Fleischerei Schempp übernimmt Geschäft am Radeburger Markt

Die Fleischerei Schempp war in Radeburg schon einmal pro Woche mit einem Verkaufswagen präsent. Nach Eröffnung von Filialen in Ottendorf und Königsbrück fiel der Wagen weg. Nun nutzt Fleischermeister Christoph Schempp die Gelegenheit und übernimmt den frei gewordenen Laden am Markt. Was genau ihn zu dem Schritt bewogen hat und was er anders machen will als sein Vorgänger, dazu fragte RAZ den Tauschaer Fleischermeister.

Fleischerfachgeschäft am Markt

In diesem Geschäft werden ab November wieder Fleisch- und Wurstwaren verkauft. Auch ein Imbiss ist wieder dabei – jedoch wird einiges anders sein.

Rinder der Agrargenossenschaft Cunnersdorf auf der Weide

Rinder der Agrargenossenschaft Cunnersdorf auf der Weide

RAZ: Sie übernehmen ab 3. November die Fleischerei Richard Klotsche. Im Kapitalismus ist es doch eigentlich so, dass der Größere den Kleineren schluckt?

Schempp: Das ist nicht die Frage. Ich übernehme ja nicht die ganze Fleischerei, sondern nur den Marktladen und zwei der Verkäuferinnen. Damit der Eindruck eines „weiter so“ unter anderem Namen gar nicht erst entsteht, bringe ich aber eine neue Mitarbeiterin mit nach Radeburg.

RAZ: Schätzen Sie, dass das Geschäft in Radeburg unter Ihrer Regie besser laufen kann?

Schempp: Ich würde nicht sagen: besser. Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen, sondern das ist immer eine Entscheidung der Kunden. Die Fleischerei Klotsche war eine große Traditionsfleischerei in der Region und die Fleischer geschätzte Kollegen mit guten Produkten, aber wir sind stets unseren eigenen Weg gegangen ohne immer zu schauen, was andere Kollegen machen. Ich kann aber sagen, dass wir uns auf regionale Produktion konzentrieren und der Absatz fast ausschließlich über die eigenen Läden läuft. Wir haben nur wenige Großabnehmer, die unsere Ware so schätzen, dass wir hier nicht in einen für uns am Ende eher ungesunden Preiskampf treten müssen.

RAZ: Der eigene Weg – wie konkret wird der in Radeburg sichtbar werden?

Schempp: Bezogen auf den Marktladen werden wir den Verkaufsbereich und den Imbissbereich trennen. Damit haben wir schon in Radebeul gute Erfahrungen gemacht. Im bisherigen Verkaufsbereich wird die Theke vergrößert und dafür werden die Stehtische dort abgeschafft. Im zweiten Raum, der auch zuletzt schon der Einnahme von Speisen diente, wird komplett die Essenausgabe erfolgen. 2003 Haben wir uns als erstes einen Verkaufswagen zugelegt, um im wortwörtlichen Sinn den Kunden entgegenzukommen, die trotz des größer gewordenen Discounter- Netzes für handwerklich produzierte Fleisch- und Wurstwaren auch einen etwas höheren Preis zu zahlen bereit sind. Uns war klar, dass das keine Massenkundschaft sein würde. Erst 2012 wagten wir den Schritt, eine erste Filiale zu eröffnen. Das war in Radebeul. Dort konnten wir erstmals mit unseren Spezialitäten punkten und auch anspruchsvolle Kundschaft für uns gewinnen. Auf dieser Basis konnten wir 2017 die Filiale in Ottendorf-Okrilla und 2018 eine weitere in Königsbrück eröffnen. Dazu war es zunächst notwendig, unsere Produktion zu erweitern. Wir haben uns vor fast 30 Jahren entschieden, trotz der Konkurrenz großer Schlachtbetriebe, zumindest Schweine, Kälber und Lämmer selbst zu schlachten und auch unser Wild direkt vom Jäger zu beziehen. Um diesem Anspruch auch für alle Filialen weiter gerecht zu werden kam also die Erweiterung. Um die neuen Filialen ausreichend beliefern zu können, stellten wir gleichzeitig den Vertrieb über unseren Verkaufswagen ein, was vor allem in Radeburg, so haben wir immer wieder gehört, sehr bedauert wurde. Wie steht es ums Tierwohl?

