Standpunkt: Telefonbücher sind Müll

Unser Leser U. Hahn zur "Methode" der Telefonbuchverlage, jedem Haushalt gedruckte Telefonbücher aufzunötigen.

Telefonbücher

Telefonbücher sind überflüssig und umweltschädlich, findet der Autor. Foto: flickr/hierher

Alle Welt diskutiert über die Rettung der Umwelt, Reduzierung von Plastikmüll, Maßnahmen zum sparsamen Umgang mit Ressourcen usw.

Umso befremdlicher fand ich es, als ich vor einigen Tagen wieder zwei neue Telefonbücher im Briefkasten vorfand (das Örtliche und die Gelben Seiten). In meinen Augen sind gedruckte Telefonbücher ein Relikt des vorigen Jahrhunderts! Sie sind schon veraltet in dem Moment, in dem man sie das erste Mal in der Hand hält. Sie sind regional begrenzt und die Suche nach einer Nummer ist extrem umständlich.

Ein Anruf bei der im Buch beworbenen Auskunft ist zumal mit 1,99 Euro pro Minute (vom Handy noch mehr) in meinen Augen unverschämt teuer. Eine Suche im Internet ist sehr viel schneller, kostenlos und aktuell. Im Selbstversuch habe ich beispielsweise unseren Heizungsmonteur in den gelieferten Büchern überhaupt nicht gefunden (weil außerhalb der Reichweite der Bücher), im Internet aber in weniger als 5 Sekunden.

Ich betone, dass ich nicht die Daseinsberechtigung der Auskunftsdienste als solche in Frage stelle, sondern nur die gedruckte Ausgabe! Ich gebe zu, dass sicher nicht jeder das Internet nutzt. Für diejenigen mag das gute alte Telefonbuch einen Nutzen bringen. Aber der Prozentsatz dieses Teils der Bevölkerung sinkt ständig. Es ist schon schlimm genug, wenn sich in diversen Verkaufsstellen die Telefonbücher stapeln. Immerhin nehmen sich dort nur die Personen Exemplare mit, die sie auch nutzen. Ich denke aber, dass immer noch genügend Exemplare übrig bleiben, die dann in den Müll wandern.

Viel schlimmer finde ich aber die Praxis, diese Bücher einfach in die Briefkästen zu verteilen. Was für ein Aufwand für die Postboten! Und in den meisten Haushalten, die ich kenne, werden diese sofort in den Müll entsorgt. Was für eine Ressourcenverschwendung! Jährlich werden (Telefonbuch + Gelbe Seiten + Örtliche) ca. 100 Millionen Exemplare gedruckt. Davon wird ein sehr großer Teil in den Müll entsorgt. In den Niederlanden wurde im letzten Jahr die gedruckten Telefonbücher abgeschafft. In Schweden passierte das schon vor Jahren. Warum nicht auch bei uns?

Die Deutsche Tele Medien hatte Anfang 2018 zwei wichtige Argumente dafür, diese Bücher beizubehalten: Eine nach wie vor hohe Akzeptanz bei den Bürgern und gesetzliche Vorschriften. Ehrlich? Ich kenne in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis niemanden, der sich diese Bücher ansieht. Und die gesetzlichen Vorschriften? Es geht um  §78 TKG (Telekommunikationsgesetz). Im Satz 3 wird "die Verfügbarkeit mindestens eines von der Bundesnetzagentur gebilligten gedruckten öffentlichen Teilnehmerverzeichnisses (§ 104), das dem allgemeinen Bedarf entspricht und regelmäßig mindestens einmal jährlich aktualisiert wird" gefordert. Allerdings steht auch im gleichen §78 der Satz 5. Gefordert wird "die flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen oder anderer Zugangspunkte für den öffentlichen Sprachtelefondienst an allgemeinen und jederzeit für jedermann zugänglichen Standorten entsprechend dem allgemeinen Bedarf". Im Moment existieren in Deutschland nur noch ca. 17000 öffentliche Telefone.

Immerhin in Radeburg und Moritzburg insgesamt noch 4 Stück! Hier hat die Telekom "entsprechend dem allgemeinen Bedarf" gnadenlos ausgedünnt und ich habe dafür volles Verständnis! Warum nicht auch eine Reduzierung der Telefonbuchauflage auf eine Zahl, die "dem allgemeinen Bedarf entspricht"? Können wir uns den gegenwärtigen Zustand in Zeiten der Umweltverschmutzung durch Papier- und Plastikmüll (die Bücher sind ja in Folie eingeschweißt) wirklich leisten? Ja, die Telefonbuchverlage leben von Werbung und der Anzahl der verteilten Exemplare. Aber ist es nicht eigentlich eine Frechheit, den Müll auf die Bürger abzuwälzen, indem die Bücher einfach in die Briefkästen gesteckt werden? Vermutlich geschieht das, weil dann die Telefonbuchverlage ihren Werbekunden entsprechend der vermeintlich großen Leserzahl hohe Kosten für ihre Firmeneinträge berechnen können.

U. Hahn

PS: Und falls jemand beim Lesen dieser Zeilen meint, ich würde nicht an die Älteren denken: Auch ich bin Ü60!