ins Grab gelegt und ist auferstanden?

Der Ort, an dem der Leidensweg beginnt, ist heute eine muslimische Mädchenschule. Hier war wahrscheinlich nicht der Ort, an dem Jesus verurteilt wurde, aber hier, an der ehemaligen Antoniafestung, halten wir inne und erinnern uns an Pilatus‘ Worte: „Meiner Meinung nach ist dieser Mann unschuldig,“ schlussfolgerte der römische Statthalter nach dem Gespräch mit Jesus, der bestritt, sich als König der Juden bezeichnet zu haben, sondern dass sein Königreich nicht von dieser Welt sei. Mag sein, dass Pilatus seinen Gegenüber für ein wenig schrullig und überdreht hielt. Aber er war längst kein Unbekannter mehr und hatte in Stadt und Land mit seinen Reden für viel Aufsehen – wir würden heute sagen „Unruhe“ gesorgt. Aber er sah den friedlichen Mann nicht als Bedrohung für das römische Reich an. Im Sinne von „divide et impera!“ sollten sich die Juden doch untereinander streiten. „Wenn ihr wollt, lasse ich ihn frei,“ sagte er zu den Juden, die Jesus vor Gericht schleppen ließen.

Was folgte, darüber gibt die zweite Kreuzweg-Station Auskunft. Dies sind die beiden Franziskaner- Kapellen der Verurteilung und der Geißelung. Denn die Juden bestanden darauf, dass Jesus gekreuzigt werden sollte. Die Verurteilungskapelle erinnert daran, dass Pilatus dem schließlich statt gab. Und die unmittelbar nebenan befindliche Geißelungskapelle erinnerte daran, wie die Menge Jesus verhöhnte, indem sie ihn mit königlichen Insignien ausstattete – einen Purpurmantel und eine Krone, die aus Rosen geflochten war – die Dornenkrone aufsetzte, um ihn schließlich noch mit dem Kreuz zu beladen. So will es die Überlieferung, obwohl wahrscheinlicher ist, dass er nur den Querbalken trug, denn der Hinrichtungspfahl war an der Kreuzigungsstätte schon fest in den Boden eingelassen. Vor allem streng gläubige Katholiken, vor allem aus Polen, Bayern, Südeuropa und den USA, nehmen aber trotzdem gern das ganze Kreuz auf sich, um derart beladen den Leidensweg nachzuvollziehen. Wie anderswo ein Fahrradverleih gibt es hier auch einen Kreuzverleih. Und statt Fahrräder gibt es Modelle in allen Größen- und Gewichtsklassen. Das schwerste wiegt 50 kg, das leichteste 5kg. Sie werden am Abend an und in der Grabeskirche vom Verleiher und seinen Helfern wieder eingesammelt. Der Verleiher heißt Mazin Kanaan und das Spannende an ihm ist: er ist Moslem, Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft.

Die Via Dolorosa Street mündet schließlich in eine belebte, mittelalterlich anmutende arabische Geschäftsstraße ein. Direkt an der Ecke befinden sich die dritte und vierte Station. Die dritte Station ist die polnische Kapelle, die an die Stelle erinnert, an der Jesus zum ersten Mal mit dem Kreuz zu Boden fiel. Über dem Eingang der Kapelle ist ein dreidimensionales Kunstwerk, ein Graffiti mit einer davor platzierten Plastik, geschaffen von Thaddeus Zielinsky, das diese Situation zeigt. Direkt nebenan befindet sich die vierte Station, die armenisch-katholische Kapelle mit einem Relief über dem Eingang, das die Begegnung Jesu mit seiner Mutter zeigt.

An der Station V biegt der Weg von der einen Geschäftsstraße ab in eine schmalere, die hier wieder Via Dolorosa Street heißt. Direkt an der Ecke befindet sich die fünfte Station, die daran erinnert, dass die Soldaten einem Mann namens Simon, der gerade vom Feld kam, das Kreuz aufluden, damit er es hinter Jesus hertrage. An der Station VI befindet sich die Kapelle der kleinen Schwestern Jesu an der Stelle, wo das Haus der Veronika gestanden haben soll. Der Überlieferung nach reichte sie ihm ein Schweißtuch, damit er sich Schweiß und Blut vom Gesicht wische. Doch zeichnete sich auf dem Tuch im Nachhinein sein Gesicht ab und es machte Veronika zu einer Wunderheilerin. Das Schweißtuch der Veronika gilt als kostbarste Reliquie der Christenheit und befindet sich heute in einem gewaltigen Tresor im Veronikapfeiler des Petersdoms in Rom, der 1506 eigens dafür über dem Grundstein der Kirche errichtet wurde. Eine ähnliche spirituelle Bedeutung kommt dem Grabtuch von Turin und dem Großen Zittauer Fastentuch zu. An der Station VII befand sich zu jener Zeit das westliche Stadttor und als Jesus durch dieses hindurchtrat und am Tor einen Anschlag erblickte, der seine Hinrichtung ankündigte, brach er ein zweites Mal zusammen. Daran erinnert heute die hier befindliche Franziskanerkapelle. Nicht viel zu sehen ist an Station VIII: Ein Markierungskreuz in der Wand des griechischen Klosters an der Rückseite der Grabeskirche in der El-Khanqa-Straße erinnert an die Stelle, die in Lukas 23 wie folgt beschrieben wird: „Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!“ Einige Schritte weiter erblicken wir bereits die Kuppel der Grabeskirche. Station IX am Koptischen Patriarchat soll daran erinnern, dass Jesus hier den Berg Golgota erblickte und im Angesicht der Hinrichtungsstätte zum dritten Mal zusammenbrach.

