TSV: 1862 Radeburg: 100 Jahre Fußball in Radeburg

100 Jahre Fußball - eine Kurzchronik von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sportliche Höhepunkte und Persönlichkeiten werden gefeiert, aber auch aktuelle Probleme nicht ausgespart.

Das Training mit Hannover ´96 war ein besonderes Highlight im 100. Jahr der Radeburger Fußballgeschichte.

Eine Gründungsurkunde gibt es nicht (mehr), aber bekannt ist, dass vor hundert Jahren unter dem Namen Radeburger Sportclub (RSC) 1922 das erste Fußballspiel gegen den Rasensportverein (RSV) Großenhain 1897 bestritten wurde. Erster Abteilungsleiter war Max Modler, welcher gleichzeitig Kapitän der 1. Männermannschaft war. Fußball gewann an Beliebtheit und so baute vier Jahre später auch die Turnvereinigung (TV) 1862 einen Fußballplatz – in der Röderaue, in der Nähe des heutigen Betriebsgeländes von Megger.

Die 1862 gegründete und heute namengebende TV befasste sich zuerst mit Turnen, später kamen Fechten, Kegeln und Tennis hinzu, auch Radball wurde gespielt.

In den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es zeitweilig drei Fußballvereine in Radeburg. 1932 weihte der vom RSC abgespaltene Arbeiterturnverein (ATV) an der Königsbrücker Str. seinen Fußballplatz ein. 2000 Gäste wohnten dem Spektakel bei. Ein Jahr später wurden der ATV und die wiederum von diesem abgespaltene Rot-Sportgemeinschaft in die TV 1862 eingegliedert, sechs Jahre später muss der Fußballplatz dem Autobahnbau weichen und die TV „schluckt“ auch den RSC, denn als Spielstätte steht nun nur noch das Gelände in der Röderaue zur Verfügung. Ein Jahr später, 1939, beginnt der zweite Weltkrieg und da die jungen Männer in den Krieg geschickt werden, enden auch die fußballerischen Aktivitäten.

1945, mit dem Beitritt u. a. von Bäckermeister Konrad Richter, dem Vater des späteren Abt.-Leiters Wolfhard Richter, wird der Punktspielbetrieb unter dem Namen Spielgemeinschaft (SG, später BSG Einheit, dann BSG Chemie) wieder aufgenommen. Als Spielstätten wurden, neben der Aue, Flächen am Lindengarten (heute Lidl), am Gaswerk (Bahnhofstraße) und der alte Platz an der Königsbrücker Straße genutzt – unter anderem durch die BSG Traktor Radeburg, die 1952 in einem „Interzonenspiel“ gegen die TSV 1860 München antrat. Das waren deutsch-deutsche Freundschaftsspiele, die im Zeichen einer damals noch von allen Seiten offiziell gewünschten Wiedervereinigung Deutschlands standen. Ein Jahr später wurden alle Vereinssportler Radeburgs in der BSG Traktor Radeburg zusammengefasst. Abteilungsleiter Fußball wurde Schuhmachermeister Siegfried Hasenpflug. Gemeinsam mit dem Rat der Stadt, den Radeburger Betrieben und den Sportlern wird der Bau einer neuen Sportanlage in Angriff genommen und 1955 Kirchenchorunter dem Namen „Friedrich-Ludwig-Jahn-Kampfbahn“ mit einem „Interzonenspiel“ der 1. Männermannschaft gegen den SV Ilvesheim 03. eingeweiht. Prägend für den Radeburger Fußball waren Karl Wecker (12 Jahre Trainer) und Helmut Pisoke (31 Jahre Abteilungsleiter), Sigmar Richter (13 Jahre Trainer), Wolfhard Richter (11 Jahre Abteilungsleiter), Steffen „Karle“ Schiefner (7 Jahre Trainer), Dieter „Schabba“ Scheiblich (15 Jahre Trainer bzw. Abteilungsleiter), Uwe Drabe und Uwe Peukert (seit 7 Jahren gemeinsam Abteilungsleiter, letzterer seit 4 Jahren auch Vereinsvorsitzender).

