Traditionelles Aschermittwochgespräch

Schon lange Tradition ist das Gespräch im Radeburger Rathaus mit Bürgermeister(in) und RAZ nach der Rückgabe des Rathausschlüssels durch die Radeburger Narren. Aus der Welt der Narren geht es zurück in die Welt der lokalen Realpolitik, die oft nicht weniger närrisch ist.

RAZ: Die einzige Kandidatin zur Bürgermeisterwahl - bei der letzten Wahl waren noch drei angetreten. Traut sich die Sache kein anderer mehr zu?

MICHAELA RITTER: Die Frage kann ich so nicht beantworten. Das muss man die fragen, die gewöhnlich Kandidaten aufstellen, zum Beispiel die im Stadtrat vertretenen Parteien und Bürgervertretungen. Herr Görner von der SZ hat ja schon herumgefragt und signalisiert bekommen, dass sie niemanden anderen aufstellen wollen.

RAZ: So wurde mir das auch gesagt – ob Rüdiger Stannek von der Linken, Andreas Hübler von der ULR oder Uwe Riemer von der AfD:  unisono wird gesagt: wir sind mit der Arbeit von Michaela Ritter zufrieden und stellen niemanden gegen sie auf. Selbst Uwe Berge von der CDU-Fraktion sieht wegen der einen Sache auf die wir gleich noch zu sprechen kommen werden, „überhaupt keinen Grund alles in Frage zu stellen.“ Dennoch könnte es doch jemand geben, der sich gerade in dieser Phase zutraut, den Handschuh in den Ring zu werfen. Warum traut sich niemand?

MICHAELA RITTER: Wie gesagt, das kann ich so nicht beantworten. In unseren Nachbargemeinden Moritzburg und Ottendorf-Okrilla finden im März auch Bürgermeister-Wahlen statt. Dort gibt es jeweils mehrere Kandidaten.

RAZ: Also haben nur die Radeburger „Pech“ und eben bei der Wahl keine Wahl?

MICHAELA RITTER: Vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, ist einfacher, wenn man eine Wahl hat. Das sehe ich schon auch so. Aber wir sind kein Einzelfall. Viele Gemeinden, vor allem dort, wo der Bürgermeister den Job als Ehrenamtler macht, stehen gänzlich ohne Bewerber da, weil es sich einfach niemand mehr antun möchte. Vielleicht erscheint der Job auch nicht mehr so attraktiv, weil durch immer mehr Gesetze, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und daraus folgende teils absurde Gerichtsurteile auch das Risiko der persönlichen Haftung steigt.  Ich empfehle jedem, der mal hinter die Kulissen der kommunalen Arbeit schauen möchte, das Buch „Das Problem sind wir“ von Dirk Neubauer, Bürgermeister der Stadt Augustusburg. Er stellt in dem Buch dar, wie die Menschen im ländlichen Raum Demokratie als bürokratisches Monster wahrnehmen und sich abwenden, was auch unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass selbst bei Kommunalwahlen extremistische Parteien gewählt werden. Viele Bürger haben das Gefühl nicht wirklich mitbestimmen zu können und das spaltet die Gesellschaft.

RAZ: Das Gefühl haben viele Bürger auch bei der Neugestaltung des Marktplatzes. Dabei hat es schon seit der Vorplanungsphase einen Grad an Bürgerbeteiligung gegeben wie niemals zuvor. Trotzdem äußern sich viele Bürger negativ über das, was nun herausgekommen ist. Die Kritik reicht von der mutmaßlich schlechten Qualität der Bauausführung und damit verbunden der Frage, warum man immer den Billigsten nimmt, über die Frage der Vorhersehbarkeit von Verzögerungen (Stichwort: Tankstelle) bis zum gestalterischen Grundkonzept. Vor allem wird über die Lampen am Marktbrunnen der Kopf geschüttelt und manche fragen sich, ob man den Markt nicht hätte begrünen können. Gerade das hatten Bürger in der Beteiligung schon 2007 als Wunsch geäußert.

