Er ist wieder da - auf vielfältige Weise: Heinrich Zille.

Nach dem Aus für den "Zilleball" als traditionellem Einstieg der Radeburger Narren in die zweite Saisonhälfte, mit der Zilles Geburtstag am 10. Januar gedacht wurde und dem in Radeburg praktisch vergessenen 160. Geburtstag 2018 hat sich viel getan, um "Radeburgs berühmtesten Sohn" wieder zu Ehren kommen zu lassen.

Zille ist wieder präsent in Radeburg

Zille ist wieder präsent in Radeburg - beim Karneval und bei der Verleihung des nach ihm benannten Karikaturenpreises. In der Mitte die die Karikatur, mit der Renate Alf den Publikumspreis 2023 gewann und rechts die Karikatur des Jurypreises 2024, welcher an Philipp Sturm ging.

Schon ein Jahr später, 2019, wurde auf Initiative von Bürgermeisterin Michaela Ritter der Heinrich-Zille-Karikaturenpreis aus der Taufe gehoben, der inzwischen deutschlandweit bekannt ist. Im vergangenen Jahr schließlich, im August 2023, tauchte Heinrich Zille plötzlich wieder persönlich in Radeburg auf: beim Scheunenfest! Nun macht er auch beim Karneval mit und bei der Heinrich-Zille-Preisverleihung war er auch zu Gast!

Wie Zille zurück nach Radeburg kam

Ein Video und seine Geschichte

 

„Eigentlich war es aus der Not geboren,“ erzählt Manuel Schmidt, einer der Organisatoren des „Scheunenfestes“. „Wir brauchten einen Zille. Kostüm hatten wir, aber keinen Bart. Da kamen wir auf unseren Nachbarn Steve Hornuf. Bei ihm war der Bart schon vorhanden und wir holten ihn zur Anprobe.

,Passt! - Machts Du’s?' -  ,Klar!'“ Und so wurde aus Steve der neue „Zille“.

Im Gegensatz zu seiner Rolle ist er zwar nicht in Radeburg geboren, aber hier schon seit vielen Jahren zu Hause. Er spielt in der TSV Fußball – wie Karnevalspräsident Kai Drabe und daher kennt man sich. „Machts Du`s? Klar!“ Und schon war er beim Dreh mit Kai Drabe, Sebastian Kube, dem RCC und Freunden an prominenten Radeburger Drehorten: dem Stadtcafé Mensch, dem Wäscheeck Lau, der Genuss-Quelle D. Klotsche, dem Boxclub Radeburg, im Hirsch, bei Apollo-Optik, bei Selgros und schließlich bei Sanitär Herrmann.

„Die Idee, den Werbespot von EDEKA auf Rabu umzumünzen, hatte ich schon vor einigen Jahren und jetzt mit dem Motto ‚RABU – Klappe die 67.‘ passte es endlich,“ sagt Kai Drabe. Dass Steve jetzt dazu kam, war ideal. Er war schon öfter als "Fuffi" bei unseren Auftritten ,under cover' dabei - im Video ist ja eine Anspielung drauf. Der Song „Supergeil“ geht zurück auf den Song „Der Tourist“ von Friedrich Liechtenstein, der von der touristischen Erschließung der Stadt Berlin handelt – die supergeil ist. Friedrich Liechtenstein, der auch in der RABU-Version zu hören ist, sieht selbst wie Zille aus und inspiriert natürlich dazu, den „Urberliner“ in ihm zu sehen. 2014 coverte EDEKA das Stück und diese Version fand Kai noch viel inspirierender. Diese Version ist wortwörtlich zu hören und passt auf RABU wie die Faust des Boxclubs auf den Lachsack.

Steve, machst Du weiter? Wir erwarten ein: „Klar!“

"Wohl bekomm's!"

Publikum hat seinen eigenen Geschmack

Nach dem Wettbewerb 2023, bei dem Jan Kunz den Hauptpreis gewann, gab es wie immer die Ausstellung der besten Arbeiten zum Thema "Wohl bekomm's!" Der Cartoon „Luxus-Kita“ kam bei den Radeburgern und ihren Gästen am besten an.