Die nächsten fünf Stationen befinden sich bereits innerhalb der Grabeskirche. Zunächst erreichen wir Station X, die „Kapelle der Entblößung“, über die geschrieben steht, dass hier Jesus seiner Kleider beraubt wurde. Die Station XI ist die wichtigste Erinnerungsstätte für lateinische Christen. Die Römisch-katholische Kapelle steht neben der Kreuzigungsstelle, an der Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Station XII ist ein griechisch-orthodoxen Altar, exakt an der Stelle, an der Archäologen das Fundament eines Kreuzes fanden. Ob auch das Kreuz Jesu hier stand, ist zwar nicht gewiss, aber auch nicht unwahrscheinlich. Das Fundament ist unmittelbar unter dem Altar und nicht wenige Pilger scheuen keine Anstrengung, unter den Altar zu kriechen und die Stelle in Augenschein zu nehmen. Der Altar selbst, mit einer hölzernen Statue, erinnert an folgende Szenerie: Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. Sie mussten seinen Todeskampf mit ansehen, während andere ihn verhöhnten. Wenn er doch Wunder vollbringen könne, warum hilft er sich dann nicht selbst? Jesus selbst soll ausgerufen haben: „Mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“ Bei Johannes heißt es: „Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund. Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.“ Die XIII. Station ist der Stein der Salbung. Ihm wird eine spirituelle Wirkung nachgesagt. Vor allem orthodoxe Christen sind überzeugt, dass ein Gegenstand, der mit diesem Stein in Berührung kommt, heilende Kräfte in sich aufnimmt. Der Legende nach ist dies der Ort, an dem Jesus nach der Kreuznahme hingelegt und gesalbt wurde. Joseph von Arimathea, ein Mitglied des hohen Rates, der die Tötung des Jesus von Nazareth beschlossen hatte, der aber heimlich ein Jünger Jesu war, ging zu Pilatus und bat ihn um den Leichnam. Da das Pesachfest bevorstand, das jüdische Osterfest, sollte kein Toter am Kreuz hängen. Der Statthalter gewährte ihm die Bitte. Joseph nahm Jesus vom Kreuz und salbte ihn, um den Leichnam vor der Verwesung zu bewahren und hüllte ihn in ein Leinentuch. Das Grabtuch von Turin soll dieses sein. „Dann legte er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen. Er wälzte einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und ging weg,“ heißt es ihm Matthäus-Evangelium – und zwar nur dort. Alle anderen Evangelien machen keine genauen Angaben zu dem Grab. Und das ist auch gut so, denn die XIV. und letzte Station ist das Grab Jesu und der Ort seiner Auferstehung an dem Tag, den wir heute Ostersonntag nennen.

Im archäologischen Sinn ist es ein mehr oder weniger beliebiger Ort, der sich eignet, auch von großen Menschenmassen begangen zu werden, während das Grab des Joseph von Arimathäa mit dem davor gerollten Stein ein eher kleines Grab ist, das in einer Grotte am Rande der Basilika liegt und schwer zu finden ist. Aus Sicht unseres Reiseführers Maik Förster ist die Wahrscheinlichkeit aber groß, dass es sich genau bei diesem wirklich um das Grab Jesu handelt. Er hat deshalb im Bibelgarten Oberlichtenau genau dieses Grab nachgebildet und wenn die Görlitzer kommen und sagen, dass sich in Görlitz die einzige originalgetreue Nachbildung des Jesusgrabes befindet, pflegt er zu widersprechen und nutzt die Gelegenheit, die Bibelgartenbesucher zu einer Reise nach Jerusalem einzuladen.

Wenn man im Innenhof der Grabes- und Auferstehungskirche steht und zum Portal zurückschaut, fällt darüber eine „unordentliche” Holzleiter auf. Anhand dieser Leiter erfahren wir, dass es hier, and er heiligsten Stätte der Christenheit keineswegs immer friedlich zugeht. Es ist der wahrscheinlich einzige Ort auf der Welt, an dem Nichtchristen darüber befinden mussten, wer an diesem Ort welche Fliesen schrubben darf.

Die heilige Stätte teilen sich griechisch-orthodoxe, römisch-katholische, armenisch-apostolische äthiopisch-orthodoxe, syrisch-orthodoxe und koptische Christen aus Ägypten. Dabei ist jeder heilige Winkel heftig umstritten. Die Äthiopier zum Beispiel leben auf dem Dach der Kirche, aber auch die Kopten beanspruchen es. Der osmanische Sultan ließ 1852 einen Status quo festschreiben, der bis heute gilt. Geregelt werden musste, wer hier wann beten darf, wer wann durch welche Teile der Kirche prozessieren darf und was man hier vor allem alles nicht darf. Aufgrund der fortlaufenden Streitereien der frommen Mönche, die schon mal handgreiflich werden und im Krankenhaus enden, sind Teile des Gebäudes inzwischen einsturzgefährdet und obwohl die israelische Regierung angeboten hat, für die Reparatur des Gebäudes sämtliche Kosten zu übernehmen, einigen sich die Christen nicht über Ausweichplätze, Umleitungen und dergleichen. Besonderer Ausdruck dieser bigotten Unvernunft ist eben jene Leiter über dem Portal, die dort seit mehr als 150 Jahren Wind und Wetter – und vor allem den Christen trotzt. Da sich die Christen nicht einigen können, wer die Leiter entfernen darf, wird sie wohl dort stehen bleiben bis in alle Ewigkeit – obwohl ich mit Maik Förster schon einen perfiden Plan ausgeheckt habe. Aber der wird hier aus leiterbeseitigungstaktischen Gründen nicht verraten. Noch ein lustiges Detail: wegen des Status Quo von 1852, der keine Sommerzeit kennt, sind die Uhren dieses Allerheiligsten im Sommer eine Stunde hinterher.

