Sonderausstellung "Witz und Wirklichkeit – Die Welt des Frank Kunert" eröffnet

Mit einer Vernissage wurde am Freitag, dem 24. September, an Frank Kuhnert, den diesjährigen Zillepreisträger, die Auszeichnung übergeben und zugleich die ihm gebührende Sonderschau eröffnet.

Preisträger Frank Kunert mit dem Sieger-Werk des Wettbewerbes „Schluss mit lustig!“, Urkunde und Pokal. Foto: Mario Süßenguth, Bearbeitung: Ideenwerk

Der mit eintausend Euro dotierte Kunstpreis der Zille-Geburtsstadt Radeburg und der Galerie Komische Meister Dresden wurde jetzt nach einer durch Corona erzwungenen Pause vergeben. Zugleich sind bis 9. Januar 2022 im Heimatmuseum Radeburg rund 60 exklusive Arbeiten des Preisträgers zu sehen.

Frank Kunert baut für seine satirischen Fotos aufwändige Miniatur-Modelle, die er kunstvoll in Szene setzt und ablichtet. Seine böse-humorvollen Werke spotten über baulichen Irrsinn, beispielsweise eine Kinderrutsche, die auf eine Autobahn mündet, einen Brückenpfeiler, der als Einfamilienhaus dient oder ein Bett mit integriertem Büroschreibtisch.

Frank Kunert, Jahrgang 1963, stammt aus Rheinland-Pfalz und hat sächsische Wurzeln, mit Familienbezügen nach Dresden und Leipzig. Für seine satirische Kunst erhielt Kunert einen renommierten Preis in New York und den Deutschen Fotobuchpreis in Silber.

Mit seinem Werk „Hoch hinaus“ hat Frank Kunert den Heinrich-Zille-Karikaturenpreis 2021 gewonnen, das Motto hieß „Schluss mit lustig!“. Sponsor des mit 1.000 Euro dotierten Hauptpreises ist das auch in Radeburg ansässige Bestattungsunternehmen ANTEA.

Der Titel der aktuellen Radeburger Schau lautet "Witz und Wirklichkeit – Die Welt des Frank Kunert". Sie ist bis 9. Januar 2022 im Museum der Stadt zu sehen, das sich mit einem eigenen Heinrich – Zille – Kabinett der Erinnerung an den berühmten Sohn der Stadt widmet.

Über den Preisträger berichtete der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) in den TV-Beiträgen

Verkehrte Welt - Fotografien von Frank Kunert und
Fotograf Frank Kunert erhaelt Heinrich-Zille-Karikaturenpreis.

Heimatmuseum Radeburg
Heinrich Zille-Straße 9
01471 Radeburg
Telefon: 035208/ 96175  
E-Mail 
www.museum.radeburg.de

Frank Kunert nimmt den Witz ernst

Laudatio von Mario Süßenguth

Wer Frank Kunert nicht kennt und zuerst einmal nur sein phantastisches Werk erlebt, das voller schräger, dunkler Komik steckt, der fragt sich: Was mag das wohl für ein Mensch sein, ein Kauz vielleicht, ein scheuer Eigenbrötler?

Ein Mensch, der Bilder entwirft, auf denen eine Kinderrutsche direkt auf eine Autobahn mündet. Oder in einen Raubkatzenkäfig, mit Raubkatze drin. Oder der den Betonpfeiler einer Autobahnbrücke zum zweigeschossigen Wohnhaus umwidmet, vorneraus mit Briefkasten, hintenheraus mit Balkon – „Gute Verkehrsanbindung!“, würde ein Makler zynisch dafür werben!

Frank Kunert ist dieser Mensch, der sich das ausdenkt und der solche Ideen als Kunstwerk verwirklicht. Und er ist, zum Glück, ein fröhlicher Mensch und ein Menschenfreund.

Das weiß man und das merkt man, sobald man ihn persönlich kennen lernt, schon am Telefon, jetzt Aug in Aug. Also, Entwarnung: Frank Kunert kein verbiesterter Einzelgänger, der sich zynisch mit seiner Kunst von der Welt abwendet und sich mit bösen Bildern rächen will. Im Gegenteil: Frank Kunert kommentiert die Welt mit klugem Humor. Das Beste, was einer tun kann, in irren Zeiten wie diesen.

Frank Kunert nimmt das Leben und die Welt um sich wahr mit einem sehr speziellen Schalck im Nacken. Es ist in seinem Werk kein rheinischer Humorist zu vernehmen, was durchaus naheläge – denn Frank Kunert lebt am Rhein. Doch Frank Kunerts Humor geht viel tiefer als der eines Elferrats, ist philosophischer, hintergründiger, abseitiger und manchmal auch bösartiger als die oft angeblich locker-leichte Unterhaltungs-Heiterkeit.

Frank Kunert nimmt den Witz ernst. Er entwirft als Bühne für seinen absurden Spaß die Wirklichkeit neu. Er baut sie nach, als Modell im Studio, ist ein präziser Schöpfer seines Universums, das dem anderen, echten Universum – unserem Universum – sehr ähnlich ist, aber bei dem eben immer eine Kleinigkeit ganz anders ist, und irgendwie doch unheimlich vertraut.