RAZ: Wie wird bei Ihnen geschlachtet? Es gibt ja immer wieder die teilweise ideologisch aufgeladene Diskussion, welche Schlachtungsart dem Tierwohl am nächsten kommt – bis hin zu der Aussage der Vegetarier und Veganer: gar keine…

Schempp: Das ist der Zeitgeist. Den muss man zur Kenntnis nehmen, aber es ist ja noch lange nicht so, dass gar kein Fleisch mehr nachgefragt wird. Viele greifen nach wie vor zu Fleisch und Wurst aus dem Supermarktregal, aber wer es sich leisten will und kann, dem liegt auch das Tierwohl am Herzen und er zahlt den dafür notwendigen höheren Preis. Es hat sich in den letzten Jahren schon abgezeichnet, dass vom Fleischerhandwerk nur diejenigen übrigbleiben, denen das Tierwohl nicht gleichgültig ist, und zwar über das gesamte Tierleben hinweg und nicht erst bei einer schmerzfreien Tötung. Wir schlachten mit der so genannten Betäubungszange, ein elektrisches Gerät, das Stand der Technik ist und wo bei korrekter Anwendung das Tier nicht leiden muss. Es kommt aber auch hier darauf an, dass der Schlachter sein Handwerk präzise ausführt und das Gerät in einem soliden gewarteten Zustand ist.

RAZ: Untersuchungen haben ergeben, dass besonders dort, wo industriell geschlachtet wird, sowohl handwerkliche als auch technische Mängel gehäuft auftreten. Die Politik geht verstärkt gegen die so genannten „schwarzen Schafe“ bei den Schlachthöfen vor, so dass auch diese mehr und mehr dazu gezwungen werden, im Sinne des Tierwohls anders zu arbeiten. Läuft das nicht am Ende darauf hinaus, dass auch im Supermarkt eines Tages nur noch Bioqualität zu haben sein wird?

Schempp: Bio hat nicht vordergründig etwas mit der Schlachtung zu tun, sondern mehr mit der Art und Weise der Tierhaltung. Bio- Tierhaltung ist ressourcenintensiv in Bezug auf Platz und hochwertigem Futter. Abgesehen vom Preis stellt sich schnell die Frage, ob wir dann alle Menschen auf der Erde auf diese Weise versorgen können.

RAZ: Worum geht es bei Bio? Das wird oft nicht hinterfragt. Eine Tierärztin erklärte mal, als es um die nachfolge der KIM-Produktion um Radeburg ging, dass das Ei aus Käfighaltung, das nach dem Legen gleich aufs Förderband fällt, für den Verbraucher ein viel geringeres Infektionsrisiko darstellt, als das kotbeschmierte Ei des glücklichen Huhns aus der Bodenhaltung. Das sorgt für einen Aufschrei der Moralisten, die gern etwas mehr für das glückliche Huhn zahlen, aber gesünder für sie selbst ist es nicht.