Die Erlöserkirche

Wenn man nun das Areal der Kirche an der Südseite verlässt, „fällt” man förmlich auf eine im Gegensatz zur Via Dolorosa ungewöhnlich breite Straße. Es ist die ehemalige Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Straße. Dass sie einst diesen Namen trug hängt zusammen mit der Erlöserkirche. O nein, nicht noch eine Kirche? Doch. Muss sein, erst recht, wenn man aus einem protestantisch geprägten Umfeld kommt. Aber nicht nur deshalb, denn sie hält einige Überraschungen bereit. Die im Vergleich zur Grabeskirche geradezu „neuwertig” wirkende Erlöserkirche gibt es vielleicht nur, weil 1852 endgültig entschieden war, dass den Protestanten im benachbarten Heiligtum kein Platz zusteht. Am Reformationstag 1898 wurde sie durch Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Victoria eingeweiht Der Kaiser und die Kaiserin haben sich auf ihrer Palästinareise an vielen Städten verewigt. Diese Kirche ist aber bis heute eines der bedeutendsten deutschen Kulturgüter im Ausland überhaupt. Sie wurde auf den Grundmauern einer Kreuzfahrerkirche und eines Hospizes errichtet. Bei den Bauarbeiten konnte man einige Bauteile der alten Kirche bergen Für die neuen Fundamente wurden 11 Meter tiefe Gräben ausgehoben. Dabei stieß man auch auf eine Mauer, die der Beweis zu sein schien, dass das Gelände, auf dem die Grabeskirche heute steht, tatsächlich damals vor der Stadtmauer lag. Nach der israelischen Besetzung Ostjerusalems, wozu die Altstadt gehört, wurden archäologische Ausgrabungen unter der Erlöserkirche möglich. Das Ergebnis war unter anderem, dass sich dort zur Zeit Jesu nicht die Stadtmauer befand, aber eine Stützmauer für einen alten Steinbruch. Für die Schichten, die der Zeit Jesu zuzuordnen sind, wurde eine Gartennutzung festgestellt. Beides sind Nutzungen, die vor der Stadtmauer anzunehmen sind und damit dennoch die Theorie stützen, Golgota tatsächlich befunden haben, wo heute die Grabeskirche steht. 2012 wurde der archäologische Park „Durch die Zeiten“ eröffnet, der die Ergebnisse der Ausgrabungen unter dem Kirchenschiff - die mehr als 2.000 Jahre alte die Geschichte der Stadt Jerusalems mit hohem Anschauungswert nacherlebbar macht. Aus der Tiefe der Grabung kann man dann über eine schwindelerregende Wendeltreppe den Kirchturm erklimmen, hat von dort einen wunderschönen Rundblick über Jerusalem und kann das bisher Gesehene noch einmal Revue passieren lassen.

--> Bildergalerie 7. Tag - Jerusalem Teil 2: die Via Dolorosa

Die Klagemauer

Von der Erlöserkirche kommend laufen wir durch arabische Basare direkt in das jüdische Viertel. Übergangslos kommen wie aus dem arabischen Basartreiben ins jüdische Quartier, aus dem marktschreierischen ins dezente Jerusalem. Dort erleben wie die Stadt auf verschiedenen historischen Ebenen im Cardo. Hier gibt's einiges anzumerken. Wenn wir über die Zweistaatenlösung schwadronieren, bedenken wir nicht, dass zu Ostjerusalem auch die wichtigsten heiligen Stätten der Juden gehören - das jüdische Viertel und die Klagemauer. Der Cardo =”das Herz” von (Ost-)Jerusalem, verläuft durch die jüdische Altstadt. Er war eine im 6. Jahrhundert von den Römern errichtete Hauptstraße, die vom Damaskustor im Norden zum Zionstor im Süden führte. Er war auf einer Mosaikkarte aus dem 6. Jh. dargestellt, die man 1884 als Teil des Fußbodens einer byzantinischen Kirche im heutigen Jordanien entdeckte. Die Darstellung wurde lange bezweifelt, sie gilt aber heute als früheste kartographische Darstellung Jerusalems und leitete die Archäologen bei ihren Ausgrabungen im jüdischen Viertel. Der Cardo wurde an der Stelle entdeckt, welche die nach dem Fundort benannte „Madabakarte” vermuten ließ. Die Cardo führt über einladenden Ha-Kurba-Platz mit der ortsbildprägenden Hurva-Synagoge. Hier müssen wir jedoch scharf links abbiegen und Richtung Osten weiterlaufen, denn wir wollen zum Tempelberg zurück – nur diesmal nicht, um über die Holzbrücke zu gehen, sondern um an die Klagemauer zu gelangen – das wichtigste Heiligtum der Juden. Die Klagemauer heißt häbräisch ha-kotel ha-ma'arawi - „die Mauer im Westen”, englisch West Wall, weil sie die westlich gelegene Begrenzung des Tempelberges ist.

Ungefähr ein Drittel der Mauer wurde zu römischer Zeit abgetragen und etwa ein Drittel befindet sich unter der Erdoberfläche. Der unter dem jüdischen König Salomo gebaute erste Tempel war von den Babyloniern zerstört worden. Nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil wurde am 515 v. Chr. der zweite Tempel errichtet und im Jahre 70 n. Chr. während des ersten jüdischen Krieges (siehe Massada!) von den Römern zerstört. Die im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnung Klagemauer ist eigentlich falsch, ebenso die unter Nichtjuden verbreitete Auffassung, man beklage hier den Verlust des zweiten Tempels. Zwar gibt es von unbedeutenden Gruppen von Rabbinern Bestrebungen zur Neuerrichtung eines Tempels, die meisten religiösen Juden sind aber überzeugt, dass der Bau eines Dritten Tempels erst im „messianischen Zeitalter” geschehen dürfe, da nach ihrer Auffassung der Messias, griechisch „Christos”, der Erlöser, noch nicht erschienen ist. Für sie ist die Mauer ein Symbol für den Bund Gottes mit dem auserwählten Volk. Täglich besuchen hunderte Gläubige die Klagemauer, um zu beten. Viele stecken Zettel mit aufgeschriebenen Wünschen in die Fugen der Mauer. Die Zettel werden regelmäßig aus den Ritzen entfernt und auf dem Ölberg rituell bestattet. Grundsätzlich ist der Zugang auch für Nichtjuden problemlos möglich. Jedoch mussten wir auch hier, wie schon auf dem Tempelberg, ein „Kontrollritual” wie auf dem Tempelberg über uns ergehen lassen. Natürlich ist das lästig, gibt aber auch ein Sicherheitsgefühl. Während unseres Besuches fand gerade die Vereidigung von israelischen Soldatinnen statt. Israel ist neben Norwegen und Eritrea das einzige Land der Welt mit Frauenwehrpflicht. Bereits in den paramilitärischen Organisationen, die es vor der israelischen Staatsgründung in Palästina gab, waren Frauen unter Waffen. Aus rechtlicher Sicht sind Frauen im Militär den Männern völlig gleichgestellt. Das steht in schroffem Gegensatz zur archaischen Geschlechtertrennung in den religiösen Einrichtungen. Auch hier an der Klagemauer findet die Vereidigung außerhalb des eigentlichen Heiligtums statt. Innerhalb trennt eine Wand die Geschlechter.