Das Bild, das Werk, mit dem Frank Kunert den Heinrich-Zille-Karikaturenpreis 2021 nach Jury-Entscheid gewonnen hat, zeigt einen Treppenlift, eine Treppenliftanlage in einer Villa aus der Wende zum 20. Jahrhundert vielleicht. Geschwungene Holztreppe zur Galerie, große Fenster – und dann der Treppenlift aus der Jetztzeit. Ein Lift wie ein Sessel, das kennen wir aus der Reklame, ich kenne so etwas jedenfalls bislang nur aus der Reklame. Und dieser Treppenlift besitzt eine Schiene, die durch das geöffnete Fenster führt, in den Himmel, in die Wolken hinein. „Hoch hinaus“ heißt das Bild. Es passt zum Motto unseres aktuellen Wettbewerbs: „Schluss mit lustig!“, freundlicherweise großzügig unterstützt von ANTEA, einem Bestattungsunternehmen, das auch hier in Radeburg ansässig ist. Vielen Dank für diese Unterstützung!

Frank Kunert zeichnet oder malt diese, seine Welt nicht. Er modelliert sie, als Miniatur, wie ein Puppenstubenbauer oder wie ein Modellbahnfreund – nur verfolgt er mit seinen Kleinstwelten keine biedermeierliche Idylle. Er will uns stattdessen verblüffen und täuschen mit seinen Bauwerken. Alles sieht so echt aus, als hätte ein Konstrukteur eine neue Maschine entworfen oder ein Architekt ein neues Wohngebiet.

Da ist der Wohnblock mit Balkon – nur ist der immer an der Seite, wo gerade kein Fenster mit Tür eingelassen ist.

Oder das Hotel, ein Betonkubus auf einem stielähnlichen Fuß, offenbar nur durch Gittertrittstufen von unten durch den Fußboden zu erreichen. Haben wir das irgendwo so schon mal gesehen, in der Wirklichkeit? Oder war das ein Traum, ein Alptraum?

Wie Frank Kunert auf seine surrealen Ideen kommt, hat gewiss viel mit genauer Beobachtung seiner Umgebung zu tun. Hinsehen, phantasievoll weiterdenken, übertreiben – so machen es auch die besten Künstler, die besten Karikaturisten, die mit dem Zeichenstift arbeiten. Nur sind die oft schneller – und wenn ein Witz nicht zündet, dann rasch das nächste Blatt für den nächsten Gag, manchmal wie am Fließband.

So arbeitet Frank Kunert nicht. Er baut tagelang, wochenlang, monatelang an seinen Miniaturen, kauft im Baumarkt und im Künstlerbedarf ein, auch mal im Lebensmittelladen – denn Speisesalz gibt den besten Schnee für seinen manchmal frostigen Kosmos.

Frank Kunert will genau arbeiten, damit sein wunderbarer Schwindel möglichst spät auffliegt. Die Autobahn muss nach Autobahn aussehen; die Kirche, die plötzlich zum Parkhaus voller Autos wird, muss nach einer echten Kirche aussehen; die urige holzvertäfelte Kneipe mit dem Stammtisch, an dem jeder seine eigene, kleine abgetrennte Zelle hat – das muss den Betrachter so täuschen, damit er es glaubt, damit er staunt und lacht – und darüber nachdenkt, wie weit es die Menschen treiben mit ihrer oft selbstverordneten Einsamkeit oder auch mit dem Wahnwitz beim Wohnen – etwa, wenn Frank Kunert das Miniappartement mit allem ausstattet, was man so braucht: Bett und Klo und Kochzeile und Waschbecken und Regal – nur dass dieses Ein-Zimmer-Kabuff dazu nötigt, nahezu im Stehen schlafen zu müssen. Die folgerichtige Zuspitzung der heute vielfach propagierten Tiny-House-Idee.

Frank Kunerts allergrößte Kunst besteht schließlich aber darin, diese sorgsam mit Pinsel, Farbe, Pinzette und Leim errichteten Modelle in seinem Atelier, in seinem Studio absolut perfekt in Szene zu setzen: mit dem richtigen Blickwinkel, mit dem richtigen Licht, mit dem perfekten Hintergrund. Hier leistet Künstler Kunert ein weiteres Mal millimetergenaue Arbeit, die in große Kunst mündet.

Frank Kunert ist Jahrgang 1963, geboren in Frankfurt/Main, aufgewachsen im Rhein-Maingebiet, heute in Boppard am Rhein siedelnd,  mit seiner lieben Ehefrau Elizabeth Clarke, sie ebenfalls der Fotokunst verpflichtet.

Eben die Fotografie hat Frank Kunert zuerst gepackt, das hat er nach dem Abitur als Beruf gelernt. Landschaften waren zunächst das Motiv. Dann wird der Humor durchgebrochen sein, den er immer schon gehabt haben muss – die Gabe dafür ist den meisten Genies auf diesem Gebiet schon sehr früh gegeben.

Bücher mit seinen Werken sind erschienen, die übrigens fast überall auf der Welt in vermeintlich modernen, oft den westlichen Gesellschaften ihre Wirkung entfalten. Zeitschriften schmücken sich gern mit seinen Fotos.

Und Preise hat er bekommen: eine Medaille in New York, den Deutschen Fotobuchpreis in Silber – und jetzt den Heinrich-Zille-Karikaturenpreis, gemeinsam vergeben von der Stadt Radeburg, von der Galerie Komische Meister Dresden und unseren Sponsoren, zu denen auch das Ideenwerk Radeburg gehört.

Bleibt die Frage: Was hat Frank Kunert eigentlich mit Heinrich Zille zu tun? Die große Gemeinsamkeit: Zille fotografierte ebenfalls. Der große Unterschied: der Mensch. Ohne Menschen wäre Zilles Werke nicht denkbar. Kunert dagegen kommt völlig ohne sie aus in seinem Oeuvre, zumindest in der direkten Darstellung. Doch bei beiden, bei Zille und Kunert, blicken wir in menschengemachte Abgründe – denen letztlich doch auch Komik abzugewinnen ist.

Lieber Frank Kunert, ganz herzlichen Glückwunsch zum Heinrich-Zille-Karikaturenpreis 2021!