Lauterbach hat dem Schloss die Krone aufgesetzt

Am Donnerstag, dem 28.11.2019, endete mit der Turmsetzung auf das Schlossdach das "Turmprojekt", das ohne Mittel aus der Gemeindekasse, nur mit Spenden und Fördergeldern und nur Dank der Initiative des örtlichen Fördervereins möglich wurde.

die goldene Kugel mit den Namen der Turmherren und die Wetterfahne werden aufgesetzt.

Der krönende Abschluss mit dem Krahn: die goldene Kugel mit den Namen der Turmherren und die Wetterfahne werden aufgesetzt.

„Viele Schlossfreunde wollten sich dieses einmalige Ereignis nicht entgehen lassen. Sie hatten sich extra Urlaub genommen. Manche wurden von ihrem ‚Chef‘ auch von der Arbeit freigestellt. Sogar die Hopfenbachflöhe der Kindertagesstätte Lauterbach waren gekommen, um den Turm auf's Dach schweben zu sehen und einen Teil lebendig gewordener Schlossgeschichte miterleben. 

So manche Träne floss in diesem emotionalen Moment, auf den der Förderverein fast vier Jahre hingearbeitet hatte. Ohne die vielen Spenden von Nachfahren ehemaliger Schlossherren, Fördervereinsmitgliedern, Schlossfreunden und regionalen sowie überregionalen Unternehmen und der selbstlosen Unterstützung durch das Architektenbüro von Anuschah Behzadi aus Leipzig wäre diese Mammutaufgabe vom Förderverein nicht zu bewältigen gewesen. 

Dafür noch einmal unseren aufrichtigen Dank an alle, die uns unterstützt haben!  Vielen Dank auch an ‚Petrus‘, der entgegen aller Vorhersagen für passendes Wetter gesorgt hatte.“

Dies sind die letzten Zeilen, die Randi Friese, die für den Verein ehrenamtlich das Turmprojekt managte, ins Bautagebuch schrieb, das am Donnerstag, dem 28.11.2019, mit der Turmsetzung auf das Schlossdach geschlossen werden konnte.

„Vorher sah das Schloss nur irgendwie wie ein großes Haus aus, jetzt sieht es auch aus wie ein Schloss,“ kommentiert Bernd Thronicke. Der ehemalige Großenhainer Wirtschaftsförderer war als Vereinsmitglied für die Bauüberwachung zuständig. Auch von anderen wird der Turm offenbar als entscheidendes Element gesehen, das die Bezeichnung „Schloss“ rechtfertigt: „Durch Leopold Carl von Palm bekam das Herrenhaus in der Mitte des 18. Jahrhunderts seinen Schlosscharakter mit dem turmartigen Dachreiter,“ heißt es im Eintrag bei Wikipedia.

Mit dem Niedergang des Adels in Deutschland verfiel auch das Schloss zusehends. Herbert von Palm verkaufte es 1929 noch für 1 Million Reichsmark. Der Erwerber, der Dresdner Rechtsanwalt Walter Wilhelm, nahm 1931 den baufälligen Turm aus Sicherheitsgründen ab. Mit seiner Enteignung und Verschleppung setzte sich der Niedergang fort. Nach der „Umnutzung“ durch die Rote Armee als Versorgungsstützpunkt und den Übergang in Volkseigentum wurde wenig Rücksicht auf die denkmalwürdige Bausubstanz genommen und weder die Nutzung als Ferienlager noch die als Internat oder Schule bedurften einer Turmuhr. Nach der Schließung der Schule und der Räumung der letzten Wohnungen 1992 kam das Schloss auf die lange Liste der vom Verfall bedrohten Schlösser Sachsens.