Mario Süßenguth, bekannt vom Sachsenradio und seinem Podcast „Marios Genüsse“, einer der beiden Kuratoren der Karikaturenausstellung, beschreibt das Bild so: „Ganz wie im Drei-Sternelokal serviert das Kindertagesstätten-Personal erlesene und edle Feinkost, jedenfalls klingt es so, wenn der leicht unterwürfige Erzieher raunt: ‚Stäbchen vom Edelfisch an Potatoe-Stampf mit Prinzess-Erbschen und Butter-Jus!‘ – Darauf eines der Kinder: „Für mich nur Kartoffelbrei!“ – denn Kindermund tut Wahrheit kund. Fischstäbchen bleiben nun mal Fischstäbchen und Kartoffelbrei bleibt Kartoffelbrei. Luxus beim Essen ist eben leider oft genug nur sprachlicher Etikettenschwindel, der für ehrliche, einfache Kost gar nicht nötig wäre. Wohl bekomme uns auch in Zukunft die Hausmannskost nach Hausfrauenart!“
Süßenguth weiter: „Renate Alf aus Weimar hat diese wahrhaftige Szene aus dem Kita-Einzugsgebiet gut betuchter Eltern aufs Papier gebracht – und das Publikum hier im Heimatmuseum Radeburg fand mehrheitlich: Renate Alfs Humor schmeckt uns, weil er nicht fad, sondern frisch und knackig ist!
1956 kam Renate Alf in Göttingen zur Welt – und für ihre immer tiefsinnig-komische Car-
toonwelt macht sie seit Jahrzehnten liebend gerne Ausflüge in den Kinderkosmos. 
Sie hat nie die eigene Kindheit vergessen, nicht während ihres Biologie- und Französisch-Studiums, nicht während ihres Referendariats am Gymnasium – und falls sie doch irgendwas vergessen haben sollte, dann kam alles wieder zurück in ihrer Zeit als verheiratete vierfache Mutter mit eben jenem eigenen Nachwuchs, den es zu erziehen und zu erheitern galt. 
Seit vierzig Jahren schöpft sie künstlerisch aus diesen Erfahrungen und aus immer neuen, komischen Beobachtungen. Denn im Jahr 1983 liegt die Geburtsstunde ihrer großen Leidenschaft, des Zeichnens von Cartoons und Karikaturen. Ihr Stil: unverkennbar, ihr Witz: eigenwillig und originell.
Von Anfang an bereichert Renate Alf auch die Ausstellungen zum Heinrich-Zille-Karikaturenwettbewerb. Heute, an diesem 14. Januar 2024, gibt es endlich den Publikumspreis ganz persönlich, den 500-Euro-Scheck von Hand zu Hand – ganz herzlichen Glückwunsch dazu!“

Den Scheck überreichten der Sponsor, Stefan Graf, vom Ideenwerk Radeburg. „Meinen ersten und bisher letzten Preis habe ich mit 15 gewonnen,“ sagt Renate Alf. Da wurde es also mal Zeit für einen weiteren Preis. Danke, Radeburger Publikum!
 

"Deutschland komisch Vaterland"

Zillepreisträger 2024 karnevalistisch

In seiner Eröffnungsrede erläuterte Mario Süßenguth die Schwierigkeiten, die „Profis der komischen Kunst“ heutzutage haben, denn sie haben Konkurrenz bekommen, „laienhaft, aber doch spürbar wachsend“. Damit meint er nicht die Närrinnen und Narren der sächsischen Karnevalshochburg, sondern: 
„Längst glauben hochrangige Politiker und andere Eliten der Gesellschaft, auch zahlreiche Journalisten, dass sie komischer sein können als die Komiker.“
Dies war für die Ausrichter der Anlass, den neuesten Wettbewerb unter das Motto zu stellen „Deutschland komisch Vaterland!“ Dem Zeitgeist folgend könne man ergänzen „Mutterland, Schwesterland und Bruderland … denn anderswo wird nach und nach ebenso wie bei uns hier alles Erprobte und Erfolgreiche auf den Kopf gestellt und bei Bedarf festgeklebt, damit es besser hält und nicht so schnell wieder umkippt – vom Kopf auf die Füße.“

„Quer denken, schief liegen, krumm schuften, alle Viere grade sein lassen – in all diese unterschiedlichen Tätigkeiten und Untätigkeiten zerfällt unsere schöne reiche Republik gerade,“ so Süßenguth weiter. „Gesichert extreme Extremisten kommen wieder und machen die Gesellschaft unsicher, sozialer Halt geht verloren. Pazifisten greifen lustvoll zur Waffe, Militärs warnen dringend vor dem Krieg. Sportler erbringen grandiose Bestleistungen, aber gewinnen nicht. Die Alten werden immer älter und die Jungen juckts nichts mehr – die Ein-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich und ohne Schulabschluss, bitte, wenn’s geht, am besten ganz ohne Arbeitspensum.“

Rund 75 Karikaturisten haben sich mit fast 400 Werken beteiligt. Einsendungen kamen aus Hamburg, München, Düsseldorf, Berlin, Flöha, Hetzdorf oder Ottendorf-Okrilla. 
Süßenguth: „Sie beleuchten und bestrahlen den Ernst der Lage mit erhellendem Spott, mit entlarvendem Witz und satirischer Schärfe.“

