Heimatmuseum Radeburg: Sonderausstellung 60 Jahre Narrenpolizei

Seit wann genau gibt es die närrische Justiz und seit wann genau gibt es die Narrenpolizei? Wann trat sie aus der Rolle der Greifer heraus und wurde zum Mitgestalter der närrischen Höhepunkte? Was waren die unvergesslichen Momente der Radeburger Narrengeschichte, die die Gestiefelten mit Rum und Ehre bekleckerten? All das kann man in der Sonderausstellung erfahren, mit der die Narrenpolizei durch die Bürgermeisterin anlässlich der Jubiläumsfeier im „Deutschen Haus“ am 28. Februar dieses Jahres ausgezeichnet wurde.

Es steht dazu nichts in den Akten des RCC – und doch ist aus einer „Sekundärquelle“ und durch Zeitzeugen bekannt, dass das erste Narrengericht zum ersten Mal in der 3. Saison, am 28. Februar 1960, stattfand. Belegt ist dies durch einen einzigen Satz in den „Sächsischen Neuesten Nachrichten“ (SNN) aus jenen Tagen, in denen geschrieben steht, dass der Elferrat dem Rat des Bezirkes Verpflichtungen zu freiwilliger kostenloser Aufbauarbeit übergab und dass sich danach die ganze Stadt ausgelassener Fröhlichkeit hingab, wobei „ das ulkige Schnellgericht mit seinen Geldbußen für zahlungskräftige Bürger zum Lustbarkeitsfonds beisteuerte.“

Mit dem darauffolgenden Satz beschert uns der Verfasser auch gleich noch eine zeitliche Einordnung der Veranstaltung – nämlich vor dem Umzug, der sich offensichtlich anschloss: „Ein origineller Festzug, an dem sich Schulen, Organisationen und Betriebe beteiligten, hatte auch viele Fremde in die bunt-geschmückte Stadt gelockt, die mit vielen Veranstaltungen noch bis spät in die Nacht eine Stätte des Trubels und der Fröhlichkeit war.“ Danke, lieber unbekannter Meister der schreibenden Zunft, für die erste „urkundliche Erwähnung“ eines Narrengerichtes – wenn es auch „nur“ ein Schnellgericht war. Durch Zeitzeugen wissen wir allerdings nun auch, dass das erste Narrengericht der Ex-Prinz Dr. Otto Panknin abhielt.

Das „Stammlokal“ der Närrischen Justiz war die „Scharfe Ecke“ – das ist das Gebäude auf der Dresdner Straße an der Einmündung der Klostergasse – gegenüber von Keiligs Weinstube oder dem Stadtcafé – je nachdem, von wo man guckt.

Zwei Gardemädels von damals, Ingeborg (Arlt) Beer und Hannelore (Teuchert) Georg, erinnern sich, dass sie dort am Eingang unter Führung von Gardemajor Günter Weiß beim Eintreffen des Narrenrichters Spalier standen. Eingefangen wurden die Delinquenten unter anderem mit der „grünen Minna“ – ein Auto des Fuhrbetriebs Ernst Fehrmann. Kurt Georg erinnert sich, dass beim ersten Narrengericht auch Arthur Handrich und Alfred Stähnig mitwirkten. Alfred Stähnig taucht auch ein Jahr später in einer Anwesenheitsliste mit dem Vermerk „Narrenpolizei“ auf, aber eben erst ein Jahr später. Als Gründungssaison für die gesamte Närrische Justiz darf die 3. Saison aber auf jeden Fall gelten.

Warum wurden dann die Jubiläen z.B. in der 22., 32., 52. Und 62. Saison gefeiert – und nicht ein Jahr später? „Wir haben immer die Gründungssaison als Saison 1 mitgezählt und danach war das Jubiläum auch immer ein Jahr früher,“ erklärt Ehrenpräsident Henry Hasenpflug auf Nachfrage. Ja, und das wurde auch bei der bereits ein Jahr zuvor gegründeten Garde so gemacht.

Ehe die Narrenpolizei etwas mehr wurde als ein lose zusammengewürfelter Haufen. Präsident Gerhard  Ulbrich beklagte sich in einem Brief an Werner Kuntzsch, dass die Narrenpolizisten unzuverlässig seien. „Einige haben uns vor zwei Jahren dann sitzenlassen.“ Die Narrenpolizisten sollten auch „möglichst nicht gar zu jung“ sein und es könnten „eventuell auch Frauen sein. ‚Urviecher’ hauen aber am besten hin,“ schrieb Ulbrich. Diese „Urviecher“ waren dann Alfred Weser, Arno Schmidt, Otto Ammerer und Helmut Lucke. Aber auch sie mussten mehr überredet als überzeugt werden, waren noch nicht die Zickezacke-Jungs mit ihren schnieken Uniformen.

