5. Runder Tisch Radeburg: Innenstadt tot oder lebendig – es liegt bei uns!

Der 5. Runde Tisch fand am Dienstag, dem 5. Juli, im „Deutschen Haus“ statt. Thema des Treffens war eine Zukunftsvision von Radeburg: Innenstadt – tot oder lebendig? Von den 24 Teilnehmern waren 10 Teilnehmer erstmals dabei. Die Hälfte der Teilnehmer ist als Geschäftsinhaber oder Bewohner der Innenstadt vom Thema ganz unmittelbar betroffen.

Blumenkübel auf dem Radeburger Markt

Ob Blumenkübel einen ansonsten "zugepflasterten" Markt "beleben", ist zumindest umstritten.

Die Zusammenkunft war in mehrere Themenschwerpunkte gegliedert. Es ging um die Innenstadt als Ort der Begegnung und Veranstaltungsort, um das Ladensterben, die Ausgestaltung des Marktes und die „innerstädtische Kommunikation“.

Begegnungsmöglichkeiten nehmen weiter ab

Klaus Kroemke führte an, dass bei einer Umfrage des Radeburger Anzeigers im Jahr 2018 vier der 40 Innenstadtgeschäfte (einschl. Dienstleister, Bank – und Versicherungsfilialen usw.) in den nächsten fünf Jahren für sich keine Zukunftsperspektive sahen. Nun seien aber bereits nach nur vier Jahren 7 Geschäfte geschlossen worden – beinahe doppelt so viele. Dazu kommt die Teilschließung des Kopierbüros als Geschäft für Büro- und Schulbedarf, das von einem Teilnehmer als bedeutender Verlust gewertet wurde. Per Saldo steht den Verlusten in dieser Zeit nur der Zugang eines Augenoptikers gegenüber, was den schon 2018 vorausgesehenen Trend zu mehr Dienstleistern bestätigt. Viele Dienstleistungen sind so individuell, dass sie nicht durch Großmärkte und das Handelsplatz Internet ersetzt werden können. Für viele Läden sieht das anders aus – aber eigentlich nicht für die Gastronomie.

Mit der absehbaren Schließung zweier weiterer Gaststätten, darunter mit dem „Hirsch“ als größtem städtischen Veranstaltungs-Lokal, nehmen die Begegnungsmöglichkeiten in der Innenstadt weiter ab. Die beschriebenen Trends sind in der Mehrzahl der über 2.100 Kleinstädte Deutschlands zu beobachten, also kaum mit Vorwürfen an die Stadtverwaltung oder an die eigene Trägheit zu lösen. Dass guter Rat trotz vieler Projekte und freundlicher Erwähnungen in Sonntagsreden Mangelware ist, zeigt die Gründung der „Kleinstadtakademie“ zu diesem Problemkreis, die sich seit 2019 in einer Pilotphase befindet und im kommenden Jahr „durchstarten“ möchte.

Pop-Up-Geschäft gegen das Ladensterben

Sich einstweilen aber selber zu helfen, sahen die Teilnehmer dann doch als einen möglichen Weg an. So brachte Mandy Thieme Pop-Up-Geschäfte ins Gespräch. Der Name kommt aus dem englischen. „pop up“ bedeutet „plötzlich auftauchen“. Im englischen Sprachraum gibt es bereits Pop-up-Stores – Geschäfte mit einem kurzfristigen Angebot in einem vorübergehend oder dauerhaft leerstehenden Geschäftsraum. Die Idee, sich auf diese Weise über eine bestimmte Zeit mit einem Geschäft auszuprobieren, hat bereits auch in deutschen Städten Fuß gefasst. Oft übernehmen die Kommunen die Kosten für die Miete für eine bestimmte Zeit. Die Möglichkeiten sind nahezu unendlich. Sie reichen vom Abverkauf regionaler saisonaler Produkte über wenigen Tage und die Ausstellung eines Galeristen oder die Darstellung eines Vereins, bis hin zum Versuch, ein eigenes Ladengeschäft aufzubauen, ohne gleich das volle Risiko einer umfangreichen Investition einzugehen.
„Wir sind dazu bereit, das Geschäft neben unserer Genussquelle bis zu einem halben Jahr mietfrei zur Verfügung zu stellen,“ gaben Nicole und Dirk Klotsche zu Protokoll und machten so gleich Nägel mit Köpfen.

