RABU und der Marktplatz der Narren

Am Sonntag, dem 23. Februar 2020, fand Sachsens größter Karnevalsumzug statt - mit viel Glück in einer Sturmpause und dennoch vor "nur" ein paar Tausend Zuschauern. Nur wahre Narren ließen sich von Regen und Wind nicht beirren.

Das Motto der Saison "Kreuzfahrt RABU - wir schiffen ein" fand auch im übertragenen Sinne auf „stürmischer See“ statt und manche Umzugsgruppen fragten sich, ob am Markt nicht auch außerhalb der 5. Jahreszeit Narren am Werk waren.

 

Gruppe 31 (Platz 4)

Gruppe 31 (Platz 4): Die kupfernen Dampfmaschinen und das Luftschiff mit einer rotierenden, Zahn in Zahn greifenden Mechanik und beweglichen Flügeln – das setzte Maßstäbe. Daran kamen nur wenige vorbei.

Global gesehen sind auch die Narren „aufgewühlt“ durch die Klimadiskussionen. Angeführt von den Medinger Müll-Matrosen (Nr.9, Platz 25), die den Dreck auf den Weltmeeren gleich mal den Kreuzfahrtschiffen andichteten und diesen  auf närrische* Weise per Seifenbasen (*Achtung, Tenside und Glycerine sind Umweltgifte!) zu reinigen suchten.

Der Bedrohung des Weltklimas durch die Kreuzfahrtindustrie nahm sich die Gruppe Nr. 41 (Platz 8) an. „Qualle, Qualle manche Strecke - die Kreuzfahrt bringt uns um die Ecke!“ Mit ihren auf und ab wabernden Quallen, sorgte die Gruppe für einen Farbtupfer im Regen von RABU. Lothar Lucke hatte die Gruppe einst mit drei Leuten gegründet – inzwischen sind es zehn mehr. Respekt! Das Ansteigen des Meeresspiegels veranlasste die Gruppe Martin Radseck (Nr. 13, Platz 24) aus Radeburg dazu, Leuchttürme nach RABU zu liefern. „Wenn das Zille wüsste – Leuchttürme sichern RABUs Küste!“ so ihr Motto.

Einen retro-innovativen Vorschlag hatte die Gruppe 31 (Platz 4) zu bieten. Die „SteamPunks“ aus Bärwalde und Bärnsdorf hatten die Idee, mit einem Luft-Dampfschiff klimafreundlich-alternativ um die Welt zu reisen. Da schnalzte nicht nur MDR-Moderator Silvio Zschage mit der Zunge. Denn hier kam ganz klar ein Top-Favorit auf einen Spitzenplatz. Die Retro-Kleider für Groß und Klein farblich perfekt abgestimmt mit den bronzenen Dampfmaschinen und den in altweiß gehaltenen Luftschiffen. Das Gefährt mit einer rotierenden, Zahn in Zahn greifenden Mechanik – die gleichen Zahnräder wieder an den Kostümen und als Gesichtsschmuck. Dazu eine perfekt vorgetragene Choreographie – das setzte Maßstäbe. Wer in RABU was gewinnen wollte, musste an dieser Nummer erst mal vorbei!

Das gelang auch der Gruppe Uwe Lehmann (26 – Platz 5) nicht, die natürlich insgeheim gehofft hatte, nach den vielen vierten Plätzen zuletzt auch mal auf das Treppchen zu kommen. Die Idee war mit einem Luftschiff ganz ähnlich und die kleinen Einmann-Hubschrauber mit dem doppelsinnigen Zylinder mit Zündkerze auf dem Kopf auch wieder sehr witzig und die freitagsdemonstrative Ächtung von Hubraum auf die Schippe genommen.

Über Weltuntergangsstimmung machte sich auch Gruppe 23 (Anerkennung) lustig, die Mensch und Tier vor der drohenden Flut in einer Arche Noah in Sicherheit bringen wollte.  Auch die Schweizer Marine meldete sich bereit zum Einschiffen. (Nr. 21, Platz 11)

Die einzige Gruppe, die thematisch die Brücke vom globalen Klimathema zum lokalen Thema Nummer 1 – dem Marktumbau – geschlagen hat, war die Gruppe 28 (Platz 14). Unter dem Motto „Die Schwedin verlangt das Kreuzfahrt-Tabu, drum macht Rödern Urlaub auf dem schönsten Platz von RABU“ stellte die Gruppe Falk Ziesche tragbare Bauzäune quer zur Umzugsstrecke und setzte die „vergeblichen Versuche“, den Markt zu pflastern, in Szene. Da pflasterte einer an einem nachgestalteten Marktbrunnen auf dem Tieflader „wie ein Weltmeister“ – Steine rein, Steine wieder raus!