Sportliche Höhepunkte

...waren 1965 das Freundschaftspiel gegen Piast Legnica aus Polen, 1972 der Sieg der C- Jugend beim seit 1960 ausgetragenen „Zillepokal-Turnier“ – gekrönt mit einem Sieg im Endspiel gegen die SG Dynamo Dresden, 1977 der Gewinn des Landesbezirkspokals „Traktor“ durch die 1. Männer (mangels Pokal gab es einen Spielzeug-Mähdrescher), 1989 spielt anlässlich 700 Jahre Radeburg die 1. Männer vor über 1000 Zuschauern gegen die ehemaligen Europacup-Helden von Dynamo Dresden und unterliegen mit 3:7 weniger deutlich als erwartet. 2002 zum 80- jährigen Jubiläum spielt die 1. Männermannschaft gegen eine Auswahl des Regionalligisten Dresdner SC 1898 vor 1000 Zuschauern und gewinnt überraschend und auch noch deutlich mit 4:1. Aus Radeburg gingen auch Spielerpersönlichkeiten hervor, die in höheren Spielklassen Karriere machten. Fünf Jahre nach Torwart-Talent Peter Fritzsche wurde 1973 Henry „Erbse“ Vetters zur Kinder- und Jugend- Sportschule KJS delegiert. Fritzsche spielte ein Jahr (75/76) bei Stahl Riesa in der DDR-Oberliga, was Vetters beim gleichen Verein von 1982 bis 1986 gelang. Thomas Tillig wird zum Bezirksligisten nach Gröditz geholt, spielt 1988/89 bei Dynamo Dresden II unter Trainer Udo Schmuck und ab der „Wendesaison“ 89/90 zwei Jahre beim Meissner SV 08. 1992 wurden neben Silvio Schröter noch 2 weitere Jungs für die KJS in die Landeshauptstadt geholt. Silvio schaffte den Durchbruch und spielte von 1999 bis 2008 als Profi in der 1. Bundesliga mit Energie Cottbus und Hannover 96, ehe er 2009 beim Carl Zeiss Jena seine Laufbahn beendete.

Prominente Gäste

Die Fußballer hatten im Laufe der Jahre auch viel Prominenz zu Gast. Am 06.10.1986 fand im Jugendclub „Lindengarten“ ein Fußballforum mit Gottfried Weise (prominenter Sportmoderator damals im und später bei Eurosport) statt. Er beleuchtete vor allem die WM 1986 in Mexiko sowie aktuelle Probleme des DDR- Fußballs. 1987, anlässlich der 125-Jahr- Feier des organisierten Sports in Radeburg, gab sich Walter Fritzsch, Cheftrainer der SG Dynamo Dresden in den erfolgreichen 70- er Jahren, an gleicher Stelle die Ehre. Das beeindruckende Fußballforum war für alle Anwesenden ein Höhepunkt schlechthin. Im Jahr 2000 lud Uwe Drabe zur Gesprächsrunde mit Peter Fritzsche, Silvio Schröter und Thomas Tillig ein.

Entwicklung der Sportstätte und ein tragischer Todesfall

Auch die Sportanlage hat eine beachtliche Entwicklung hinter sich. In nur einem Jahr Bauzeit wurde 1970 das Sportlerheim eingeweiht, das vor allem Dank der Initiative der Sportfreunde Volker (Buttl) Müller, Helmut Hähne, Dieter Günther, Herbert Hölzel, Max Hummig und Manfred (Böhm-Liebe) Böhme nach nur einem Jahr Bauzeit fertig war. 1994 wurde der alte Sanitär- und Umkleidetrakt an der Autobahn durch einen Neubau hinter dem Sportcasino ersetzt, der allerdings viele Wünsche offenließ. 1999/ 2000 wurde der „Asche“- Platz mit viel Eigenleistung der Männer um Rudi Folk und der Alten Herren grundsaniert und als Hartplatz mit kompletter Flutlichtanlage, Drainage und Ballfang hergerichtet. Am 13.06.2015 begann mit dem Abriss des alten Sportlerheims der Bau des neuen Sportzentrums. An diesem Tag wurde Dieter „Schabba“ Scheiblich, als damaliger Abteilungsleiter Fußball einer der maßgeblichen Initiatoren des Neubaus, durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen. Ein Jahr später, bei der Einweihung des neuen Mehrzweckgebäudes der TSV 1862 Radeburg erhielt Dieter Scheiblich mit einem „Gedankenbrunnen“ einen Ehrenplatz. 2020 wurde die durch die Coronamaßnahmen bedingte Unterbrechung genutzt, um die beiden Rasenplätze gründlich zu sanieren und eine Unterflur-Beregnung einzubauen, u. a durch viel Eigenleistung der Mitglieder. Vereinsvorsitzender Uwe Peukert stemmte die Finanzierung, zum Beispiel durch Beschaffung von Fördergeldern, durch Weitsicht und diplomatisches Fingerspitzengefühl. So wurden diese und andere Vorhaben möglich, zum Beispiel blieben den Radeburgern durch die Einrichtung von Impf- und Testzentrum vor Ort weite Wege erspart. „So konnten wir den Bürgern, die durch ihre Steuern die Zuschüsse mit finanzieren, auch etwas zurückgeben,“ sagt der Vereinsvorsitzende.