Markt als Veranstaltungsort wiederbeleben

Ute Klimke konnte der Runde bestätigen, dass wenn sie das Geschäft abgibt, der so genannte „Bestandsschutz“ endet. Dieser ist nicht auf einen Nachfolger übertragbar – auch nicht innerhalb der Familie. Das haben viele noch nicht realisiert. Potentielle Interessenten winkten bisher ab, sobald ihnen das „Millionenvorhaben“ einer Sanierung bewusst wurde. Eine Saalkapazität mit 400 bis 600 Plätzen ist einfach zu wenig.

Bleibt der Marktplatz, der nach der Sanierung technisch für Veranstaltungen mit bis zu 3000 Personen vom Allerfeinsten ausgestattet ist, wie der Karnevalsklub in der Vergangenheit schon bewiesen hat. „Einfach mal machen,“ sagt Stadtrat Jens Meister und verweist auf die Dörfer, die schon lange wissen, dass nichts los ist, wenn man nicht selber los macht. „Was der Jugendclub Berbisdorf um Reiko ‚Pizza‘ Lehmann am letzten Wochenende drei Tage auf die Beine gestellt hat, da kann man nur den Hut ziehen.“

Rüdiger Stannek: „Dass die Stadtverwaltung den Weihnachtsmarkt ausrichtet, damit er überhaupt stattfindet, ist eine große Ausnahme.“ Fragen nach dem Gewerbeverein wurden auf- und verworfen. Die Angst vor dem Finanzamt schrecke ab. Andere aber offenbar nicht. „Wenn jemand eine Veranstaltung machen will und aufs Rathaus geht, wird er jede Unterstützung bekommen,“ versicherte der Stadtrat. „Und wenn es Regelungen gibt, die Ermessenssache sind, dann wendet Euch an Eure Stadträte. Wir sind dazu da, das zu klären.“

Marktbegrünung vs. Denkmalschutz

Zur Idee, die Nachbesserung auf dem Markt auch gleich für eine VER-Besserung zu nutzen, konnte Rüdiger Stannek mitteilen, dass das gegen einen gewissen Aufpreis nun auch geschehe. „Nachdem es erst hieß: kein Muster, wird nun doch ein Muster verlegt.“ Eine grundsätzliche Neugestaltung ist im Rahmen der Nachbesserung aber nicht möglich. Zur Marktgestaltung fanden im Vorfeld zahlreiche Veranstaltungen statt, die aber nur von wenigen Bürgern genutzt wurde. Das Ergebnis ist vor allem von den Händlern beeinflusst worden, die möglichst viele Parkplätze wollten. Die zaunartige Abgrenzung wurde geschaffen, um dennoch eine Freifläche zu sichern, die nicht zugeparkt werden kann. Dass es keine Bordsteinkanten gibt, war ein Ergebnis des „Stoperatlas“, den die Schüler der Zilleschule erstellt hatten und in dessen Ergebnis der Markt barrierefrei sein sollte. „Das Ergebnis ist,“ gibt der Stadtrat zu, „nicht befriedigend“. Es wird teilweise bis an die Hauswand heran geparkt, so Fußgänger auf die Straße ausweichen müssen. Es kamen einige Vorschläge, wie das in anderen Kommunen gemacht wurde. Es wird sicher weiter zu diskutieren sein.

Rüdiger Ertle, erstmals in der Runde dabei, sagte, dass der mittelalterliche Marktplatz ihn beeindruckt hatte und seinen Entschluss festigte, in dieser Stadt wohnen zu wollen. Als er dann auf dem Markt verweilte und der Hitze auf dem nahezu schattenlosen Platz ausgesetzt war, kippte sein erster Eindruck. Damit teilt er den vielfach auch von „Eingeborenen“ geäußerten Wunsch nach einer schatten spendenden Marktbegrünung.

Grundsätzlich war diese Idee vom Denkmalschutz verworfen worden, weil dies auf historischen sächsischen Marktplätzen unüblich sei. Derselbe Denkmalschutz übrigens, der sich gegen die Wiederaufstellung der historisierenden „Gaslaternen“ gewendet und für moderne Strahler plädiert hatte, die vor allem in der Nähe des Brunnens das ästhetische Empfinden so manches Marktbesuchers heftig stören – ebenso wie die „bunte Beleuchtung“ der Fontäne. Floristmeisterin Kerstin Puhane verwies auf ein Konzept, das sie unter Mithilfe eines Garten- und Landschaftsbaumeisters dazu schon erarbeitet hatte, demzufolge eine Bepflanzung mit transportablen „Kübelbäumen“ eine durchaus mögliche Option wäre. Es wurde angeregt, die Begrünung als Ersatz für die „Zaunpfosten“ zu nutzen, wodurch sich auch ein Befahren der verkehrsfreien Insel erreichen ließe.