Steineschmeißer in der Davidstadt

Wir verlassen über das Dungtor die Mauern der Altstadt und gelangen in die Davidstadt. Das Dungtor hat tatsächlich seinen Namen davon, das über dieses Tor der Mist aus der Stadt geschafft wurde. Als Davidstadt wird die hier vermutete biblische Stadt des König David vermutet. Grabungen an der Steilhanglage zwischen Tempelberg und Kidrontal brachten über 6000 Jahre alte Fundtücke zu Tage. Funde, die sich König David zuordnen lassen, sind umstritten. Es wird aber weiter geforscht. Nicht umstritten ist die Zuordnung von Felsengräber der israelitischen Zeit aus dem 9. bis 7. Jahrhundert v. Chr. Es gut erhaltene Gräber hochrangiger Würdenträger des Reiches Juda.

Bei meiner ersten Israelreise konnten wir noch durch dieses Tal gehen und die Gräber besichtigen. Inzwischen ist das Tal eine so genannte No-Go-Area, wo man schon mal von Palästinenserkindern mit Steinen beworfen wird. Grund dafür ist der Streit zwischen Israelis und Arabern um die Siedlungsrechte an diesem Hang. Die moderne Bebauung des Kamms begann 1873 mit der aus Spanien vertriebenen Familie Meyuchas. Während der britischen Besatzung Palästinas wuchs das benachbarte arabische Dorf Silwan den Hang hinauf.

Nach Gründung Israels und dem darauf folgenden Palästinakrieg fiel dieses Gebiet einschließlich Ostjerusalem unter jordanische Besatzung. Bis zur Besetzung durch Israel nach dem Sechstagekrieg 1967 siedelten sich hier weitere arabische Familien an. Die Besiedlung erfolgte durch schlichte Inbesitznahme. Israel verlangt von Arabern in den 1967 besetzten Gebieten, Besitzansprüche durch Katastereintragung rechtskräftig zu machen. Da dieser Rechtsakt die Anerkennung des Staates Israel bedeutet, verweigern viele Araber diesen Schritt. Israel „revanchiert” sich dann damit, dass es seine Ausgrabungen ohne Rücksicht auf die aus ihrer Sicht illegalen Ansiedlungen vorantreibt.

Die unterschiedlichen Sichtweisen spiegeln sich im Verhalten der Kinder gegenüber Fremden wider.

--> Bildergalerie 7. Tag - Jerusalem Teil 3: Klagemauer und Davidstadt

Tag 8: Von Yad Vashem nach Bethlehem

Tag 8: Von Yad Vashem nach Bethlehem

Der 8. Tag war in vielerlei Hinsicht noch einmal ein Höhepunkt der Reise. Mit Yad Vashem und Bethlehem als den Hauptzielen stand eine Zeitreise aus dem „Tausendjährigen Reich“ in das Zeitalter um Christi Geburt bevor, in das Jahr bis zu dem hin die Jahre rückwärts und ab dem sie vorwärts gezählt werden. Aus christlicher Sicht.

Maale Adumim: Wie Europas Boykott den Palästinensern schadet

Von unserem Quartier im Kibbutz Kalia im Westjordanland brachen wir am Morgen in Richtung Jerusalem auf. Über die Straße Nr. 1 ging es zunächst nach Maale Adumim in ein Gewerbegebiet. Die Straße 1 hat nicht von ungefähr diese Nummer. Sie verbindet Tel Aviv-Jaffa mit Jerusalem und dem Toten Meer.

In Maale Adumim wollten wir das Sodastream-Werk besuchen. Das israelische Unternehmen Sodastream ist Weltmarktführer bei der Produktion von Trinkwassersprudlern. Allein das Werk in Maale Adumim beschäftigte 2014 1.300 Mitarbeiter, darunter 500 palästinensische Araber aus dem Westjordanland, 450 arabische Staatsbürger Israels und Palästinenser mit Wohnsitz in Ost-Jerusalem sowie 350 jüdische Israelis.[Wikipedia]

Das Unternehmen galt viele Jahre als Musterbeispiel des nicht nur Nebeneinander sondern Miteinanderlebens und -arbeitens von Arabern und Israelis, von Juden und Moslems, als „Brücke zum Frieden“, wie es Markenbotschafterin Scarlett Johansson nannte.(FAZ)

Jeder Palästinenser verdiente hier durchschnittlich rund tausend Euro im Monat – viel mehr als sonst im Westjordanland. 11.000 Palästinenser sind nach eigenen Angaben beim israelischen Siedlungsbau beschäftigt, 6000 arbeiteten 2014 in Industriebetrieben wie Soda Stream. Das Unternehmen trug mit 300 Millionen Euro jährlich zum palästinensischen Sozialprodukt bei.

Als wir dort ankamen, waren die Werktore verschlossen. Hinter dem hohen Sicherheitszaun die Fertigungshallen scheinen leer zu sein. Ein anscheinend vergessener Anhänger steht auf einem verlassenen Parkplatz gegenüber. Ein Bowlingzentrum und zwei Supermärkte nebenan wirken überdimensioniert angesichts der wenigen Leute, die sich im Umkreis bewegen. Was ist passiert?

