ÖPNV: Verkehrswende scheitert an Geld, das man lieber woanders ausgibt

Mitte Juli trafen sich Mitglieder des Kreistages Meißen, Vertreter übergeordneter Fachbehörden, Vertreter der Gemeinden aus dem Landkreis und von Nahverkehrsunternehmen sowie Nutzer von Nahverkehrsmitteln zum Forum "ÖPNV 2030". Es gab Vorträge und Workshops zu Chancen und Risiken des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und ein ernüchterndes Fazit.

Der Öffentliche Personennahverkehr steht wie kaum ein anderes Thema im Mittelpunkt der Diskussion, wenn es um die Zukunft im ländlichen Raum geht. Auch der Kreistag Meißen und die Kommunen des Landkreises sehen darin einen wichtigen Entwicklungsschwerpunkt. 

Was eigentlich die Erwartungen der Fahrgäste an den ÖPNV der Zukunft sind, verdeutlichte Laurenz Heine, Landesvorstand Elbe-Saale im Verkehrsclub Deutschland. So sei die Messlatte für die Nutzer immer der Privat-PKW. Entscheidend für einen Umstieg in den ÖPNV oder eine Weiternutzung dessen sind die Fahrzeit und die Taktung, Tarife und Verlässlichkeit.

Der einzige der Referenten, der meinte, dass dafür alle Voraussetzungen bereits geschaffen seien, kam aus Martin Duhligs Ministerium. Stephan Gerstenberg, Referatsleiter Öffentlicher Personennahverkehr im SMWA erklärte: „Der ÖPNV ist ein politischer Schwerpunkt des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Es geht um die Stärkung des ÖPNV sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. Gefördert wird ein barrierefreies, klimafreundliches und gut vertaktetes ÖPNV-Angebot. Der Freistaat Sachsen leitet hierfür nicht nur alle bereitgestellten Bundesmittel weiter, sondern stellt auch Landesmittel in hohem Umfang zur Verfügung. Um auch die künftigen Herausforderungen zu meistern, gilt es nun, die aktuelle Förderpolitik in Abstimmung mit den kommunalen Aufgabenträgern neu auszurichten, um den ÖPNV gemeinsam zukunftsfest zu machen.“

Bereits in seinem Eröffnungsvortrag klang Burkhard Ehlen, Geschäftsführer des u.a. für unseren Landkreis zuständigen Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO), weit weniger optimistisch: „Der Begriff Verkehrswende fällt derzeit häufig und unterstreicht den öffentlichen Wunsch, den ÖPNV zu stärken. Im Gegensatz dazu stehen jedoch

  • eine Raumplanung, die nach wie vor auf das Auto ausgerichtet wird, 
  • steigende Kosten und
  • eine völlig offene Finanzierung des Nahverkehrs.

so wird die Verkehrswende dauerhaft ein Wunsch bleiben.“

Jens Dehnert, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM), ging noch konkreter auf das Kosten- und Finanzierungsproblem ein: „Nur mit einer zukunftsfähigen Sicherung der Finanzierung des ÖPNV ist die Verkehrswende realisierbar.“ Weiterhin beschrieb er die Herausforderungen, vor denen die Regionalverkehrsunternehmen stehen: „Der starke Anstieg der Aufwendungen im ÖPNV und die weitgehende Stagnation der Fahrgelderlöse und Ausgleichszahlungen führen zu einem extremen Anstieg der jährlichen Defizite. Die Aufwandsdeckung verschlechtert sich dadurch sukzessive von Jahr zu Jahr überdurchschnittlich. Flexible Bedienungsformen führen nicht zu einer Kostenentlastung!“

Bert Wendsche, Oberbürgermeister von Radebeul, Vorsitzender des Kreisverbandes des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages betrachtete ebenfalls den finanziellen Aspekt des ÖPNV. Er nannte es eine "Herkulesaufgabe", mit der derzeitigen finanziellen Ausstattung der Kommunen, den derzeitigen Status des ÖPNV überhaupt zu halten. Auch machte er auf ungerechte Anreizsysteme aufmerksam. Am Beispiel des Bildungstickets zeigte er, dass vor alllem Nutzer in Ballungsräumen davon profitieren. Ziel von Anreizsystemen müsste "eine Wirkgerechtigkeit und keine Angebotsgerechtigkeit" sein, damit der ländliche Raum attraktiv bleibt.

Unter dem Eindruck der in den Vorträgen deutlich gemachten schwierigen Ausgangslage ging es in vier Workshops in die vertiefte Diskussion und den inhaltlichen Austausch. Die Workshops gliederten sich in die Themen „Tarif/Netz/Schülerbeförderung“, Ticketvertrieb/Bedienstandards/Fahrgastinteressen“, rechtlicher Rahmen und Finanzierung sowie eine Ideenbörse mit Vorschlägen und guten Beispielen. In jedem Workshop waren Vertreter des VVO, des Landkreises und der VGM als Ansprechpartner anwesend.

Vor dem Hintergrund galoppierender Ausgleichsbedarfe und im Zuge der Haushaltsplanung werden die Kreisräte in der Sitzung des Kreistages im Oktober eher über Kürzungen entscheiden als über eine zukunftsfähige Weiterentwicklung, die Andreas Böhme, Leiter des Kreisentwicklungsamtes im Landratsamt Meißen, in einem sozialen, einem finanztechnischen und ein klimapolitischen Szenario vorgezeichnet hat.

Das Forum hat gezeigt, dass in politischen Reden oftmals an den ÖPNV der Zukunft hohe Erwartungen gestellt werden. Ohne sich drastisch ändernde, vor allem finanzielle Rahmenbedingungen sind sie aber von den Verantwortlichen vor Ort nicht zu erfüllen. Nicht zueltzt die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass eigentlich genügend Geld für alles da ist, was man politisch wirklich will. Die Verkehrswende im ländlichen Raum zu vollziehen gehört, jedenfalls bis jetzt, nicht dazu.

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