MICHAELA RITTER: Man muss nicht den billigsten, sondern den wirtschaftlichsten Bieter auswählen. Dies ist an eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben geknüpft, bei denen der Stadtrat als das den Zuschlag erteilende Gremium keine Wahl hat. Dass es hier mehr Spielraum geben muss, hat der Städte- und Gemeindetag schon mehrfach gefordert, bisher unerhört.
Zur Qualität der Bauausführung kann ich aktuell nur sagen, dass eine Abnahme erst nach Behebung von Mängeln erfolgen kann.
Die Stehlen am Marktbrunnen waren auch nicht die erste Wahl. Es war eine Innenbeleuchtung des Brunnens vorgesehen, die aber letztlich auch aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden konnte. Die Auswahl des so genannten Stadtmobiliars inklusive Lampen erfolgte bereits schon im Rahmen der Bürgerbeteiligung vor vielen Jahren. Eine Begrünung mit Bäumen wurde seitens des Denkmalschutzes verworfen, da dies historisch für Radeburg nicht belegt ist.

RAZ: Würde die Entscheidung heute im Rahmen der Klimadebatte anders ausfallen? Beim Bund gibt es Berge von Entscheidungshilfen für Kommunen mit Beispielen zur klimagerechten Stadtgestaltung. Zur Vermeidung der Errichtung von immer mehr umweltschädlichen Klimaanlagen kommt der Begrünung und Bewässerung zur Abkühlung der Innenstädte höchste Bedeutung zu.

MICHAELA RITTER: Sicherlich haben wir hier noch Möglichkeiten, ähnlich wie auf der Großenhainer Straße, auf Bäume zwar zu verzichten, aber doch für Stadtgrün zu sorgen. Vielleicht stellen wir auch mobile Elemente auf...

RAZ: Ähnlich wie in der Stadt Oranienbaum. Dort sind Orangenbäumchen aufgestellt, die im Gewächshaus überwintern.

MICHAELA RITTER: Bräuchten wir noch ein geeignetes Winterquartier...

RAZ: Vielleicht am Standort ehemaliges Gaswerk. Es ist ja sehr bedauerlich. Dass das Objekt nicht mehr gerettet werden kann...

MICHAELA RITTER: Ab dem Jahr 2014 bemühte sich die Stadt Radeburg zusammen mit der ENSO als Eigentümer eines Teilgrundstücks um eine gemeinsame Vermarktung der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. Im Rahmen zahlreicher Gespräche zu künftigen Nutzungen wurde zunehmend die Altlastenproblematik des Objektes deutlich.
2017 erfolgte auf dem Gelände der ENSO eine Teergrubensanierung. Dabei wurden auch auf dem städtischen Teil des Gaswerksgeländes Teerkontaminationen und Teile von Teergruben festgestellt.
Im weiteren Verlauf wurde stichprobenartig durch ein Umweltbüro der städtische Teil des Objektes untersucht und sowohl im Boden als auch in der Bausubstanz Belastungen u.a. mit Cyaniden, Kupfer- und Nickelverbindungen, Phenolen, Sulfaten und anderen giftigen Substanzen festgestellt.
Bei weiterführenden Beratungen von Stadt, Fachgutachtern und den zuständigen Behörden des Landkreises wurde klar, dass ein Erhalt und eine Nutzung des Gebäudes deshalb weitestgehend ausgeschlossen sind. Es sind weitere Bodenuntersuchungen sowie ggf. Bodenaustausch erforderlich, was bei Erhalt der Bausubstanz nahezu unmöglich ist.
Die Gebäudesubstanz ist so baufällig, dass sie mittlerweile eine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Unter diesen Umständen hat der Stadtrat beschlossen, einen Antrag beim Landkreis Meißen zu stellen, das Gebäude von der Denkmalliste zu streichen und abreißen zu dürfen.

RAZ: 7 Bürgermeisterjahre sind eine unglaubliche Zeit. Sie entspricht der Zeitspanne von der Geburt eines Kindes über Laufen- und Sprechenlernen bis zum 1. Schuljahr oder der von der Schuleinführung bis zur Jugendweihe oder Konfirmation. Oder von da bis ins Berufsleben. Im Leben eines Menschen geschehen in solchen Zeiträumen große Veränderungen. Sind die Veränderungen in der Stadt in so einem Zeitraum vergleichbar?