Die Bewegung "Boykott, Divestment und Sanktionen“ will Israel gewaltfrei aus Palästina vertreiben. Die 2005 gegründete palästinensische Organisation ruft dazu auf, Druck auf Israel auszuüben. Starken Zulauf gewinnt BDS vor allem in Amerika, Großbritannien und Frankreich. Die Aktivisten brandmarken und drangsalieren jedes Unternehmen, das sich an einem großen Infrastrukturprojekt im Westjordanland beteiligt. Trittbrettfahrer beleidigen und bespucken Kunden, die im Supermarkt israelische Waren kaufen. Markenbotschafterin Scarlett Johansson wurde einem öffentlichen Shitstorm ausgesetzt und verlor wichtige Werbeverträge.(FAZ) Das französische Unternehmen Veolia hat sich nach dem öffentlichen Druck durch Moslems und Sympathisanten im August 2015 aus dem Projekt Stadtbahn Jerusalem zurückgezogen. Die holländische Apothekenkette Alphega hat den Verkauf von Produkten des Unternehmens Ahava eingestellt, das Produkte mit Salz aus dem Toten Meer verkaufte, (profil.at) KaDeWe nahm israelischen Wein aus seinen Regalen (Zeit).

Auch Sodastream wurde ob seines Engagements im Westjordanland gebrandmarkt. Nach einem Umsatzeinbruch um 9% wurden die Palästinenser entlassen und ein Werk in die Nähe von Beerscheba im Süden Israels neu eröffnet. Dort werden vor allem Beduinen Beschäftigung finden.(Irael-Nachrichten) Wer mehr über die Boykottbewegung wissen will kann bei Audiatur-online nachlesen.

Weiter ging unsere Fahrt vorbei an den Beduinensiedlungen, die noch ärmlicher sind als die der Palästinenser. Durch die karge Wüste zwischen dem Toten Meer und Jerusalem treiben sie ihre Ziegen und Schafe wie in biblischer Zeit. Nur sind aus den Beduinenzelten Behausungen aus Wellblech geworden. Vor der Kulisse der Metropole Jerusalem, an deren Rändern jüdische und palästinensische Siedlungen um die Wette wachsen scheinen sie die eigentlichen Verlierer des aussichtslosen Streits um die Heimaterde zu sein. Bei all den Resolutionen, Petitionen und Sanktionen, Aufrufen und Beschlüssen spielen die eigentlich nie eine Rolle. Bildergalerie 8. Tag - Maale Adumim.

Mount Herzl: Am Berg des Inspirators

Auf dem Weg nach Yad Vashem im Westen Jerusalems passieren wir den Herzlsberg. Der Berg, auf dem sich ein Friedhof und zahlreiche Gedenkstätten befinden, ist nach dem Begründer des modernen Zionismus, Theodor Herzl benannt, der auch dort sein Grab hat. Der in Budapest geborene österreich-ungarische Schriftsteller verfasste das Buch „Der Judenstaat“, das 1896 in einem Leipziger Verlag veröffentlicht wurde. In diesem begründete er aufgrund eigener gescheiterter Versuche die Unmöglichkeit der Assimilation der Juden mit den Völkern, unter denen sie leben, und aus einer chauvinistischen Sicht heraus die Notwendigkeit der Erhaltung des jüdischen Volkes. Dies sei nur in einem eigenen Staat möglich. Dieser sollte in „Palästina oder Argentinien sein“. Palästina hieß damals die osmanische Provinz links und rechts des Jordan, also einschließlich das heutige Jordanien. Dieses Land war die erste Wahl, denn hier befand sich „Erez Israel“, das gelobte Land der Vorväter. Herzl hauchte der zionistoischen Idee, das jüdische Volk in das Land der Bibel zurückzuführen, neues Leben ein, und zwar, wie wir heute sagen würden „zielführend“. Auf ihn geht Israel zurück und er ist deshalb der vielleicht meistgehasste Mann der hier lebenden Araber, denn daran, dass in Palästina Menschen leben, die er aus seiner Heimat verdrängen würde, verschwendete er kaum einen Gedanken. Über die anderen Völker und Religionen sagt er beiläufig: „Und fügt es sich, daß auch Andersgläubige, Andersnationale unter uns wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die Rechtsgleichheit gewähren.“[Quelle] Religion hielt er für überholt und in der Bedeutung schwindend. Auch über orthodoxe Juden dachte er kaum nach und die Probleme, die die Strenggläubigen durch die Besiedlung des Westjordanlandes verursachen würden, sah er deshalb auch nicht voraus.

Das Israel Herzls ist wie selbstverständlich ein laizistischer Staat. Das heißt: Staat und Religion sind klar getrennt. Er hätte es sich sicher nicht träumen lassen, dass es im ausgehenden 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert vor allem religiös motivierte Fanatiker sein werden, die das Zusammenleben der Völker in Israel-Palästina so schwer machen.

So reiht sich auf dem Mount Herzl Gedenkstätte an Gedenkstätte: Für die Opfer des Terrors in Israel, für äthiopische Juden, die auf dem Weg nach Israel ermordet wurden, für jüdische Soldaten, die für die sowjetische Armee im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, für jüdische Soldaten, die für die polnische Armee im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, für jüdische Soldaten, die für die britische Armee im Zweiten Weltkrieg in Palästina gekämpft haben, für die Opfer des Unabhängigkeitskrieges oder Yitzhak Rabin.

Wahrzeichen des Berges ist ein in einem Kreis eingefasster Chanukka-Leuchter, der auf einem liegenden Davistern steht. Der Chanuka-Leuchter ist ein neunarmiger Leuchter, ein religiöses jüdisches Zeichen, der Davidstern auch ein sekuläres (nichtreligiöses) Symbol für das jüdische Volk. Die Interpretation lasse ich offen. Der Chanukka-Leuchter gilt auch als Vorbild für den Weihnachtskranz und den weihnachtlichen Schwibbogen. Für Maik Förster auch ein Beispiel, wie sich Religionen gegenseitig inspirieren können. Umgekehrt hat der Weihnachtskranz Juden dazu angeregt, dem früher eher unbedeutenden Chanukkafest, das in unsere Weihnachtszeit fällt, eine größere Bedeutung zu geben, um so die festliche Stimmung ihrer Mitmenschen teilen zu können. Wie wir es an den Adventssonntagen praktizieren wird beim Chanukkafest zwar nicht an den Sonntagen sondern an jedem der acht Festtage ein weiteres Licht angezündet. Das neunte, mittlere Licht steht nicht für einen Tag sondern ist der "Diener", das Licht, mit dem die anderen entzündet werden. Bildergalerie 8. Tag - Mount Herzl.