Lokal gesehen waren auch andere Gruppen „aufgewühlt“ durch „Drama Marktumbau“. Gleich als Gruppe 29 (Platz 10) folgte die Gruppe Erik Baumann aus Ebersbach mit dem Motto: „Der RCC schifft sich ein, das mit dem Markt sollte "so" nicht sein.“ Die großen Pflastersteine, die „lebenden“ Absperrungen, die lustigen Toilettenhäuschen und der Darstellung des RCC als Leidtragendem  in Gestalt von Präsident Olaf Häßlich  und eine Narrenkappe als „Krönung“ des Marktbrunnens gefielen der Jury vielleicht etwas besser, was am Ende für die Top-Zehn-Platzierung reichte.

Und schließlich und endlich griffen auch die Vorjahressieger, die Gruppe Michael Mösch (Nr. 59) das Markt-Motto auf und konnten damit ihren Sieg vom Vorjahr wiederholen.„Kreuz und quer zur Insel des Schreckens“ wurde kreuzfahrtmottogerecht in Richtung „Marktinsel“ gesteuert, die (siehe Aschermittwochgespräch) die Stadt Radeburg der Baufirma so nicht abnimmt. Das symbolische Baufahrzeug trägt den Merkelschen Leitspruch Wir schAFFEN das. Die leitende Baufirma wurd zur Kreuz+Querbau Affengesellschaft umbenannt. Sprüche finden sich wie „Achtung, nur im Schritttempo denken! Affenschande durch Affenbande!“ Ein „Affe“ trägt eine Messlatte und den Spruch „Die paar Meter fallen gar nicht auf!“  Ein anderer: „Wir machen das schon immer so!“ Oder: „Ich bin nicht planlos, sondern erlebnisoffen!“, „Ich wars nicht!“, „Ist zwar falsch, geht aber schneller!“ usw. Dabei ausgerüstet mit Betonmischer, Schubkarren voller (Styropor-)Pflastersteine, Schaufeln, Hämmer, Rüttelplatten – alles was man als Tiefbauer so braucht.
Ein gigantischer King Kong mit leuchtenden Augen hat in dem mit „Bauleitung“ beschrifteten Gefährt Platz genommen.   

Die anderen Umzugsgruppen sahen nicht so sehr den Radeburger Markt als „Fluchtgrund“ für die Kreuzfahrt, sondern nahmen sie eher pur und wussten das Thema mit tollen Gestaltungsideen umzusetzen.

Dann war beispielsweise der (See)weg das Ziel: Die Gruppe Conny Ottlinger (Gr. 36, Platz 3) versuchte unter Wasser, mit Neptun und Seepferdchen, bei der RABU-Kreuzfahrt dabei zu sein, was die oben schon genannten Gruppen 26 und 31 durch die Luft versuchten. Mit Volldampf um die Welt – also voll auf Dampf setzte  sich wiederum – in ähnlichem Retro wie Gruppe 26 – die  Gruppe Raiko Richter (Nr. 42, Platz 2) unter dem Titel „Mit Volldampf um die Welt & schiffen, wo es uns gefällt“ in Szene. Was ihr wahrscheinlich zur besseren Platzierung gegenüber Gruppe 26 verhalf,  war die farbenfrohe Darstellung der Kontinente durch die Laufgruppe.

Dass trotz Marktumbau Radeburg ein Reiseziel sein kann, dass demonstrierte die Gruppe Markus Nicklisch (Nr. 39, Platz 9) mit der Landung des (T)Raumschiffes  Surprise in RABU ebenso wie die Gruppe um Mandy Eichhorn (Gruppe 33, Platz 6), die gleich auch noch Aliens mitbrachte. Der JCB (Jugendclub Berbisdorf) verzichtete auf eine Landung  und schaute lieber aus dem Kosmos zu (Nr. 55, Platz 12).

Andere Reiseziele waren mit dem Raddampfer die Pulsnitz hinauf“ (Nr. 49, Platz 13) oder das Schlaraffenland (Gruppe 19). Die Gruppe 49 um Steffen Gnauck aus Königsbrück versuchte es mit einem sehenswerten Mississippi-Raddampfer im Retro-Style „die Pulsnitz hinauf“. Die Gruppe 19 um Holger Prochaska aus Radeburg wollte Radeburg lieber nicht als Reiseziel, sondern in das Land, wo ohne eigenes Zutun Milch und Honig fließen und der Faulste der Faulen ihr König ist. Der oppulent gestaltete Umzugswagen und die farbenfrohen Kostüme ließen eine Top-Platzierung erahnen. Am Ende kam Platz 7 heraus - gefühlt etwas unter Wert platziert.