Der zweite Kurator der Ausstellung, Dr. Peter Ufer, der seit der Wende u.a. für die Kultursparte der Sächsischen Zeitung arbeitet und auch Vorsitzender der Jury des Deutschen Karikaturenpreises ist, besprach zunächst eine Auswahl von in der Karikaturenschau gezeigten Werken und kam schließlich auf den Preisträger Philipp Sturm zu sprechen. 
Ufer zitiert von einem Plakat der Bauernprotestler – dort habe er gelesen: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Passend zu den aktuellen Ereignissen wurde in Radeburg Sturm zwar nicht geerntet, aber gekürt. Der Kurator fand auf der Webseite des 48-jährigen Preisträgers: „Studium mit Magisterabschluss in Kommunikations- und Medienwissenschaften sowie Informatik. Abendstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Lebt und arbeitet im Bereich zwischen Kunst, Humor und Informatik und ist kreativer Kopf, CEO und AD der Software- und Designfirma pingpool in Leipzig. Gewinner des Silbernen Hutes 2021 sowie des Publikumspreises 2022 beim 60. internationalen Cartoonfestival Knokke-Heist (Belgien)“. Nun steht auf der Seite über allem natürlich der Heinrich-Zille-Karikaturenpreis!

Rot, grün, braun, Panzer, Einhorn - und Robert wer?

Zum Sieger-Cartoon sagte Ufer: „Die Karikatur war schon immer ein Mittel, Widersprüche in der Gesellschaft aufzuzeigen. Sie ist im Prinzip so alt wie der Bauernkrieg bzw. so alt wie die Auseinandersetzung mit den Absurditäten der Macht. Im 
16. Jahrhundert kritisierten Zeichner die Grotesken kirchlicher Exzesse. Diese Idee von einst bis heute, von Widerständigkeit bis Heiterkeit ehrt der Heinrich-Zille-Karikaturenpreis“. Ufer weiter: „und in diesem Jahr entschied sich die Jury mehrheitlich dafür, dieses Bild als Gewinner zu wählen.“ Aus dem Bild den Satz zitierend: „Das ist kein Indianerkostüm. Der Robert geht als kulturelle Aneignung,“ stellt Peter Ufer fest: „Das Bild wirft viele Fragen auf: „Erstens: die Dame mit den roten Haaren und der roten Nase – ist das die Erzieherin oder Sahra Wagenknecht im grünen Kostüm von Annalena Baerbock? Ist der Junge mit dem geschulterten Panzer der Enkel von Boris Pistorius? Wieso versteckt sich rechts hinter der Rot-Günen ein kleiner Brauner, den man gar nicht richtig sehen kann? Ein Einhorn mit Brille trägt einen regenbogenfarbenen Umhang. Ist das nicht eine Diskriminierung für den Regenbogen? Und schließlich: Wer ist Robert?“
Natürlich antwortete der Künstler auf die Fragen. Dass es sich bei der rot-grünen Person um Sahra Wagenknecht handeln könne, bezweifelte er, denn „die hätte keine Probleme mit der kulturellen Aneignung.“ Selbst dass die Person in rot grünen Farben gemalt ist, sei reiner Zufall. Wer das genau ist, da verweigerte er mit „scholzischem Grinsen“ die Aussage. 
Zur Frage „Wieso heißt der Robert?“ für die es an sich schon schallendes Gelächter gab, sagte er: „Weiß ich nicht. Ich habe wirklich keine Ahnung,“ und wieder lachte der von den Wänden bis zu den Fenstern voll besetzte Ratssaal. Sturm ergänzte: „Die Interpretation möchte ich gern dem Publikum überlassen.“ 

In einer verlesenen Grußbotschaft schrieb Heinjörg Preetz-Zille, der Urenkel des am 10. Januar 1858 in Radeburg geborenen Malers: „Mit dem Heinrich-Zille-Karikaturenpreis wird nicht nur das Können der Karikaturisten gewürdigt, sondern auch die Bedeutung dieser Kunstform als Beitrag zur Meinungsbildung, zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und zur humorvollen Betrachtung des Alltags.“
An Bürgermeisterin Michaela Ritter persönlich gerichtet schrieb er: „Mit dem Heinrich-Zille-Karikaturenpreis 2024 haben Sie erneut bewiesen, dass Sie die Werte und das Erbe meines Urgroßvaters in vorbildlicher Weise wahren und weitertragen.“

Sonderausstellung "Deutschland komisch Vaterland" im Heimatmuseum

Publikumsliebling gesucht (voraussichtlich bis März)

Die Sonderausstellung der besten Arbeiten des Wettbewerbs ist nun im Heimatmuseum ansehen! Von den Narren über die Regierung bis zur Opossition - ganz Deutschland bekommt sein Fett weg. Unser Herausgeber, das Ideenwerk Radeburg, hat wieder den Publikumspreis gestiftet. Wählen Sie Ihren Liebling! 

Öffnungszeiten

Di, Do 10:00 - 12:00, 13:00 - 18:00; 1. +3 Sa. 14:00 - 16:00