Yad Vashem – der Ort des Unfassbaren

Gleich an den Herzlsberg mit seinen zahlreichen Gedenkstätten schließt sich Yad Vashem an, die wohl bedeutendste Gedenkstätte Israels und die bedeutendste Gedenkstätte des Holocaust.

Das Wort Holocaust stammt aus dem Griechischen und bedeutet „alles brennt“. Es steht für den Völkermord an den Juden auf Befehl Hitlers, beschönigend als „Endlösung der Jugendfrage“ bezeichnet, von den Juden und Israelis auch als Shoah bezeichnet, das häbräische Wort für „großes Unheil“.

2 Millionen Besucher aus der ganzen Welt sehen sich jedes Jahr das Grauen dort an, wo es dokumentiert ist, anhand von Biographien, Fotos, Urkunden, Kleidern, Schuhen, Gemälden, aber auch akribisch geführten Akten, mit Bauplänen, Namenslisten, Lieferscheinen, Notizzetteln...

Für nahezu jede Sprache gibt es einen „Multimedia-Guide“. Die Beschriftung an den Ausstellungelementen ist mehrsprachig, außer Deutsch. Voreilig könnte man sagen: naja, verständlich... Aber schnell merkt man, dass das meiste ja deutsch ist im Original. Es stammt ja aus Deutschland, aus Österreich, aus Gallizien, dem Teil der Ukraine, der einst zur Donaumonarchie gehörte.

Dokumentiert ist nicht etwa eine Epedemie, mit der Hitler die Deutschen und ihre internationalen Helfer infiziert hat, sondern auch, wie der Judenhass entstanden ist, seine heiligen römischen Wurzeln. Dokumetiert ist, wie seit der französischen Revolution und dem verkündeten, aber nie vollendeten Laizismus die Assimilation der Juden in Europa Fortschritte machte und Rückschläge erlebte. Laizismus ist die strikte Trennung von Staat und Kirche, die noch nicht einmal im heutigen Deutschland verwirklicht ist. Es werden die vielen Wege und Versuche von Juden gezeigt, in den sie umgebenden Volksgruppen aufgehoben (assimiliert) zu werden – durch massenhaften Übertritt zur Religion der Mehrheitsbevölkerung oder, besonders im 19. Jahrhundert, durch „Verweltlichung“, vor allem in den großen Städten und Ballungsräumen. Es war auch die Zeit, als der Weihnachtsmann aufkam und die Tanne als „Christbaum“. Es wurden aber auch, vor allem in Gallizien Juden gezeigt, die sich selbst abgrenzten, ihre Bräuche und eigenen Gesetze hochhielten – die orthodoxen (rechtgläubigen) Juden. Jene, die aus meiner unmaßgeblichen Sicht im Palästinakonflikt das größte Friedenshindernis auf israelischer Seite sind und die das laizistische Israel in eine fundamentalistische Richtung drängen.

Jene, die Assimilation versuchten, taten sich als Patrioten ihrer Nationen hervor, wie Heinrich Heine (Deutschland ein Wintermärchen) und viele meinten, in den Schützengräben des 1. Weltkrieges Seite an Seite mit den „Bio-Nationalen“ zum Beispiel auf deutscher oder auf französischer Seite für das jeweilige Vaterland ihr Leben geben zu müssen. So sieht man die Biographie eines deutschen Offiziers, im ersten Weltkrieg hoch dekoriert, der in Auschwitz endet.

Das wohl Grauenvollste ist die Dokumentation und wissenschaftlich akribische Hochrechnung der Massenvernichtung auf 5,6 bis 6,3 Millionen vernichtete Leben. Allein die wissenschaftlich diskutierte Differenz von 700.000 ist unvorstellbar. Es ist nur eine Differenz. Beim Völkermord der Türken an den Armeniern gilt die Zahl von 800.000 als völkerrechtlich anerkannte Gesamtzahl. Die Historikerkommission, die nach der Wende die Zahl der Dresdner Bombentoten neu ermittelt hat, kam auf 25.000 Tote. Manche wissen es besser und reden von 200.000. Zahlen von Toten kann man nicht gegeneinander aufrechnen. Der Vergleich hier soll lediglich deutlich machen, welche Alleinstellung der Holocaust hatte und wer dies leugnet, der sollte zum Besuch dieser Gedenkstätte verurteilt werden und erst wieder rausgelassen werden, wenn er die Namen aller hier dokumentierten 4,2 Millionen Einzelschicksale oder wenigstens die Namen der 1,5 Millionen Kinder laut vorgelesen hat. Im „Denkmal für die Kinder“ geht man durch einen dunklen Raum, in dem fortlaufend die Namen der Kinder verlesen werden, ihr Alter und ihr Geburtsort. Das Endlosband braucht ungefähr drei Monate. Yad Vashem heißt Denkmal und Name. Es bezieht sich auf Jesaja (56,5), der sagte: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der niemals getilgt wird.“

Wer den leisesten Zweifel hat – die Datenbank der Holocaust-Opfer ist online auch auf deutsch einsehbar.

Sehenswert, wenn das Wort in dem Zusammenhang überhaupt brauchbar ist, ist das „Tal der Gemeinden“, das in einem Tal unterhalb der eigentlichen Gedenkstätte liegt. Auf 107 aus dem Fels gehauenen Steinwänden wird hier der über 5000 jüdischen Gemeinden gedacht, die in den Jahren der „Endlösung“ ganz oder teilweise vernichtet wurden, darunter finden sich die sächsische Städte. Bildergalerie 8. Tag - Yad Vashem

Bethlehem: War Jesus ein Palästinenser?

