Bösendorfer und Bärwalde: Stimmt auf Anhieb!

Am 21. November hatte ich das Glück dabei zu sein, als ein Bösendorfer Konzertflügel im Gasthof Bärwalde „eingestimmt“ wurde – von Makiko Takeda-Herms. Ein Erlebnisbericht.

Manuela Seidel lauscht dem Spiel von  Makiko Takeda-Herms.

Gastgeberin Manuela Seidel lauscht dem Spiel von Makiko Takeda-Herms.

Wenn man in der klassischen Musikszene nicht bewandert ist, wird einem der Name vielleicht nichts sagen, in Kennerkreisen ist die in Osaka (Japan) geborene Künstlerin aber eine Berühmtheit. Sie erhielt ihre erste Klavierausbildung an der namhaften Toho-Musikhochschule in Tokio und schon mit dreizehn Jahren gewann sie den ersten Preis beim Klavierwettbewerb "All Japan Students". Beim Internationalen Klavierwettbewerb "Alessandro Casagrande" in Terni (Italien), gewann sie 1976 den ersten Preis. Diese „Nachwuchsweltmeisterschaft“ gilt als Tor in die Pianisten-Weltelite.

Am Bösendorfer in Bärwalde spielte sie ein Stück von Baldassare Galuppi, einem Zeitgenossen Mozarts. Mit meinem Laienempfinden würde ich sagen: es klang phantastisch und vorsichtig fragte ich nach, ob sie denn auch mit der Akustik zufrieden sei. Sie bestätigte das. Ihre Erwartungen seien übertroffen worden.

Bechstein, Blüthner, Bösendorfer, Steinway... das sind die Edelmarken des Klavierbauhandwerks, die man nicht einfach wahllos irgendwo hinstellt. Und wie kommt nun ausgerechnet ein Bösendorfer Flügel mit so einer Pianistin dran ins beschauliche Bärwalde?

„Als Pianistin ist man mit seinem Instrument verheiratet,“ erklärt Makiko. „und wenn man drei verschiedene Instrumente hat, das ist ein besonderes Glück.“ Sie erzählt vom Steinway zu Hause, vom Blüthner in Wiesbaden und eben von diesem Bösendorfer, der noch bis vor Kurzem bei Freunden stand, bei denen ihr Sohn aufgewachsen ist.

Eines Tages hatte Olav Seidel bei ihr angerufen und sie um Rat gebeten, weil er seit Längerem die Absicht hatte, einen Konzertflügel anzuschaffen.

„Hatten Sie da sofort an den Bösendorfer gedacht?“ frage ich nach.

Nein, natürlich sei ihr das erst gar nicht in den Sinn gekommen, weil sie annahm, der Flügel sei für den Ballsaal gedacht. Ein Raum mit stark schwankenden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit kommt für so einen Flügel nicht in Frage. Nun soll der Flügel aber im Vorsaal stehen und für die Konzerte in den großen Saal geschoben werden, der eigens zu diesem Zweck nach vielen Jahren des Leerstandes wieder belebt werden soll.

Aber wie kam Seidel nun übrhaupt auf Makiko Takeda-Herms, um von ihr letztlich diesen Flügel zu bekommen?

Die Professorin der Musikhochschule der Uni Mainz und Olav Seidel kennen sich noch aus der Zeit, in der Seidel Koch im „Schwarzen Adler“ in Oberbergen war. Der „Schwarze Adler“ ist die „Spitze der Badischen Gastkultur“, seit 1969 ununterbrochen im Besitz eines Michelin-Sterns und mit vielen anderen Auszeichnungen geehrt.

Frau Takeda-Herms und ihrem Mann, dem Schauspieler Alfred Herms, war dort der junge engagierte Koch aufgefallen und sie hatten Gastwirt Franz Keller gefragt, ob sie mit dem „Mann in Weiß“ noch einmal sprechen könnten.

„Und aus diesem ersten Kontakt hat sich eine Freundschaft entwickelt,“ erklärt Alfred Herms den Zusammenhang.

Familie Herms lebt seit einigen Jahren in Leipzig und so konnten die Kontakte natürlich auch gepflegt werden.

1994 hatte das Ehepaar Herms in Wiesbaden den Kunstverein amici dell’arte gegründet. Der Verein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vier Mal im Jahr im historischen Saal des Hessischen Justizministeriums Konzerte, Lesungen und Vorträge im kleinem, exklusiven Rahmen zu geben. Aufgrund des persönlichen Kontakte gelang es dem Verein, international bekannte und gefeierte Künstler für Veranstaltungen auf höchstem Niveau zu gewinnen.

„Und genau dieses Konzept wollen wir jetzt auch hier in Bärwalde verwirklichen,“ sagt Alfred Herms dem verwunderten Zuhörer. Olav und seine Frau Manuela Seidel gehen mit dem Gasthof in Bärwalde in ihr 10. Jahr und wollen wieder etwas Neues wagen.

Aber Bärwalde und Wiesbaden – sind das nicht zu verschiedene Maßstäbe?

Ich erinnere mich daran, wie ich vor 10 Jahren das erste Mal bei Olav Seidel war und mit ihm über sein gastronomisches Konzept sprach, das nicht in ein Schema passen wollte – und wie ich für mich dachte: was für ein Verrückter! Inzwischen denke ich das nicht mehr. Ich bin mir sicher: hier wird auch das funktionieren.

„Sehen Sie,“ sagt Herms – und Seidel könnte es genauso gesagt haben: „Alles hier ist Handwerk. Hier wirft man keinen Groschen in die Box und die Musik läuft. Hier wird musiziert. Und es wird gekocht.“ Und beides wird als Kunst verstanden. „Das ist etwas sehr wertvolles heutzutage,“ ergänzt die Pianistin. Und der Schauspieler wieder: „Dazu diese exquisite Landschaft. Ich glaube, die, die immer hier leben, wissen gar nicht zu schätzen, was sie hier haben. Um so mehr schätzen es die, die von weit her extra nach Bärwalde reisen. Wir haben hier den Flügel aufgestellt, musiziert und anschließend phantastisch gegessen. Da haben wir gesagt: das stimmt auf Anhieb!“ Ja, kann man da nur sagen. Das gilt wohl in jeglichem Wortsinn.

Das Auftakt-Konzert mit Makiko Takeda-Herms gibt es als festliche Soiree in der Silversternacht und zur Eröffnung des Jubiläumsjahres. Karten für das 6stündige Festprogramm für 199,- € sind im Gasthof erhältlich (Tel. 035208/342901).

Im kommenden Jahr sollen Konzert-Dinner folgen mit Kammersänger Eike Wilm Schulte, mit Solocellist Jakob Spahn und dem Geiger Ken Schumann vom Schumannquartett.

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