Die inzwischen zuständige Gemeinde Ebersbach sah sich finanziell außerstande, das Schloss zu retten und suchte spätestens ab 2002 fieberhaft nach Lösungen. Auch „Reprivatisierung“ stand im Raum. Als es damit immer ernster wurde, gründete sich 2006 der Verein Schloss und Park Lauterbach e.V. mit dem Ziel, das Schloss für die Allgemeinheit und insbesondere für die Beiersdorfer und Lauterbacher Bürger zu erhalten.

Seitdem wird das Schloss Schritt für Schritt zu neuem Leben erweckt. Die Wiedererrichtung der Turmhaube setzt der Arbeit des engagierten Vereins nun die Krone auf.

„Wir sind Zeitzeugen eines historischen Moments“, holt Bürgermeister Falk Hentschel weit aus. „Vor 88 Jahren musste der Turm abgenommen werden und wir haben nun dreieinhalb Jahre darum gekämpft, dass er wieder aufs Dach kommt.“

Dieser dreieinhalbjährige Kampf um das Türmchen klingt wenig im Verhältnis zur Leistung des Vereins in den zehn Jahren davor, aber hier wirkt eben auch das Pareto-Prinzip: die letzten 20% sind schwerer als die vorherigen 80.

Falk Hentschel, selbst Beiersorfer und schon vor seiner Amtszeit Vereinsmitglied weiß, wovon er redet. Der Verein konnte für das Türmchen nicht in die Gemeindekasse greifen, da die Erhaltung eines Schlosses keine kommunale Aufgabe ist. So wurde die Idee geboren, über Turmpartenschaften die Eigenanteile für eine Förderung aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung zu erhalten.

150 Turmherrinnen und Turmherren, Nachfahren von Schlossbesitzern, Schlossfreunde und Unterstützer aus Nah und Fern hoffen seit dem Start des Turmprojekts 2016 darauf, dass Schloss Lauterbach mit dem Türmchen sein historisches Aussehen wiederbekommt.

Als die Kosten kalkuliert und der Förderantrag schon am Laufen war, stellte sich heraus, dass das zweite Zifferblatt, die Turmspitze, die Geländer und die Zierelemente in der Kostenplanung vergessen wurden. Zudem gab es beim ersten Anlauf mit nur einem Los für einen Generalunternehmer keine Bieter. In der freihändigen Einzelvergabe mit mehreren Losen stellte sich dann heraus, dass sich die Preise inzwischen verdoppelt hatten. Nun hätten die Eigenanteile aus den Turmpatenschaften nicht mehr gereicht, um die jetzt höheren Eigenmittel zusammenzubekommen. Gemeinsam mit dem Dresdner Heidebogen e.V. wurde nach einer Lösung gesucht und das Turmprojekt war letztlich Auslöser, dass der Dresdner Heidebogen noch einmal das ganz große Rad drehte und seine Fördersätze für Vereine deutlich anhob. Dazu mussten weite Wege gegangen werden – bis in das für den ländlichen Raum zuständige Ministerium. Insgesamt befürwortete der Heidebogen schließlich 119.000 €uro für das Turmprojekt. Mit Staatssekretär Frank Pfeil vom Sächsischen Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft, der stellvertretenden Landrätin Janet Putz und Susanne Danneberg vom Dresdner Heidebogen waren auch Vertreter der an diesem komplizierten Bewilligungsprozess beteiligten Institutionen zugegen.

Dass diese Summe nun schließlich tatsächlich reichte, lag unter anderem auch daran, dass das Architekturbüro Anuschah Bezhadi die Planung kostenfrei erledigte,  sich für Glocke und Uhr mit Eckhart und Christiane Riedel noch Spender fanden und ein anonymer Großspender für die Turmspitze.

Vereinsvorsitzender Herrmann Schaar, selbst dem Berufsstand angehörend, dankte allen Handwerkern und richtet einen Appell an die anwesenden „Hopfenbachflöhe“ aus dem Lauterbacher Kindergarten: „Werdet Handwerker!“

Diese konnten gemeinsam mit vielen Vereinsmitgliedern, Mitgliedern der örtlichen Feuerwehr, Gemeinderäten, MDR, Presse, Maler Roland Schwenke, Einwohnern und vielen anderen Interessierten beobachten, wie das Werk durch diese Handwerker vollendet wurde.

