25 (140) Jahre Radeburger Anzeiger

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

der Radeburger Anzeiger hatte im August 2015 das 25. Jubiläum der Wiederauflage. Das feiern wir jetzt zusammen mit dem 140. Jubiläum der Erstausgabe.

Im Januar/Februar 1990 war die Zeit der Runden Tische und einen solchen gab es auch in Radeburg. Von Kerstin Fuhrmann und Pfarrer Martin Koch wurde vorgeschlagen, doch den 1876 gegründeten „Radeburger Anzeiger“ wiederzubeleben. Dieser verlor 1941 seine Eigenständigkeit und erschien im April 1945 endgültig zum letzten Mal als Teil des „Großenhainer Tageblatts”. Nach dem Krieg war kein Platz mehr für Zeitungen, die sich jetzt „Organe“ der Parteien nannten. Nun, 45 Jahre später, war es aber wieder möglich, den Radeburger Anzeiger auf privater Initiative beruhend als unabhängiges, inhabergeführtes Blatt herauszugeben, denn im Januar hatte die Volkskammer den Beschluss zur „vollen Gewerbefreiheit“ gefasst.

Im März 1990 stellte ich einen Gewerbeantrag und bekam diesen Ende des Monats genehmigt. Vom Wohnzimmer aus begann ich als W&K – Werberedaktion und Kontaktbüro mit dem Schreiben von Werbetexten und dem Vermitteln von Werbedienstleistungen an meinen bisherigen Arbeitgeber und dessen Partner, Grafiker und Werbeunternehmen in der Umgebung. Darunter die Druckerei Vetters, die bis heute diese Zeitung druckt. Da es plötzlich einen riesigen Bedarf an Grafikdienstleistungen gab – für die aus dem Boden schießenden Neuunternehmer, aber auch für die schon gestanden, erweiterte ich mein Portfolio um den Bereich Grafik. Im Juni gab es durch den neu gewählten Bürgermeister Jürgen Gross den Auftrag, das amtliche Blättchen, die „Klubinformationen“ herauszugeben. Gemeinsam mit dem Kopierbüro Schmidt entstand in Klebelayout-Technik aus Schreibmaschinentext und Strichzeichnungen eine reproduktionsfähige Vorlage für das Amtsblatt.

Dann kam die Währungsunion und damit die Chance, im wörtlichen Sinn „alles in die Waagschale zu werfen“. Ich kaufte für das gesamte meiner Familie zur Verfügung stehende Geld einen Computer und ein gebrauchtes Auto. Beide kosteten je 10.000 DM. Das Geld stand auch nur darum zur Verfügung, weil wir es für unseren ersten Trabbi zurückgelegt hatten, den ich im Dezember 1989 erhalten sollte. Die Mauer war gerade gefallen. Wäre ich einen Monat vorher „dran“ gewesen, hätte ich ihn gekauft und hätte nicht diese Chance bekommen.