Der Tagesordnungspunkt hieß „Grüne Innenstadt“, die Diskussion war allerdings auf den Markt begrenzt. Nur am Rande wurde auch der Stadtpark erwähnt, bei dem der historische Brunnen saniert wurde, aber ansonsten noch vieles im Argen liegt.

„Innerstädtische Kommunikation“ mit der Verwaltung

Erwartungsgemäß gab es Kritik an der Kommunikation zwischen den Händlern und der Verwaltung, aber auch zwischen Bürgern und Verwaltung. Die vier anwesenden Stadträte versicherten, hier behilflich zu sein. So sagte Obst- und Gemüsehändler Andreas Dietze, wenn man wegen der zu dicht am Objekt parkenden Autos seine Auslage verkleinern wolle, könne er den Laden gleich ganz zumachen. Fleischermeister Dirk Klotsche machte darauf aufmerksam, dass jetzt 8 Jahre „Bauzeit“ hinter der Innenstadt liege. Das Ende ist noch nicht abzusehen. Stadtrat Uwe Riemer verwies auf den von ihm auf die Tagesordnung gewünschten Beschluss, die Geschäftsinhaber zumindest für die Verluste für die mängelbedingte Verlängerung der Bauzeit zu entschädigen. Dies hätte die Bürgermeisterin aber abgelehnt. Sein Stadtratskollege Rüdiger Stannek wiederum versicherte, dass Stadträte in dem Sinne der Stadt und ohne Parteiengezänk dies klären wolle. Kerstin Puhane fand noch wichtiger als eine Entschädigung das Aufstellen von Hinweistafeln, dass die Geschäfte alle geöffnet und zugänglich sind.

Uneins waren sich die Teilnehmer über die Frage der Zugänglichkeit der Verwaltung nach Corona. Auf der Webseite der Stadt heißt es unter den Öffnungszeiten „Wir bitten Sie um vorherige Terminvereinbarung mit unseren Amtsleitern auch während der Öffnungszeiten, damit eine Termineinhaltung gewährleistet werden kann.“ Einige Teilnehmer interpretierten das als eine Einschränkung, andere als Erleichterung. Vielleicht sollte die Formulierung seitens der Stadt überdacht werden.

Zu allen oben genannten Fragen kam immer wieder der Vorschlag, einen City Manager zu installieren. Im Stadtrat hatte man sich mit dem Thema bereits wiederholt befasst, war allerdings auch an der Kostenfrage gescheitert. Qualifizierte Manager würden ab Stadtgrößen von 15.000 Einwohnern eingesetzt. Radeburg sei für die Schaffung einer solchen Stelle zu klein. Die Beauftragung eines Selbständigen statt eines Angestellten mit einem angepassten Zeitbudget könnte eine machbare Lösung sein. Bei ihm könnte die Kommunikation Stadt und Gewerbe ebenso angesiedelt sein wie die Erledigung von Behördengängen für Veranstalter.

„Innerstädtische Kommunikation“ durch Bürgernetzwerke

Um den anfangs konstatierten abnehmenden Begegnungsmöglichkeiten entgegenzuwirken, sind die Verabredungen, wie sie bei den Montagspaziergängen stattfinden, ein gutes Mittel. Das findet jedenfalls Elisabeth Lorenz. Die Bürger gehen keineswegs stumm durch die Stadt, sondern sie treffen sich, kommen ins Gespräch, fragen sich, wie man sich gegenseitig helfen kann und fangen an sich zu organisieren.

Das trägt zur seelischen und damit auch körperlichen Gesundheit bei, wirkt der Vereinzelung entgegen, die unter Coronabedingungen so dramatisch war. Die modernen Kommunikationsmittel führen dazu, dass jeder nur noch in seinen Bildschirm starrt. Richtig angewendet können sie aber auch hilfreich sein. Als „Ableger“ des Runden Tisches ist bereits die WhatsApp-Gruppe „Rabu gegen Impfpflicht“ entstanden und nach dem letzten Runden Tisch eine WhatsApp-Gruppe von „Sporthelfern“, über die Übungsleiter Vertretungen und Unterstützung planen können. Weitere solche Gruppen können jederzeit, vielleicht auch nur temporär und themenbezogen, gegründet werden.

Der 6. Runde Tisch findet am Mittwoch, dem 31. August, in Hundel‘s Bahnhof statt.
Beginn: 18 Uhr
Um Anmeldung über E-Mail oder WhatsApp 0173/9330725 oder über jeden Unterzeichner des Radeburger Appells wird gebeten. Thema des Treffens: „Runder Tisch, was wurde bisher erreicht und wie weiter?“

Erstveröffentlichung dieses Beitrages hier.