In der Nacht zum Dienstag, dem 26. November ging der Schwerlasttransport mit dem 18 Meter hohen Turm von Boxdorf in Richtung Lauterbach auf die Reise. Bereits im Juni hatte das Türmchen schon eine große Fahrt von Lohmen nach Boxdorf hinter sich. In Lohmen hatte die Zimmerei Klemm die Holzkonstruktion des Türmchens geschaffen. Die Metallbauer der Böhme Systems GmbH waren als nächstes an der Reihe und brachten die Blech-Außenhaut auf. Zu den Referenzen der Moritzburger gehören u.a. Restaurationen an der Frauenkirche, Schloss Pillnitz und am Zwinger.

Am Mittwoch, dem 27. November waren weitere Gewerke vor Ort. Die Firma Metallbau Held aus Großenhain erledigte Schlosserarbeiten, Mitarbeiter der Bernhard Zachariä GmbH aus Leipzig bauten die neue Turmglocke ein, in die zuvor noch mit den Namen der Spender - Eckehard und Christiane Riedel eingraviert wurden. Die Firma Zachariä übernahm auch die Montage der Schlagglocke und der Uhr.

Am Freitag waren noch einmal die Männer der Firma Böhme gefragt. Geschäftsführer Holm Böhme höchstselbst leitete die Turmmontage. Der Kranführer von der Firma Maxi-Kraft aus Zeithain setzte auf sein Kommando den Kranarm in Bewegung. Dieser musste von 25 Meter auf 45 Meter ausgefahren werden, um den Turm über den Dachfirsten zu bringen. Da standen nicht nur den Kindern die Münder offen, wie der 3,5 Tonnen schwere Turm millimetergenau in die vorgesehenen Verankerungen gesteuert wurde. Liebe Kinder, 3,5 Tonnen ist ungefähr das Gewicht von 5 Kühen (700 kg)!

Als der Dachreiter schließlich abgesetzt wurde, gab es großen Beifall und es kam die Zeit der Gruß- und Dankesworte. Das Ereignis wird allen Beteiligten, aber auch den Anwesenden, ob groß oder klein, immer in Erinnerung bleiben.

Unterdessen wurden noch die goldene Turmkugel, in der sich unter anderem die Namen der Turmherren befinden und die Wetterfahne aufgesetzt. Zum Abschluss wurden die Montagetraversen entfernt und ein Adventsstern installiert.

Ein kleiner Trost für die in diesem Jahr wegen weiterer Restaurierungsmaßnahmen ausfallende Schlossweihnacht. Randi Friese gibt noch mit auf den Weg, dass es eine feierliche Turmeinweihung im Rahmen der 300-Jahrfeier von Schloss Lauterbach am 21. Juni 2020 geben wird. Es wird ein großes öffentliches Fest für Neugierige, Schlossfreunde und alle die, die es noch werden wollen, mit dem Förderverein allen Nachfahren, Förderern, Unterstützern. Es wird ein buntes Programm für Jung und Alt mit exklusiven kulturellen Highlights und einmaligen Überraschungen geben. Außerdem gibt es die Premiere ihres Buches “300 Jahre Schloss und Park Lauterbach - Ein Spaziergang durch Raum und Zeit“ mit neuen historischen Erkenntnissen, Zeitzeugenberichten und kurzweiligen Episoden, mit Hintergrundwissen rund um die Geschehnisse im und am Schloss.

Allen, auch den vielen hier nicht erwähnten Beteiligten rund um den Förderverein und von außerhalb sei auf diesem Wege ein herzliches Dankeschön gesagt für diese großartige Bereicherung unserer kulturellen Heimat.