Insgesamt reflektierte der Umzug in dieser Saison mehr lokales und globales Zeitgeschehen als man das bisher gewohnt war. Vielleicht ein neuer Trend? Bisher galt für den Radeburger Umzug, dass das Publikum eigentlich nicht so sehr belästigt werden will mit Themen, mit denen man sonst schon genervt wird. Um die Wirkung auf das Publikum zu beurteilen waren witterungsbedingt zu wenige Zuschauer da. Übrigens auch ein schmerzhafter finanzieller Einschnitt ins den Finanzhaushalt des komplett ehrenamtlichen Karnevals-Vereins. Dass der Umzug aufgrund der Sturmwarnung vor verschlossenen Zelttüren und damit praktisch nicht auf dem Markt stattfand, ist fast ein Omen. Anders, als Moderator Silvio Zschage erhofft, ist mit diesem Markt noch nicht alles in Ordnung und die Stadt will sich die aus ihrer Sicht schlechte Leistung nicht bieten lassen. Die symbolische Rückeroberung des Marktes durch die Narren wurde ausgebremst und in die Zukunft vertagt. Auch die Frage, wie es mit dem Zelt weitergeht wird erst zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt beantwortet werden. Präsident Olaf Häßlich möchte sich dazu auch derzeit nicht äußern. Noch ist viel zu viel Spekulation dabei. Er verspricht aber, sobald Klarheit besteht, darüber zu informieren.

Das Video vom Umzug der 63. Saison und viele andere RCC-Videos sind auf dem YT-Kanal des RCC verfügbar:

http://bit.ly/RCC-YT

Bilder des Umzugs der 63. Saison

Alle Bilder aller Gruppen in der Galerie des RCC (Klick in den Titel!)

Kommentar: Wie (un)gerecht ist die Jury?

von Klaus Kroemke

Nun kann man spekulieren, warum es bei der Übergabe des 1. Preises Pfiffe gab. Mehr noch: Erna Walther, Mitglied der Mösch-Gruppe, schrieb auf Facebook: „Ich war entsetzt über die Stimmung gestern Abend bei der Prämierung.“ Woran lag es? Einfach weil „wieder die“ gewonnen haben? Dann wäre die Sache schnell geklärt. 8 von 14 Juroren sahen die Nummer auf Platz 1, zwei sahen sie auf Platz zwei, die übrigen vier jeweils auf den folgenden Plätzen. Die zweitplatzierte Gruppe sahen „nur“ fünf Juroren auf Platz 1.
Wenn man die Gestaltung der Wagen, der Kostüme, das Agieren und Animieren der vorderen Gruppen beim Umzug anschaut, sind die ersten sieben Gruppen mit Durchschnittswertungen von 1,2 bis 1,5 ganz dicht beieinander. Wer das Homogene höher bewertet, wird schwerlich an der Nr. 59 vorbeikommen, wer mehr das Filigrane, das Detailversessene und Verspielte liebt, wird eher die Zweitplatzierte Gruppe Raiko Richter (Nr. 42) oder die viertplatzierten Steampunks (Nr. 31) vorne gesehen haben.
Die Juroren sind auch nur Menschen – mit subjektiver Meinung und subjektivem Geschmack. Jeder kann sich gern zur Mitarbeit in der Jury anmelden und schauen, ob etwas anderes herauskommt. Fünf Juroren sind Abgesandte aus teilnehmenden Gruppen. Von diesen fünfen sahen vier die ersten beiden Plätze anders herum. Es war eben auch sehr knapp. Und weil wir gerade bei „auch nur Menschen“ sind – für mich wären selbst schlechte Bauarbeiter Menschen und keine Affen. Ich gestehe zu, dass solche Vergleiche durch die Narrenfreiheit gedeckt sind – mir persönlich bleibt da das Lachen im Halse stecken und andere meinen, pfeifen zu müssen. Ich lache auch nicht bei Böhmermann oder Welke, die ja viele andere megawitzig finden. Also keine Vorwürfe und erst recht keine Zensur! An solche Zeiten können sich viele Radeburger auch noch zu gut erinnern. Erna Walther schließt ihren Post mit den Worten: „Mein Gott, es geht doch darum Spaß zu haben, ZUSAMMEN Spaß zu haben am Gesamtkunstwerk RABU.“ Ja, es geht darum, den Volkskarneval in seiner Vielfalt zu erhalten – und zwar nicht nur in der abgedroschenen Vielfalt, die gerne beschworen wird, wenn es gilt, andere auszugrenzen, sondern in der, für die es hier seit sechs Jahrzehnten einen Begriff gibt: Volkskarneval.