Schempp: Ich frage mich auch manchmal: was steckt denn hinter den vielen verschiedenen Biosiegeln oder mittlerweile den Haltungsklassen der Supermärkte? Wer ist dabei Kontrollorgan und welche Anforderungen haben die einzelnen Siegel, bei denen der normale Verbraucher fast gar nicht mehr durchsieht. Ich bin der Meinung, wenn wir konventionelle Haltung verbessern, wie durch mehr Platz für die Tiere, keinen Einsatz von Antibiotika, kleinere Stalleinheiten und andere Haltungsformen wie Freilauf oder Strohhaltung und das ehrlich unseren Kunden vermitteln können, dann haben wir mehr erreicht, als eine Vielzahl von Siegel es tun. Wir wollen das Tierwohl im Auge haben und zugleich eine hohe Fleischqualität. Im Freiland gehaltene Rinder und Schweine haben vergleichsweise viel Bewegung, was zur Folge hat, dass sie sehr muskulös sind und ihr Fleisch dann trockner und zäher ist. Die Rinder, die wir von der Agrargenossenschaft Cunnersdorf beziehen, werden vor der Schlachtung noch eine gewisse Zeit im Stall auf Stroh gehalten, um die gewünschte Menge Fett anzusetzen. Das ist ein guter Kompromiss. Es sind speziell für die Fleischgewinnung gezüchtete Tiere. Sie bieten eine Fleischqualität, die das verbreitete, für die Milchproduktion gezüchtete Schwarz Bunte bzw. Holsteinrind nicht bieten kann. Regional ist nicht gleich regional

RAZ: Die kleinen Erzeuger und Direktvermarkter haben lange Zeit dem Druck der Discounter widerstehen können mit dem Argument der Nachvollziehbarkeit der Lieferketten, die sie vor allem als Vorzug der regionalen Erzeugung verstanden. Inzwischen ist die Nachvollziehbarkeit Gesetz und die Discounter werben auch mit dem Label „Aus Ihrer Region“. Was kann man dem noch entgegensetzen?

Schempp: Mit der Nachvollziehbarkeit ist das so eine Sache. Es ist derzeit, wenn überhaupt, nur das Land der Haltung und Schlachtung zu benennen. Das ist nicht, was wir unter Regionalität verstehen. Für uns ist auch ein Großbetrieb im Vogtland nicht unbedingt das, was wir regional nennen würden, wenn dort industriell produziert wird. Wir haben große Investitionen für unsere EU-Zulassung auf uns genommen und nehmen auch 20-mal höhere Beschaugebühren als industriell arbeitende Fleischereien in Kauf. Sodass wir allein durch die vom Gesetzgeber auferlegten Gebühren niemals mit den Preisen der Industrie mithalten können. Dies war aber auch nie unser Ziel. Wir wollten regionale Kreisläufe schaffen, die Landwirte in der Region unterstützen und die volle Kontrolle vom Schlachtprozess bis zur fertigen Wurst haben. Das ist unser Verständnis von Regionalität. Was ist ökologisch?

RAZ: Eine weitere, vielleicht moralisierende Frage ist die nach der Ökobilanz, die gern zu Ungunsten des Fleischkonsums ins Feld geführt wird.

Schempp: Wie gesagt, es werden nicht von heute auf morgen alle Menschen Veganer sein und es ist auch noch nicht entschieden, ob die Ökobilanz von Tofu wirklich so viel besser ist, wenn für die steigende Sojanachfrage in Brasilien Urwälder niedergebrannt werden. Ebenso wenig ist ökologisch, wenn Hüftsteak aus Argentinien oder Neuseeland um die halbe Welt transportiert wird, während viele Teile der dafür geschlachteten Tiere direkt in die Tierkörperbeseitigung gehen. Unter ökologischer Produktion verstehen wir, nach dem Nose-to-tail Prinzip (von der Nase bis zum Schwanz – d. red.) alle Produkte vom Tier zu verarbeiten, auch wenn wir im Sommer hin und wieder Schweinekämme zukaufen müssen, sagen wir doch sonst lieber, das ein oder andere Stück Fleisch ist auf Grund der eigenen Schlachtung auch mal vergriffen und immer mehr Kunden honorieren das. Wir hoffen, auch in Radeburg wird das so sein und freuen uns auch auf ein Wiedersehen mit Stammkunden, die sich an unseren Verkaufswagen noch erinnern.

Das Gespräch führte Klaus Kroemke.