MICHAELA RITTER: Die Vergleiche sind vielleicht etwas weit hergeholt und für meinen Geschmack auch zu pathetisch. Natürlich wird jeder Amtsinhaber versuchen, nach bestem Wissen und Gewissen und unter Nutzung vorhandener Ressourcen das Beste für seine Gemeinde zu erreichen. Schauen wir mal sieben Jahre zurück. Kein schnelles Internet. Kein Drogeriemarkt. Das Wohngebiet Meißner Berg noch mit vielen Baulücken, das Gewerbegebiet mit vielen freien Flächen. Volkersdorf mit der gefühlt schlechtesten Hauptstraße Deutschlands, die Bedingungen der Freiwilligen Feuerwehren nicht überall zufriedenstellend, veraltete Technik auf dem Bauhof...

RAZ: Sehen Sie Ihren Vorgänger Dieter Jesse kritisch?

MICHAELA RITTER: Nein, Dieter Jesse hatte für die Stadt Radeburg unheimlich viel erreicht. In seinen Amtszeiten gab es andere Prioritäten. Die Wasser- und Abwassererschließung war notwendig und eine sehr große auch finanzielle Herausforderung, aber notwendig für eine saubere Umwelt, grundlegend für unsere Gesundheit. Schulen und Kindereinrichtungen waren neuen Ansprüchen entsprechend auszustatten. Den Kommunen wurden diese Maßnahmen als Pflichtaufgabe auferlegt, ohne dass nach den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde gefragt wurde. Es gab weniger Fördermittel, aber auch weniger Eigenmittel. Inzwischen ist durch finanzkräftigeren Zuzug junger Leute, vor allem aus dem Großraum Dresden, die Einkommenssteuer eine solide Position. Die Gewerbesteuer bleibt immer ein Unsicherheitsfaktor, weil sie geschätzt und vorausbezahlt wird und gegebenenfalls zurückgefordert werden kann. Aber insgesamt haben wir jetzt ganz andere Möglichkeiten. Wir konnten das Heimatmuseum sanieren, das als freiwillige Aufgabe vorher ein Randdasein führte. Wir konnten das Sportzentrum an der Jahn-Kampfbahn in Betrieb nehmen. Wir konnten dank neuer Förderprogramme den Schulhof und die Buswarteschleife an der Grundschule bauen und vieles mehr. Wir können uns nun mit den Parkanlagen befassen und ein Integriertes städtisches Entwicklungskonzept für alle Ortsteile umsetzen, an das in der Form früher gar nicht zu denken war. Grundlage für alle zu realisierenden Projekte ist und bleibt eine solide Haushaltspolitik.

RAZ: Mit dem Sportzentrum wurde ein Objekt geschaffen, auf das – bei allem gelegentlichen Streit – alle Sportler stolz sind. Allerdings ist es auch ein enormer Kostenfaktor...

MICHAELA RITTER: Dass es ein Zuschussgeschäft für die Stadt ist, ist auch den Stadträten klar. Es gibt hier aber ganz klare politische Entscheidungen. Wir haben für die Sportler und damit nicht zuletzt für die vielen Ehrenamtlichen, die sich um die Freizeitgestaltung unserer Bürger und der Kinder und Jugendlichen kümmern, vernünftige Bedingungen geschaffen. Auch alle drei Garden des RCC trainieren das ganze Jahr im Objekt. Und für den demnächst wieder stattfindenden Zillelauf als jährliche große regionale Sportveranstaltung ist der Rahmen ebenfalls optimal. Zuschüsse zahlt die Stadt pro Kopf und pro Sportstätte auch an unsere beiden anderen großen Sportvereine in Großdittmannsdorf und Berbisdorf sowie den Boxclub, weil das als äußerst wichtig und notwendig angesehen wird, auch oder gerade, weil dies freiwillige Aufgaben sind.

RAZ: Eine Pflichtaufgabe der Kommune sind die Feuerwehren. Bärnsdorf bekam 2013 ein neues Feuerwehrgerätehaus. Nach der Übergabe des neuen Feuerwehrgerätehauses in Großdittmannsdorf Ende 2018 wäre nun Berbisdorf an der Reihe. Hier bestehen eigentlich keine Bedingungen mehr, die man als ausreichend bezeichnen könnte...