Mit der Umbenennung der BSG Traktor in TSV 1862 Radeburg e.V. im Jahr 1990 wurden die dem Stadtwappen entlehnten Vereinsfarben „Gelb- Schwarz“ zur Tradition. In diesen Farben wurde bereits 1922 gespielt. Von der Mitte der 00er Jahre bis zur Mitte der 10er Jahre erlebte der TSV-Fußball eine Hochzeit. Der Nachwuchs bildete Spielgemeinschaften mit Nachbarvereinen aus Großdittmannsdorf, Berbisdorf, Tauscha und Ebersbach. Das war auch für die Männermannschaften eine solide Basis. Die 2. Mannschaft stieg in die höchste Klasse des Kreises auf, während sich die 1. Herren in der Bezirksklasse stabilisierte, bis sich 2014/15 die TSV in der neu gegründeten Kreisoberliga wiederfand. 2017 wollte die TSV, wegen der neuen großen Verantwortung als Eigentümer/Pächter der Sportanlagen an der Jahn-Allee, anstelle der bisherigen Nachwuchsvereinbarungen mit den Partnervereinen neue Verträge abschließen. Der Vorgang verlief alles andere als glücklich und dividierte die Vereine auseinander. Die TSV musste ihren Nachwuchs neu aufbauen und auf viele Talente verzichten. Schließlich führte das auch zu dem Mangel an Spielern, der ausgerechnet im Jubiläums-Jahr bis an die erste Mannschaft heranreichte. Bereits 2018 musste die 2. Männermannschaft aus dem Spielbetrieb abgemeldet werden. Erst nach und nach werden die neuen Maßnahmen in der Nachwuchsarbeit greifen. Nachwuchs-Trainingscamps mit Gästetrainern von Borussia Dortmund, Dynamo Dresden, Team-Soccer und Hannover 96 sind entsprechende Bausteine. Vielleicht ist ja das Jubiläum ein Anlass für alle potentiellen Partner, sich zusammenzuraufen und wieder an einen Tisch zu finden. Am Runden Tisch Radeburg am 31. Mai haben die beiden anwesenden Vereinsvorsitzenden Uwe Peukert (TSV) und Sven Wehnert (Grün-Weiß) entsprechende Bereitschaft signalisiert. Roland Wachtel (zum Termin des Runden Tisches dienstlich unterwegs) dürfte dazu ebenfalls bereit sein.

 

Training mit Hannover´96

Das Training mit Hannover ´96 war ein besonderes Highlight im 100. Jahr der Radeburger Fußballgeschichte. Auch ein Zeichen des gewachsenen Zusammenhalts in der TSV ist, dass der Handballer Mario Scholz, von Beruf Niederlassungsleiter bei Heinz von Heiden, dieses Ereignis für die Fußball-Kinder möglich gemacht hat.
Das Massivhaus-Bauunternehmen ist Sponsor von Hannover ´96 und finanziert bundesweit diese Trainingsveranstaltungen, übernimmt sämtliche Kosten von der Bezahlung der vier Trainer, Übernachtungskosten,
vollständiges Einkleiden der Kinder bis zu deren Versorgung mit Getränken und gemeinsamem Mittagessen und Siegerehrung mit Teilnahmezertifikat für jedes Kind. Bereits im Februar trat Mario Scholz an Uwe Peukert und Uwe Drabe heran, im Mai wurde der Termin fix gemacht und die Verträge unterschrieben.

In der Chronik nicht fehlen sollte Familie Mehnert

Leserzuschrift

Sehr geehrter Herr Kroemke, sehr geehrte Damen und Herren,

als eifriger Leser des Radeburger Anzeigers und gebürtiger Radeburger (1956) liegt es mir am Herzen, mich zum Artikel "100 Jahre Fussball in Radeburg" zu äussern.
Viele Sportfreunde und Sportbegeisterte haben sich um den Radeburger Fussball verdient gemacht. Das sind nicht nur aktive Spieler selbst auch zahlreiche Trainer und Funktionäre, die immer alles gegeben haben, um den Fussball in Radeburg attraktiv und auch überregional bekannt zu machen.
All diese haben es auch verdient, namentlich genannt zu werden. Dabei vermisse ich allerdings die Erwähnung der in Radeburg doch nicht gänzlich unbekannten "Fussballerfamilie Mehnert" ! Als aktive Spieler haben sie besonders in den 60er und 70er Jahren begeistert, aber auch bis heute sind alle Familienmitglieder seit Generationen bis hin zum Ururenkel dem Radeburger Fussball verbunden  und haben sich in vielen Bereichen wie als Trainer, Übungsleiter, selbst Schiedsrichter und Sektionsleiter weit über das normale Mass hinaus in ihrer Freizeit um den Radeburger Fussball verdient gemacht. Wo findet man das heute noch?
Ich bin enttäuscht, dass solche geschichtlichen Fakten - aus welchen Gründen auch immer - keinerlei Erwähnung im o.g. Artikel gefunden haben. Vielleicht wäre das mit einem kleinen Nachtrag zu korrigieren. Ich bin sicher, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Freunde und Bekannte dies als Geste der Wertschätzung ihrer Verdienste rund um den Radeburger Fussballverein verstehen werden. 
Und ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass heute im Rahmen seines Jobs ein Mitglied der Familie Mehnert mit viel persönlichem Engagement für einen reibungslosen Spielbetrieb auf dem Platz und ein tadelloses Umfeld sorgt.
 
Mit freundlichen Grüßen aus der Oberlausitz
Steffen Klott (Mitglied der RABUFU - Siegermannschaft 2001)
Rothenburg