Mit dem "grafikfähigen Computer", den es so auch im „Westen“ erst seit 1988 gab, waren nun die Voraussetzungen gegeben, den „Grafikmarkt“ selbst zu bedienen. Ich griff den Vorschlag des Runden Tisches wieder auf und machte nun meinerseits der Stadtverwaltung den Vorschlag, an Stelle der Klubinformationen den Radeburger Anzeiger herauszugeben. Die Stadt erteilte den entsprechenden Auftrag und so erschien am 1. August 1990 der erste Radeburger Anzeiger. Herausgeber war damals noch die Stadt. Diese trug die Satz- und Druckkosten und verrechnete sie mit den immer noch bei Heidi Bernhard auf der Stadt abzugebenden Anzeigen. Der bescheidene Gewinn vor und nach Steuern im ersten selbständigen Jahr: 50 DM. Also etwas mehr als eine schwarze Null. Die Nachfrage nach grafischen Dienstleistungen explodierte in den nächsten zwei Jahren. Erst nach und nach schafften es die Druckereien, sich eigene Grafikabteilungen aufzubauen. Werbeagenturen aus den gebrauchten Bundesländern eröffneten Niederlassungen. Mehr und mehr machten sich nun auch gelernte Grafiker selbständig, die bereits eine Computerausbildung hatten. Das bedeutete, dass man sich von Anfang an darauf einzustellen hatte, dass die Geschäftsfelder, in denen man sich betätigen kann, in ständiger Bewegung sind. So entstand eine neue Partnerschaft mit Malermeister Frank Mittag, der eine Werbetechnik-Abteilung aufmachte und damit eine mehrjährige Partnerschaft begründete. Aber auch dem Anzeiger drohten schwerere Zeiten. 1992 wurde der aus dem Raum Hannover kommende neue Bürgermeister Dieter Jesse ins Amt gewählt und eine seiner ersten Sparvorschläge war, den „Radeburger Anzeiger“ komplett auszugliedern. Im Brustton der Überzeugung konnte er vermitteln, dass in seiner Heimat amtliche Bekanntmachungen in selbständigen Zeitungen verbreitet werden und die Zeitungen sich durch Anzeigen selbst finanzieren. Erst nach und nach hatte ich erfahren, dass das auch im Westen unterschiedlich ist und bin wohl auch der Einzige in einem weiten sächsischen Umkreis, der ein Amtsblatt über die eigene Anzeigenakquise selber finanziert. Wir hätten es vielleicht auch nicht so gemacht, aber das erste Grußwort veröffentlichte Dieter Jesse nicht im Radeburger Anzeiger - sondern im Radeburger Tageblatt. Wie aus heiterem Himmel war auf einmal Konkurrenz da. Morgenpost, WochenSpiegel, Sächsischer Bote und viele andere mehr, die man heute gar nicht mehr kennt. Es gab einen regelrechten Krieg um den Anzeigenmarkt.

Ab 1993 musste (oder durfte) ich den Radeburger Anzeiger im Eigenverlag, vollständig auf eigene Kosten herausgeben. Noch im selben Jahr schrieb Dieter Jesse das Amtsblatt aus und mir blieb nichts anderes übrig, als das Angebot zu machen, die amtlichen Bekanntmachungen bis zum Umfang einer Seite kostenlos zur Verfügung zu stellen – für die Leser die ganze Zeitung selbstverständlich auch weiterhin kostenlos. Wie das Angebot vom „Radeburger Tageblatt“ war, habe ich nie erfahren. Aber Amtsblatt zu bleiben war überlebenswichtig. Um die Jahrhundertwende beruhigte sich der Anzeigenmarkt. Die einen Wettbewerber verschwanden, die anderen arrangierten sich mit den Gegebenheiten. „Danke an die treue Kundschaft,“ ließt man in vielen Beiträgen zu Firmenjubiläen. Nur wer selber durch solche Zeiten gegangen ist, weiß, wie wirklich unersetzlich wertvoll Kundentreue ist. Deshalb sei es an dieser Stelle wiederholt: Danke an die treue Kundschaft und in unserem Fall auch an die treue Leserschaft. Nur wenn ein anzeigenfinanziertes Blatt gelesen wird, funktionieren auch die Anzeigen.

1996, inmitten der umkämpften Zeit, übernahm ich von Malermeister Mittag die Werbetechnik-Sparte. Der Bereich war für ihn nur rentabel, wenn die Technik täglich ausgelastet war. Mit einer Investition von 3000 DM in Computer und Schneidplotter konnte man sich jetzt schon selbständig machen. „Ich-AGs“ suchten sich gern diesen Sektor, machten, gestützt auf Fördermittel, die Preise kaputt und gaben irgendwann wieder auf. So war die Technik zwar nicht mehr jeden Tag auslastbar, für mein Geschäft aber bei gelegentlichem Bedarf eine gute Ergänzung. So ändern sich die Zeiten: heute läuft der Schneidplotter wieder viel häufiger. 1996 wurde ich eingetragener Kaufmann. Eine strenge, vertrauensbildende Rechtsform, da der eingetragene Kaufmann mit seinem Gesamtvermögen haftet. Wir ließen es aber bei „w&k“, nur hieß das jetzt „Werbung und Kommunikationsdesign e.K.“