MICHAELA RITTER: Ich sehe das auch so. Der jetzige Standort ist für einen Neubau nicht geeignet, weil zu klein.  Im Rahmen einer Analyse sind sechs mögliche Standorte für ein neues Gerätehaus untersucht worden. Die letztendliche Entscheidung muss nun der Stadtrat treffen, um die Planungen und Fördermittelbeschaffung auf den Weg zu bringen.

RAZ: Was man hat, weiß man schnell nicht mehr zu schätzen. Wie das Kind, das laufen und sprechen kann, ist es mit dem schnellen Internet. Wir hatten es 2016 in der Stadt und rund ein Jahr später auf den Dörfern. Ich möchte nur mal anmerken, dass unsere Nachbargemeinde Thiendorf gerade den Zuschlag an die Telekom vergeben hat, die nun einen Realisierungszeitraum von vier Jahren angibt. Das heißt, die kriechen bis zu vier Jahre weiter unter der 1MBit-Hürde, statt mit wenigstens 25 MBit zu laufen.

MICHAELA RITTER: Das Thema ist hochkomplex, weil technisch kompliziert, rechtlich vielschichtig und in der Förderabwicklung sehr bürokratisch. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass die Städte und Gemeinden – gerade kleine Kommunen – damit völlig überfordert sind. Der Ausbau sollte auf Ebene des Bundes oder mindestens der Bundesländer vorangetrieben werden. Aber leider sieht die Realität anders aus und die Bürger ärgern sich, dass der Ausbau nicht schneller vorankommt. Wir sind die erste Kommune in Ostsachsen, die flächendeckend schnelles Internet hat. Und wir sind die erste und einzige Gemeinde im Landkreis, die mit der ENSO eine Absichtserklärung unterzeichnet hat, dass überall, wo gebaut wird, Leerrohre verlegt werden, durch die man beim Ausbau der nächsten Geschwindigkeitsstufe, also für Gigabitnetze, Glasfaserleitungen schießen kann.
Wichtig ist aber auch, die Digitalisierung unserer Schulen und der Verwaltung voranzutreiben. Für die Digitalisierung der Schulen bekommen wir aus dem Programm „Digitalpakt Schule“ ca. 360 T€. Die nehmen wir natürlich in Anspruch. Noch sind wir in der Vorplanung, aber es zeigt sich schon jetzt, dass die Summe wohl vor allem für die Kabelverlegung in den Gebäuden reichen wird. Da hat man noch kein einziges digitales Endgerät in der Schule. Es ist traurig, dass auch hier mit einer homöopathischen Summe vor allem politischer Aktionismus betrieben wird, der niemandem wirklich richtig hilft und man auf halber Strecke allein gelassen wird. Und auch die Folgekosten der Digitalisierung zahlen dann die Kommunen selbst.

RAZ: Sie sprachen die Spaltung der Gesellschaft an. Eine besondere Rolle spielte dabei 2015 die Flüchtlingskrise. Das Kinderkurheim Volkersdorf wurde für viel (Steuer)geld saniert und steht jetzt leer. Gibt es Pläne für die durch den Landkreis erworbene Immobilie oder wird sie vorgehalten um bei einem erneuten Zustrom von Migranten besser vorbereitet zu sein?

MICHAELA RITTER: Es gab verschiedene Anfragen für ein Landjugendheim, eine Künstlerkolonie und eine freie Schule. Ich habe die Anfragenden zuständigkeitshalber an den Landkreis verwiesen, der der Eigentümer dieser Immobilie ist. Welche Pläne der Landkreis damit hat, das müssen Sie dort fragen. (Nachfrage dort erbrachte folgende Antwort: „Es gibt viele gute Ideen, doch die müssten auch realistisch sein – d. Red.)

RAZ: Die Spaltung der Bürgerschaft zeigte sich auch bei den Wahlen zum Stadtrat. Nun sitzt die AfD im Parlament, den Stimmen nach könnten es sogar vier sein. Hat sie das Ergebnis überrascht und wie geht der übrige Stadtrat mit der neuen Situation um?

