Radeburg: Archäologen blicken tiefer

Noch bis Ende September "dürfen" sie: die Archäologen nutzen regelmäßig die Erschließung von Bauland, um nach "Schätzen" zu graben - nicht nach Schätzen, die Jack Sparrow interessieren könnten, aber solche, die für die Erforschung der Geschichte unserer Heimat bedeutend sein könnten.

Gebietsreferentin Meißen Patricia Van der Burgt, Grabungsleiterin Susanne Koch, und Mitarbeiter Rainer König um Sächsischen Landesamt für Archäologie (v.l.)

Bis Ende September mit den Ausgrabungen beschäftigt: Gebietsreferentin Meißen Patricia Van der Burgt, Grabungsleiterin Susanne Koch, und Mitarbeiter Rainer König um Sächsischen Landesamt für Archäologie (v.l.)

Die Ausgrabungsstätte

Die Ausgrabungsstätte an der Großenhainer Straße. Die sich deutlich abzeichnenden dunklen Flächen auf dem ansonsten homogenen Sandboden sind möglicherweise Siedlungsreste.

Das als Nieder-Hufen bezeichnete Gebiet nordwestlich von Radeburg

Das als Nieder-Hufen bezeichnete Gebiet nordwestlich von Radeburg; Bildquelle (Karte): Stadtarchiv Radeburg

Radeburg hat aufgrund der Zuwanderungswünsche von immer mehr Fachkräften für die großen Radeburger Unternehmen nicht mehr genügend Wohnraum. Deshalb wurde im September 2017 der Beschluss gefasst, ein neues, rund 3 Hektar großes Wohngebiet mit 40 Baugrundstücken auszuweisen. Für das Flurstück an der Großenhainer Straße, nördlich des Rödergrabens, wurde Ende 2019 die Planfassung beschlossen und im Februar dieses Jahres der Bebauungsplan erstellt. Nun ging es noch um den Namen. Im städtischen Archiv wurde die Verwaltung bei einer Karte aus dem Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts fündig, auf der das neue Wohngebiet mit „Nieder - Hufen“ bezeichnet wurde. Die Karte wurde mit Bezug auf eine Verordnung des Sächsischen Ministeriums des Innern von 1927 erstellt, in der bereits damals die Erhaltung alter Flurnamen empfohlen wurde. „Nun hat es zwar fast noch einmal 100 Jahre gedauert, bis die Wiederbenennung Realität wurde, aber immerhin haben wir nun die Forderung aus dem Jahr 1927 endlich erfüllt,“ erklärte Bürgermeisterin Ritter in der Stadtratssitzung am 28. Mai.

Als „Hufe“ bezeichnete man im Mittelalter landwirtschaftlichen Grundbesitz eines Bauern oder der Allgemeinheit, später wurde es eine Maßeinheit, die im sächsischen Raum etwa 20 ha entspricht. Da hier von Nieder-Hufen in der Mehrzahl die Rede ist und schon eine Hufe um ein Vielfaches größer wäre als das bezeichnete gebiet, ist aber anzunehmen, dass damit einfach Landbesitz gemeint war, der „unterhalb“ der übrigen Stadt liegt. Ob dazu auch Gehöfte gehörten, sollte sich bei den Ausgrabungen eventuell zeigen.

Im August begann die Erschließung. Nach dem Abtragen des Mutterbodens, waren sogleich die Archäologen dran.

RAZ war vor Ort und fragte nach, ob man bei der „Schatzsuche“ schon fündig geworden sei. Patrizia Van der Burgt, Gebietsreferentin für den Landkreis Meißen beim Sächsischen Landesamt für Archäologie konnte schon auf einen Fund von Keramik, vermutlich aus dem 13. Jahrhundert, verweisen, zerstreute zu große Erwartungen. Man habe keine dazu passenden baulichen Strukturen vorgefunden, so dass es sich bei den Fundstücken eher um hier entsorgten Abfall handeln dürfte.

Anhand des ansonsten eher sandigen Bodens wurden bei den Arbeiten schnell einige Bereiche entdeckt, die eine auffällige Verfärbung zeigten. Nahe der Großenhainer Straße wurde Schlacke gefunden, die auf die Verhüttung von Eisenerz hindeutet. Damit sollten sich die Funde frühestens in die Eisenzeit (ab 800 vor Christi) einordnen lassen und sind damit bedeutend jünger als die Funde, die auf dem ehemaligen so genannten „Heidenfriedhof“ gemacht wurden. Die beim Bau der Schmalspurbahn-Nebenstrecke zu den Ziegeleien, um 1900, auf der Fläche des heutigen Mitras-Geländes entdeckten Grabgefäße stammen aus der Bronzezeit und sind über 4000 Jahre alt.

Außer den Schlackeresten sind einige dunkle, zirka 5 m² große rechteckige Flächen erkennbar, die sich deutlich vom sandigen Boden abheben. An einer dieser Flächen sind auch Reste von Ton erkennbar. So richtig zu deuten sind diese Flächen nicht, die Reste kleiner Behausungen, Ställe oder Lagerräume sein könnten.

Noch bis Ende des Monats haben die Archäologen Zeit, hinter die Geheimnisse der Nieder-Hufen zu kommen. „Dann müssen wir zumindest die Wege für die Baufahrzeuge frei machen,“ sagt Patricia Van der Burgt. „Wenn wir noch auf etwas Interessantes stoßen, sollte es aber kein Problem sein, es so einzurichten, dass die Fahrzeuge herumfahren können.“ Bei dieser Gelegenheit bedanken sich die Gebietsleiterin und ihre Kollegin, die Grabungsleiterin Susanne Koch, ausdrücklich bei der Bürgermeisterin Michaela Ritter und dem Bauamtsleiter, Mathias Kröhnert.

Die im Denkmalschutz schwammig geregelte Kostenübernahmeverpflichtung für Bauherren, in dem Fall für die Stadt, war jedenfalls kein Thema. Die Stadt hat diese Kosten übernommen und darüber hinaus auch jegliche Unterstützung gegeben.