Richtig eingekleidet wurde die NP erstmals in der 8. Saison. Aus dem aufgelösten Fundus des Metropol-Theaters gab es die ersten „eigenen“ Uniformen, die man nicht aus dem Kostümverleih ordern musste. Die Begeisterung bei der Narrenpolizei war nicht ganz so groß wie bei den Einkäufern, deren Namen wir leider nicht wissen. Die grünen Karabinieri-Uniformen schienen nur Kleinwüchsigen zu passen. Die Jacken reichten nur „bis knapp unter die Brustwarzen,“ so dass die Änderungsschneiderei noch allerhand zu tun hatte. Wegen der Uniformen gab es trotzdem ständig Stress.

Unter anderem weigerten sich Henry Hasenpflug, Manfred Kleinichen, Manfred Gottschalk, Ernst Richter und Wolfgang Tietze, diese „Krücken“ anzuziehen.

In der 18. Saison reichte es dem Präsidenten dann und er ließ Uniformen aus Ziegenleder anfertigen, 40 Mark das Stück. Am 4. Februar 1975 war dann die Truppe waren aus seiner Sicht endlich zufriedenstellend eingekleidet.

Zufriedenstellend? Nun, auch das ist relativ. Henry Hasenpflug erinnert sich, dass die Teile „bestialisch gestunken“ 8a haben und selbst in ihrem ersten Narrenpolizei-Lied haben sie dies besungen: Nach der Melodie der „Alten Rittersleut“ sangen sie:

Möcht’ e Polizeier küssen,
muß er seine Jacke missen.
Denn die Uniform, die stinkt
erbärmlich und die Schöne nicht mehr winkt.

Alle Uniformen sind in der Ausstellung zu besichtigen.

In jener 18. Saison formierte Henry Hasenpflug die Truppe erstmals richtig militärisch – mit Dienstgraden, Disziplin und Ordnung, oder wie der Slogan der Ausstellung im Heimatmuseum lautet: „Wie man uns kennt – brav und gekämmt…“ Selbst wurde Henry  vom Präsidenten zum Narrenpolizeihauptmann ernannt, Manfred Kleinichen als sein Stellvertreter und Nachfolger wurde Oberkorporal, die anderen nannten sich Gemeine oder – die Taufrischen – Anwärter. Wer ausschied, wurde Ehrenkorporal. Zur Festigung der Kameradschaft wurde u.a. jährlich ein Vogelschießen durchgeführt, das bis heute fester Bestandteil im Narrenpolizei-Kalender ist. Und Orden gab es. So gab es zum Beispiel für hervorragende Verdienste bei der Vernichtung von Alkohol den Maikäferorden. Auch der wird zu sehen sein.

Doch es war dann erst die 21. Saison, die als die „Saison der Narrenpolizei“ bezeichnet werden könnte. Henry Hasenpflug wurde als Henry I. mit seiner Lieblichkeit Beate I. zum Prinzenpaar der Saison und zog erstmals die ganze Narrenpolizei zum Bühnenauftritt heran. Die „schlug ein“, so dass von nun an die Truppe nicht mehr aus dem Programmgeschehen wegzudenken war – so wie es heute noch ist.

In der Wendezeit war es dann auch einer aus der Narrenpolizei, nämlich Hauptmann Olaf Häßlich, der den Niedergang des Radeburger Volkskarnevals stoppte und mit ein paar ehemaligen Gardemädels und Narrenpolizisten eine „närrische Wende“ durchführte und der, nachdem es seit der 32. Saison keinen Umzug mehr gegeben hatte, in der 36. Saison (1993) wieder einen Umzug auf die Beine brachte. Peter Weiß wurde neuer Hauptmann der Narrenpolizei und führte die Truppe 12 Jahre, bevor ihm Ralf Leuschner und schließlich Lars Dickhut folgten.

Unter Lars Dickhuts Leitung wurde das Niveau der Bühnenauftritte noch mal deutlich angehoben. Mit seinem Faible für Choreographie und dem Spürsinn dafür, was beim närrischen Publikum ankommt, wurden auf das Megazelt angepasste Nummern einstudiert, die immer wieder durch Zugaben bestätigt wurden.

Auch die Reloaded Party für junge Leute anstelle der 4. Prunksitzung ist auf dem Mist der Narrenpolizisten gewachsen und wird sich in der Ausstellung widerspiegeln. Ebenso wie der Ehrenorden des VSC in Silber, den die NP zum Jubiläum überreicht bekam. Es ist sicher nicht alltäglich, das eine einzelne Abteilung eines Vereins so ausgezeichnet wird.

Narrenpolizeihauptmann Lars "Dixen" Dickhut wird am Freitag, dem 28.6., gemeinsam mit Bürgermeisterin Michaela Ritter die Sonderausstellung eröffnen.