MICHAELA RITTER: Eine Kommunalwahl ist ein höchst demokratischer Prozess, insofern spiegelt die Zusammensetzung des Stadtrates den Willen der Bürger wider. Dies sollte bei jeder Betrachtung immer berücksichtigt werden. Schon im Vorfeld der Wahlen hatte ich aus Gesprächen herausgehört und geahnt, was kommen würde. Manchen Mitbürgern war ein politisches Signal offenbar wichtiger als die Arbeit von Stadträten, die sich bewährt und viel bewirkt haben für die Stadt. Nun habe ich das ebenso wie jeder andere zur Kenntnis zu nehmen.
Von aktuell 15 Stadträten sind die Herren Riemer, Worlitzsch und Meister neu dabei, Herr Wehnert war bereits schon einmal Mitglied des Stadtrates. Die Zusammenarbeit funktioniert nach meinem Dafürhalten gut und weiterhin konstruktiv, so wie wir das in Radeburg eigentlich immer gewöhnt waren. Was mich allerdings immer wieder nachdenklich stimmt ist, dass sich so wenige Frauen für dieses wichtige Ehrenamt interessieren. Dies hat auch Auswirkungen auf Themen, Diskussion und Entscheidungen. Frau Dr. Voigt ist neben mir aktuell die einzige weibliche Vertreterin im Stadtrat.

RAZ: Sie sprachen den halbleeren Meißner Berg an, der nun gut gefüllt ist. Wie steht es insgesamt um den Wohnungsmarkt? Freie Wohnungen in kommunaler Hand gibt es im Grunde nicht mehr. Sie wären aber ein Regulativ, solange ein Angebot da ist. Andere Vermieter können die Preise treiben, die Grundstückspreise explodieren außerdem. Was ist der Plan?

MICHAELA RITTER: Um genau diesem Problem zu begegnen haben wir das Projekt Wohnstandort Großenhainer Straße gestartet. Hier sollen Eigenheime entstehen. Wir bieten in unserer städtischen Wohnungsgesellschaft Wohnraum zu sehr moderaten Preisen an und wollen dort demnächst auch mehr ins Umfeld investieren. So sollen die Spielplätze modernisiert werden, um auch jungen Familien mehr Attraktivität zu bieten. Und wir haben mit den Fördermitteln aus Stadtsanierung und Dorfentwicklung noch einige Jahre Möglichkeiten, die Wohnraumschaffung von Privaten zu unterstützen. Hier sehe ich deutliche Potentiale gerade auch in der Radeburger Innenstadt.

RAZ: Die Not wäre vielleicht nicht ganz so groß, wenn der Standort am ehemaligen Rittergut wie geplant im letzten Herbst fertiggestellt gewesen wäre. Nun war am Aschermittwoch Grundsteinlegung. Wodurch kam es zu den Verzögerungen?

MICHAELA RITTER: Es ging vor allem um eigentumsrechtliche Fragen. Die Firma Hentschke-Bau musste erst die Immobilien erwerben, was einige Zeit in Anspruch genommen hat. Sicher wird sie die Grundstücke später wieder verkaufen. Für das Pflegeheim musste ein  neuer Betreiber gefunden werden, nachdem die Volkssolidarität ihr Engagement am Projekt aufgrund personeller Engpässe beenden musste. Die Firma Michael Bethke wird nun das Pflegeheim betreiben und am gleichen Standort auch das Betreute Wohnen sicherstellen. Außerdem werden noch seniorengerechte und Familienwohnungen errichtet, so wie es von Anfang an geplant war.

RAZ: Der Beschluss darüber, dass der Faschingssonntag verkaufsoffen sein soll, stieß bei Händlern auf Ablehnung. Teils wegen schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit, teils weil sie selbst beim Umzug aktiv sind. Wurden die vorher nicht gefragt?