Von Yad Vashem nach Bethlehem ist es ungefähr so weit wie von Radeburg nach Steinbach. Etwa 10 Kilometer. Eine direkte Verbindung gibt es aber nicht. Auch ein Navigationssystem zeigt keine Route an. Warum? Darüber können wir nur spekulieren. Zwischen Jerusalem und Bethlehem verläuft eine von Israelis errichtete Mauer, die sehr an den Berliner „Antifaschistischen Schutzwall“ erinnert. Mit Wachtürmen auf der einen Seite und Graffiti auf der anderen.

In der heute eingemauerten Stadt wurde dem Neuen Testament zufolge Jesus geboren. Was oft vergessen wird: dem Alten Testament zufolge aber auch David, der König der Juden. Der Zusammenhang zwischen beiden besteht in der Weissagung des Alten Testaments, dass hier der Messias geboren werden würde. Der Ort ist also sowohl für die Juden als auch für die Christen von Bedeutung ist. Das hebräische Wort „Messiach“ heißt wörtlich übersetzt „Der Gesalbte“ und die griechische Übersetzung heißt „Christos“ erklärt Reiseführer Maik Förster die Zusammenhänge.

Bethlehem hat etwa 25.000 Einwohner, ist also ungefähr mit Meißen vergleichbar.

Die große Mehrheit der Bevölkerung war noch 1945 christlich. Jedoch ist deren Anteil stetig am Sinken, auf zuletzt (2007 gezählt) 40%. Dennoch gilt das Stadtrecht, das besagt, dass der Bürgermeister Christ sein muss, orthodoxer oder römisch-katholischer Richtung. Mittlerweile erhebt die muslimische Bevölkerungsmehrheit den Anspruch, dieses Gesetz außer Kraft zu setzen.

Unsere beiden Kleinbusse sind hier nicht ganz sicher. Ein Händler, der zu einer christlichen Großfamilie gehört, die in der Stadt das Sagen hat, übernimmt die Bewachung der Fahrzeuge. Auf Fahrzeuge mit israelischem Kennzeichen fliegen hier schon mal Steine. Wir wollen sichergehen. Wir werden mit einem Bus, den der Händler organisiert hat, zur nahe gelegenen Geburtskirche Jesu gefahren. Die Gegenleistung bestand darin, dass wir anschließend in seinem Basar einkaufen, in dem es christliche Devotionalien aller Art gibt. Vieles ist gekennzeichnet als Produkt einheimischer Handwerker. Der Handel ist vollkommen auf Tourismus ausgerichtet. Seit der 2. Intifada, dem 2. Palästinenseraufstand in Israel und dem Westjordanland im Jahr 2000, liegt dieser Wirtschaftszweig darnieder. Die Hotels, die hier fast vollständig in einheimisch-christlicher Hand sind, sind nicht annähernd ausgelastet. Deutlich wurde das in einer Auseinandersetzung, die Maik Förster schon bei unserem ersten Besuch in der Geburtskirche mit einem Guide hatte. Dieser zeigte auf Maik Försters Reiseführerausweis, den er immer um den Hals trägt. Er müsse einen Ausweis der palästinensischen Autonomiebehörde vorweisen, sonst dürfe er nicht rein und schon gar keine Gruppen in diesem Gebäude führen.

Dies zeigte uns auch einen Wandel an. Die arabischen Christen in Bethlehem schlagen sich mehr und mehr auf die Seite der muslimischen Zuwanderer, bezeichnen sich selbst als christliche Palästinenser. Beim Fahrer unseres Busses vorn hing ein Kreuz, ein Rosenkranz und – ein Bildnis Jassir Arafats. Laut einer christlich-palästinensischen Studie leben die Christen in Bethlehem Toleranz. 90 % von ihnen haben muslimische Freunde und 73 % sind überzeugt, dass die Autonomiebehörde das christliche Erbe in der Stadt mit Respekt behandelt.

Bei dem Diskussionsabend in Beit-al-Liqa hatte unser Gastgeber Pastor Johnny Shahwan seine Beobachtung geschildert, wie die Hamas Zug um Zug in Bethlehem die Macht übernimmt und beobachtet den Wandel in der Toleranz auf muslimischer Seite, nicht nur, dass die Hamas-Mehrheit den Status kippen will, dass der Bürgermeister ein Christ ist. Er beobachtet, wie die Zahl junger Mädchen zunimmt, die Kopftücher tragen, wie ehemalige Schulfreunde nicht mehr mit ihm reden, die Straßenseite wechseln um ihm nicht zu begegnen.

Aber zurück zur Geburtskirche. Maik Förster nimmt diesmal seinen Ausweis ab und wir gehen nicht in nur kleinen Gruppen und pärchenweise in die Kirche. Innen sammeln wir uns wieder und Maik Förster erklärt, dass diese Kirche an der Stelle errichtet wurde, an der Jesus geboren sein soll. Die Geburtskirche gehört zu nur noch ganz wenigen erhaltenen Kirchen aus frühchristlicher Zeit und ist auch deshalb eine UNESCO-Weltkulturerbestätte. Nicht auszudenken, wenn auch hier islamistische Fundamentalisten dieses Weltkulturerbe zerstören - wie Hatra, Bamiyan, Petra, Palmyra...

Der eigentliche Geburtsort soll eine Grotte gewesen sein. 335 n.Chr. Wurde darüber eine Basilika errichtet, Ende des 5. Jahrhunderts gab es aus unbekanntem Grund einen Neubau. Vom ersten Bau sind noch die Mosaikböden erhalten, die man an einigen Stellen sehen kann, wo man den jetzigen Boden wie eine Klappe anheben kann.

Ein Grund für den Umbau könnte gewesen sein, dass man den Zugang zur Grotte für die Pilger vergrößern musste, um den Andrang zu beherrschen.