Ein weiteres Standbein wurde der „Ableger“ im Selgros-Markt. Hier gewannen wir „Laufkundschaft“. 10 Jahre lang funktionierte das Modell, aber mit der zunehmenden Konkurrenz von Großmärkten im ersten Jahrzehnt nach dem Millenium „verteilten“ sich die Laufkunden anders und wir gaben das „Laufkundenmodell“ wieder auf, nachdem wir am Hauptsitz mehr Platz geschaffen hatten. Auf fünf Mitarbeiter waren wir inzwischen gewachsen.

Noch vor dem Millenium tat sich ein neues Handlungsfeld auf: das Internet. Ab 1998 waren wir für unsere Kunden unterwegs, um sie in das neuen Medium zu bringen. Wieder war es eine Innovation, die dem Unternehmen den A**** rettete. Inzwischen gehört Innovation zum Einmaleins der Betriebswirtschaft. Wir haben das „am Markt“ lernen müssen.
Wir hatten dabei auch gelernt, Fördermittel als Instrument einzusetzen und unseren Kunden geholfen, bei ihrem Start ins Internetzeitalter Fördermittel zu nutzen. Dadurch wurde ein Verein auf uns aufmerksam, der uns zutraute, die Förderung einer ganzen Region zu betreuen: Der Westlausitzer Heidebogen, heute Dresdner Heidebogen. Für diesen wurden wurden wir über zwei siebenjährige Förderperioden Geschäftsbesorger. Heute ist unser 2013 abgeteiltes Unternehmen unter dem Namen Kommunikationsberatung e.K. ein gefragtes Unternehmen für die Erstellung von Machbarkeitsstudien, Entwicklungs-, Umsetzungs- und Vermarktungskonzeptionen, Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen an digitalen Medien und im Internet. Der andere Unternehmensteil ist nun wieder ein reines Medien-Unternehmen und hat die Rechtsform einer GmbH. Notwendig wurde das nach Gerichtsurteilen, die besagten, das auch eingetragene Kaufleute als Grafiker oder Texter zu betrachten sind und Empfänger von deren Dienstleistungen in die Künstlersozialkasse einzuzahlen hätten. Empfänger! Also unsere Kunden. Das ungerechte daran: sie müssen auch einzahlen, obwohl weder ich noch ein einziger meiner Mitarbeiter Mitglied dieser Sozialkasse ist. Die Kunden waren zunehmend genervt von der „Wegelagerei“ der Künstlersozialkasse, so dass wir uns 2010 zur Gründung der GmbH entschlossen und damit unsere Kunden von der lästigen Abgabe befreiten.

Die Ideenwerk Kroemke GmbH ist darüber hinaus nun unser Modell für den Unternehmensübergang von Generation zu Generation. Denn seit 2010 ist Tochter Kristina die Geschäftsführerin an meiner Seite. War es in den 90ern noch der umkämpfte Anzeigenmarkt, der den Zeitungen zusetzte, wurde es nach dem Millenium das Internet. Aber den eigentlichen Abbruch bei den Medien bringt der Umstand, dass sich Zeitungen nicht mehr nur am PC, sondern auch an Laptop, Tablet oder Smartphone wunderbar lesen lassen. Dazu kommen die sozialen Medien, die im lokalen Umfeld eines jeden aktuelle Neuigkeiten zeitnah in einer Weise verbreiten, dass gedruckte Medien für viele zunehmend unattraktiv werden. Auch die werbende Wirtschaft sucht sich deshalb mehr und mehr die neuen Medien für ihr Marketing.