Kommunale Spitzenverbände schlagen Alarm

Die Präsidenten des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) und des Sächsischen Landkreistages (SLKT) haben sich am 14.09.2022 mit einem Appell an die Bundes- und Landespolitik gewandt. Angesichts der dramatischen Energiekrise fordern die kommunalen Landesverbände vom Bund und vom Land eine Reihe von Maßnahmen, um deren Auswirkungen auf alle Bereiche des öffentlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens abzumildern. Hier der Appell im Wortlaut:

Strom und Geld - Foto: Maik Schwertle / pixelio.de

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine explodieren die Energiepreise. Eine von fragwürdiger Moral und grüner Ideologie getriebene Bundesregierung verweigert sich vernünftigen Lösungen. Ein geschwächtes Deutschland kann auch der Ukraine auf Dauer kaum helfen. Foto: Maik Schwertle / pixelio.de

Appell der sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise zur Energiekrise

Wir sächsischen Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte stehen in der Verantwortung für unsere Kommunen, unsere Einwohner und unsere ansässigen Unternehmen. Mit größter Sorge blicken wir auf die unsichere Versorgungslage und die enormen Preissteigerungen im Energiebereich sowie die allgemeine Inflation. Viele Privathaushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sowie viele Unternehmen aller Branchen und Größen nähern sich einer existenzbedrohenden Situation. Weite Teile der Gesellschaft blicken in eine unsichere Zukunft. Angesichts der dramatischen Entwicklungen und in Sorge um den sozialen Frieden in unserem Land wenden wir uns mit dem folgenden Appell an die Bundespolitik und an die Landespolitik:

1.
Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist Ursache millionenfachen Leids in der Ukraine, Ausgangspunkt einer bisher ungeahnten Energiekrise in Europa und einer Nahrungsmittelverknappung in Afrika und Asien. Vom ersten Tag des Überfalls standen die sächsischen Kommunen in beispielhafter Weise an der Seite der Ukraine und leisteten Hilfe und Unterstützung. Auch in schier aussichtslos erscheinenden Situationen sollte jedoch der Weg der Diplomatie nicht verlassen werden. Die Bundesrepublik muss sich für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland einsetzen. Frieden in Europa muss stetiges Ziel deutscher Außenpolitik sein. Durch den Krieg ist mit langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Schäden in ganz Europa zu rechnen, deren Ausmaße mit der Kriegsdauer zunehmen. Die Sanktionen müssen von dem Grundsatz getragen sein, dass deren negative Wirkung auf die Länder der westlichen Gemeinschaft geringer sein muss als die Wirkungen gegen Russland.

2.
Es muss ein umfassendes Konzept auf Bundesebene zur Bewältigung der Krisensituation geschaffen werden, welches die Wirtschaft und Bevölkerung insgesamt im Blick hat. Die derzeit stattfindenden erratischen Aktionen zur Abfederung einzelner Gruppen von Betroffenen können das eigentliche Problem nicht lösen, denn dies ist ein Gesamtgesellschaftliches. Ein Herausgreifen einzelner Gruppen von Betroffenen zieht unweigerlich weitere Ungerechtigkeiten nach sich. 2 Stattdessen sollten staatliche Maßnahmen dort ansetzen, wo das Problem entsteht und effektiv beseitigt werden kann (z. B. bei Marktmechanismen oder bei den Gasimporteuren).

3.
Wir teilen das Unverständnis der Bevölkerung darüber, dass einerseits von Bürgern und Wirtschaft ein hoher, teilweise existenzgefährdender Preis abverlangt wird und gleichzeitig von der Politik nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, das Angebot an Energie zu erhöhen. Alle Energieträger müssen herangezogen werden, um diese tiefe Krise zu bewältigen. Dazu zählt, so lange es technisch möglich ist, bestehende Kraftwerkskapazitäten in den Bereichen Kernkraft und Kohle beizubehalten. Wir fordern eine verbindliche Aussage zur Laufzeit der Kohlekraftwerke im Freistaat Sachsen, um der durch den Koalitionsvertrag auf Bundesebene entstandenen Verunsicherung entgegenzuwirken. Es muss an den Vereinbarungen des Kohlekompromisses festgehalten werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung ist zu beschleunigen. Insbesondere sind die Möglichkeiten für die Bereitstellung von Wärme aus den Sektoren der Solarthermie, der Biogasverwertung, der Geothermie und der industriellen Abwärme verstärkt zu nutzen.

4.
Energie muss bezahlbar bleiben. Deshalb fordern wir für einen absehbaren Zeitraum eine Gas- und Strompreispreisobergrenze für alle Verbrauchergruppen. Diese würde für eine Beruhigung des Marktes sorgen, die Kostensteigerungen für Bürger und Wirtschaft auf ein erträgliches Maß dämpfen und gleichzeitig ungerechtfertigte Gewinnsprünge u. a. durch die Entkoppelung von Gas- und Strompreisen (Effekt der Merit-Order) begrenzen. Staatliche Abgaben auf Strom sowie Benzin und Diesel sind auf das europäische Minimum abzusenken.

5.
Notwendig ist ein Konzept zur Unterstützung und Entlastung der Wirtschaft, einschließlich der kommunalen Unternehmen und Stadtwerke. Es müssen die notwendigen Instrumente vorgehalten werden, um kurzzeitige wirtschaftliche Verwerfungen überbrücken zu können. Änderungen am Insolvenzrecht wie z. B. ein Insolvenzmoratorium und staatliche Bürgschaften auch für kommunale Unternehmen sind hier geeignete Mittel.

6.
Wir verstehen all diejenigen, die sich um die Zukunft ihrer Familien, ihrer Unternehmen und unserer Gesellschaft sorgen. Von Bund und Land erwarten wir eine transparente Kommunikation zur aktuellen Lage und den kurz- und mittelfristigen Entwicklungen. Die Menschen müssen offen darauf eingestellt werden, was sie erwartet und mit welcher Hilfe sie vom Staat rechnen können.

7.
Wir Kommunen sind uns unserer Verantwortung bewusst, auch in dieser schwierigen und allseits belastenden Situation den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Funktionieren des Gemeinwesens vor Ort zu organisieren. Dieser Verantwortung wollen und werden wir uns stellen. Um dies jedoch kraftvoll leisten zu können bedarf es einer flankierenden Anpassung des landesrechtlichen Handlungsrahmens sowie angesichts der drohenden massiven kommunalen Zusatzbelastungen (Energie- und Sozialkosten sowie massive Steuerausfälle) einer finanziellen Unterstützung.

8.
Auf Landesebene ist ebenfalls ein Krisenbewältigungskonzept erforderlich, das mit den beiden kommunalen Landesverbänden abzustimmen ist. Dieses Konzept muss sich u. a. mit möglichen Versorgungsausfällen bei Gas und Strom, mit der Erhaltung kritischer Infrastruktur und mit dem Schutz vulnerabler Gruppen beschäftigen. Erforderlich ist ferner die Koordination durch die oberste Katastrophenschutzbehörde.

[Hervorhebungen durch die Redaktin] Original (PDF)