Weder Perser noch Mameluken, die jeweils in Palästina nahezu jede Kirche zerstörten, griffen diese Kirche an. 500 Jahre lang verfiel die Kirche. Die Türken stahlen die Marmorverkleidung der Seitenwände, aber sonst passierte ihr nicht viel. 1670 begann die griechisch-orthodoxe Kirche, den Bau zu renovieren. 1717 brachte die römisch-katholische Kirche einen silbernen Stern auf dem Boden der Geburtsgrotte an mit der Inschrift !Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren.“

In der Folge stritten die verschiedensten christlichen Konfessionen um die Kirche, so dass schließlich der (muslimische!) Sultan ein Machtwort sprechen musste und die Kirche zwischen Griechen, Armeniern und „Römern“ aufteilte. Den Römern, die am schlechtesten wegkamen wurde schließlich gestattet, eine eigene Kirche anzubauen, die Katharinenkirche. Über eine Verbindungstür, die aber nur selten, zum Beispiel zu Weihnachten, geöffnet wird, gelangt man auch von hier zur Geburtsgrotte. Streitigkeiten unter Christen gibt es bis in die Gegenwart. Zuletzt 2012 musste die palästinensische Polizei beim traditionellen Kirchenputz vor dem Weihnachtsfest eine Rauferei zwischen armenischen und griechischen Priestern schlichten.

Auf diesen Erfahrungen der Rolle von Muslimen als Streitschlichter gründet sich vielleicht auch das Vertrauen in die Toleranz muslimischer Obrigkeit.

Nicht so großen Streit gibt es um die Weihnachtsfeierlichkeiten selbst. Die katholische Christmette wird am 25. Dezember gefeiert, die Griechen feiern am 6. und 7. Januar, die Armenier am 18. und 19. Januar. Da ist es mal von Vorteil, dass in der Frage des Geburtstages von Jesus keine Einigkeit besteht.

Ein spiritueller Moment: Susanne Förster las aus dem Lukasevangelium die Geburt Jesu vor, die Geschichte, die zum abendländischen Kanon gehört, ob man nun religiös ist oder nicht:

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.


Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Was hätte der palästinensische Führer anderes erzählen können?

Die wichtigste Botschaft, die er über das schon gesagte hinaus vermittelt hätte, wäre gewesen: „Jesus war ein Palästinenser!“ Dieser Spruch, der zusammen mit der Behauptung „Nikolaus war ein Türke“ zum Mythos der aktuellen Willkommenskultur gehört, regt Maik Förster fürchterlich auf. Die Nikolaus-Gestalt geht zurück auf den Bischof Nicolaus von Myra, einer zu dessen Lebzeiten im 3./4. Jahrhundert noch griechischen Stadt, im 8. Jahrhundert von Arabern zerstört und der lykische Landstrich wurde erst im 15. Jahrhundert türkisch. Das ist schnell entkräftet.

Mit Jesus ist es aber nicht wesentlich komplizierter. Man könnte es kurz machen und sagen, Jesus kann kein Palästinenser sein, denn diesen Begriff gibt es erst seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts – geprägt zur Abgrenzung der arabischen Bevölkerung von der jüdischen. Den Einwand, dass es den Namen Palästina (Palastu) in assyrischen Texten aber schon 800 Jahre vor Christi Geburt gab und die Bewohner dann folglich schon Palastinenser gewesen sein müssen, kann man nicht gelten lassen, denn das Adjektiv aus Palästina ist „palästinisch“ und der Einwohner dann folglich Palästiner.

In diesem Sinne bezeichneten sich auch die ersten zionistischen Einwanderer in Palästina gelegentlich als Palästiner. Kann man deshalb also wenigstens sagen, dass Jesus ein Palästiner war? Es gibt keine Stelle in der Bibel, in der sich Jesus dazu bekennt, als Bewohner der römischen Provinz Palästina ein Palästiner – geschweige: Palästinenser zu sein.

Damals war die Stammeszugehörigkeit noch bedeutend, deshalb bezeichnete er sich als Aramäer und wurde „der Nazarener“ genannt, weil er von diesem Volksstamm kam, der damals u.a. um Nazareth lebte, der Heimat von Maria und Joseph. Es gibt heute Aramäer christlichen, jüdischen und mulimischen Glaubens. Das wäre also noch eher ein Ansatz, zieht aber nicht so gut wie die Behauptung, Jesus sei ein Palästinenser. Nazareth liegt in der Nordprovinz Israels, in Galiläa. Diese war zu Zeiten Jesu und noch bis ins 7. Jahrhundert von Juden besiedelt. Durch die Kreuzfahrer wurde hier die Verkündigungskirche errichtet, dem Ort der umstrittenen, für Gläubige nicht zu hinterfragenden „jungfräulichen Empfängnis“. Seit dieser Zeit lebten hier vor allem arabische Christen. Erst in der Neuzeit nimmt die Zahl der Moslems zu. Der Streit um die Errichtung einer großen Moschee in der Nähe der Verkündigungskirche führte zu teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen. Heute ist Nazareth diejenige Stadt Israels, die die meisten arabischen Einwohner hat. Das sind arabische Israelis sagen die Israelis. Palästinenser nennen sie sich selbst, unabhängig vom Glauben. Einig sind sie sich neuerdings, dass Jesus ein Palästinenser ist, der von Juden umgebracht wurde. Was nicht passt, wird für politische Zwecke gern passend gemacht. Ob er nur ein Prophet wie Mohammed ist oder der Messias, darüber gehen die Meinungen zwischen Christen und Moslems jedoch auseinander. Grund genug, darüber auch mal handgreiflich zu streiten, mit dem Messer zuzustechen, Steine zu schmeißen oder sich unter den „Ungläubigen“ mit einer Bombe in die Luft zu sprengen. Toleranz ist immer dann gefährdet, wo sie auf Bigotterie trifft. Bigotterie ist religiöser oder weltanschaulicher Fanatismus. Zu jeder Friedensbotschaft sollte die Erkenntnis gehören, dass mit Fanatikern kein Frieden zu machen ist. - Bildergalerie 8. Tag -> Bethlehem

Tag 9: Yad HaShmona

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