MICHAELA RITTER: Nein. Die Notwendigkeit bestand auch nicht, da für das Jahr von den Händlern kein Bedarf angemeldet wurde. Der Stadtrat wollte nur legitimieren, was ohnehin schon Praxis war: nämlich dass einzelne Geschäfte geöffnet hatten. Es ist zu so einem Termin ja niemand verpflichtet, seinen Laden aufzumachen. Vier verkaufsoffene Sonntage stehen jeder Kommune zu, allerdings muss die Öffnung an ein bestimmtes Ereignis gekoppelt sein und durch den Gemeinderat beschlossen werden. Mit dem Weihnachtsmarkt und dem Faschingssonntag haben wir gerade mal zwei fixiert. Also wer möchte, kann gerne noch einen Antrag für ein oder zwei weitere Sonntage stellen.

RAZ: Was sind die Herausforderungen der nächsten sieben Jahre, die Sie sehen und die Sie meistern wollen?

MICHAELA RITTER: An erster Stelle sehe ich weiterhin, neben den infrastrukturellen und städtebaulichen Zielen, eine familienfreundliche Stadt Radeburg zu schaffen. Neben dem Baustart an der Großenhainer Straße sehe ich den Ersatzneubau der KiTa „Sophie Scholl“ und die Außensanierung der „Villa Regenbogen“ in Volkersdorf als dringend an. Nicht ganz unwichtig ist die Neuanlage und Verbesserung der freien Spielplätze in der Stadt und auf den Dörfern.
Noch nicht gesprochen haben wir über das Projekt Zille-Oberschule, das wir gerade im Stadtrat diskutieren. Hier wollen wir einen zukunftssicheren Erweiterungsbau. In die Planungen haben wir auch Lehrer als diejenigen einbezogen, die den Bedarf am besten kennen und die dann mit den Gegebenheiten klarkommen müssen.
Mit der Ansiedlung der ASB-Tagespflege anstelle des ehemaligen Polyzentrums ist nicht nur einer der letzten Schandflecke im Stadtbild verschwunden, sondern auch ein Anfang gemacht, sich auf eine älter werdende Bevölkerung einzustellen. Mit den schon genannten Maßnahmen am Hofwall geht es weiter, wir wollen aber auch den Fokus auf die alten Menschen in den Dörfern legen und die Seniorenbetreuung in den Ortsteilen ausbauen. Gemeinsam mit dem Geriatrischen Netzwerk und der Zilleschule haben wir einen Barriereatlas von Radeburg erarbeitet, der uns bei künftigen Planungen helfen soll, weiter Barrieren abzubauen. Für die Naherholung sollen unsere Parkanlagen ertüchtigt werden. Das gilt für den Heinrich-Zille-Hain wie für den Schlosspark Berbisdorf. Demnächst wird es in Berbisdorf eine Auftaktveranstaltung zur Erarbeitung einer denkmalpflegerischen Rahmenkonzeption für den Schlosspark geben.

RAZ: Meine traditionelle Abschlussfrage: Was hätten Sie gerne, was ich noch gefragt haben sollte?

MICHAELA RITTER (lacht): Mich wundert, dass diese Frage gerade von Ihnen noch nicht gekommen ist: Wie geht es weiter mit den Radwegen?

Hier ist die Stadt nicht Träger der Planung, sondern nur beteiligt. Der Freistaat Sachsen plant an Radwegen in alle Richtungen. Zwischen Bärnsdorf und Volkersdorf sowie Volkersdorf und Dresden, an der S96, soll der Fernradweg Dresden-Berlin weiter gebaut werden. Hier sind noch Klärungen zu Umweltfragen nötig. Die ersten Lesefassungen für Verwaltung und Stadtrat sollen in diesem Jahr vorliegen. Zwischen Radeburg und Rödern soll die 1. Lesefassung des Vorentwurfs Anfang April vorliegen. Die öffentliche Beteiligung soll im IV. Quartal stattfinden.
Auch an der S 177 Radeburg – Bärwalde wird ein neuer Anlauf gewagt. Ab Anfang April soll hier die 1. Lesefassung des Vorentwurfs erarbeitet werden und Mitte Juni vorliegen. Wir hoffen sehr, dass mehr Dynamik in die ganze Sache kommt.

RAZ: Bleibt mir nur, mich für das Gespräch zu danken. Ich wünsche Ihnen auch im Sinne einer Bestätigung der Zukunftspläne für unsere Stadt eine hohe Wahlbeteiligung am 29. März.