Bürgermeisterin Michaela Ritter: „Der Runde Tisch ist gelebte Zivilgesellschaft“

Der 6. Runde Tisch fand am Mittwoch, dem 31. August, im „Hirsch“ statt. Thema des Treffens war ein Rückblick auf das letzte halbe Jahr: was hat der Runde Tisch bewirken können? Die Teilnehmer sollten die Frage beantworten, was für Erwartungen sie hatten, ob und wie diese erfüllt wurden und ob eine Fortsetzung Sinn macht – neudeutsch nennt sich das „Evaluierung“. Die Teilnehmer waren sich einig: es muss weitergehen.

Der "Hirsch" war der Treffpunkt des 6. Runden Tisches

Der "Hirsch" war der Treffpunkt des 6. Runden Tisches - auch zu ihm gibt es reichlich Fragen bzgl. einer Zukunft.

Am 14. Februar wurde der Radeburger Appell zur Sicherung des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft veröffentlicht, 32 Personen hatten ihn unterschrieben. Viele der Unterzeichner haben zur Ausformulierung beigetragen – das war bereits ein Ringen um Konsens, der über einen regen Austausch in der am 11. Februar gegründeten Whatsapp-Gruppe und durch persönliche Gespräche geführt wurde. Nach dem Appell kam die Frage auf, wie man diesen Aufruf dauerhaft mit Leben erfüllen könnte und die Idee des Runden Tisches wurde geboren. Am Prozess „Runder Tisch“ nahmen bis zum fünften Treffen insgesamt 52 Personen teil – mit wechselnder Intensität und sicher auch aufgrund unterschiedlich gelagerter Interessen an den einzelnen Themen. 

Der 1. Runde Tisch mit 19 Teilnehmern befasste sich mit den Corona-Maßnahmen. Wichtig war allen, dass die Sichtweisen gegenseitig zur Kenntnis genommen wurden, auch wenn nicht zu allem ein Konsens erzielt wurde. Einig war sich die Runde aber beim Thema Impfpflicht. Alle stimmten der Aussage zu, dass die Impfung die freie Entscheidung jedes Einzelnen sein sollte. In diesem Sinne übergab Frau Dr. Sachse an den amtierenden BM einen Brief der Sächsischen Zahnärzte gegen die Einrichtungsbezogene Impfpflicht und ein Brief mit 48 Unterschriften ging an alle 38 sächsischen Bundestagsabgeordneten, in dem die zuvor gemeinsam erarbeiteten Argumente aufgezählt wurden. Im Ergebnis stimmten im Bundestag 10 Sachsen für die Impfplicht, 23 dagegen, 4 enthielten sich. Der Runde Tisch rechnet sich an, einer von vielen Bausteinen gewesen zu sein, die dazu beitrugen, dass die Impfpflicht nicht eingeführt wurde. Beim 1. Runden Tisch wurden weitere Themenfelder ausgemacht, die in den folgenden Sitzungen behandelt wurden. 

Beim 2. Runden Tisch gaben einige der 18 Teilnehmer Erfahrungsberichte zum ihrer Meinung nach grobem Umgang der Dresdner Polizei mit Demonstranten wieder, Stadtrat Jens Meister stellte dem seine Sicht als Polizeibeamter gegenüber. Einigkeit wurde nicht erzielt, aber von allen dankbar die Möglichkeit des Meinungsaustauschs angenommen. Die Runde diskutierte die Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe bei uns in Radeburg. Dabei wurde festgestellt, dass der Stadtrat mit seinen vielen Pflichten wenig Zeit hat, auch noch teils gegensätzliche Anliegen von Bürgern erschöpfend zu diskutieren. Jens Meister hob auch im Rahmen der Evaluierung noch einmal hervor, dass es in den Stadtratssitzungen durchaus die Möglichkeit gäbe, Bürgeranliegen vorzutragen, was aber kaum genutzt wurde. Bürgermeisterin Michaela Ritter bekräftigte bei der Evaluierungs-Runde, dass es dafür in jeder Sitzung „eine Bürgerfragestunde“ gibt und wünschte sich, dass die Bürger diese Möglichkeit mehr nutzen. 

Beim 3. Runden Tisch, an dem 22 Bürger teilnahmen, lautete das Thema „Wachsende Angst und Aggression in der Corona-Krise – Ursachen, Folgen und Wege zur Überwindung“ – mit interessanten Vorträgen von Frau Dr. Sachse zur Rolle des Unterbewusstseins und von Elisabeth Lorenz zur Wirkung von Bildern im Kopf sowie einem Diskussionsbeitrag von Dr. Thomas Gross zur Erzeugung von Angst als Machtinstrument. – Augenmerk wurde auch auf die versuchte Verschiebung der Evaluierung der Coronamaßnahmen gelegt und erneut ein Brief an die Bundestagsabgeordneten verfasst, in der auf die Notwendigkeit der Evaluierung gedrängt wurde. An unsere Bundestagsabgeordnete Barbara Lenk wurde der Brief persönlich übergeben und von ihr an Martin Siechert. Diesmal hatten wir schon 120 Unterschriften. Für die gesellschaftliche Teilhabe und für den Zusammenhalt spielen die Vereine eine zentrale Rolle. Nicht zuletzt geht es bei ihnen auch um die Kinder und die Art und Weise ihrer Freizeitgestaltung. 

Deshalb wurde dieses Thema beim 4. Runden Tisch aufgegriffen. Es wurde aufgezeigt und auch bei der Evaluierung noch einmal von verschiedenen Gesprächsteilnehmern bekräftigt, dass die „flimmernden Angebote“ so attraktiv sind, dass es schwer ist, Kinder davon weg zu holen. Bemängelt wurden die Freizeitmöglichkeiten außerhalb des „Vereinszwangs“. Abgeschlossene Spiel- und Sportanlagen vs. Vandalismus und Vermüllung. Es gab gute Vorschläge, z.B. Betreuung der Plätze während festzulegender Öffnungszeiten durch freiwillige Aufsichtspersonen, die auch noch einmal im Rahmen der Evaluierung besprochen wurden. Zweifel wurden geäußert, ob die Kinder und Jugendlichen den Aufsichtspersonen Folge leisten würden. Das sei auch eine Frage der Ansprache und des Umgangstons, waren sich einige Teilnehmer der Evaluierung sicher. Man sollte es doch probieren. Ein weiterer Vorschlag war die Schaffung eines Pools von „Ersatzomas für alle Fälle“, die zeitweise Kinderbetreuung übernehmen würden, damit Muttis Zeit für Erledigungen bekommen oder um sich selbst einfach mal zu erholen. Im Ergebnis dieser Vorschläge befindet sich bereits eine kleine Gruppe im Austausch dazu. Im Rahmen der Evaluierung machte Michaela Ritter jedoch darauf aufmerksam, dass die Betreuung fremder Kinder versicherungsrechtlich geklärt werden müsse. Nicht lösen konnte der Runde Tisch den Konflikt der TSV mit den kleineren Vereinen. Es ist eine Sache, die diese Vereine nur selbst klären konnten. Vom Runden Tisch aus wurde ihnen dazu auch geraten. Es wurde die Formulierung gefunden: „Es beginnt mit gegenseitiger Wertschätzung“. 

Beim 5. Runden Tisch (mit 24 Teilnehmern) ging es um die Zukunft unserer Stadt. Dabei kristallisierten sich zwei Schwerpunkte heraus: der Markt und seine Bedeutung als zentraler Ort und die städtische Kommunikation. Bei der Evaluierung wurde noch einmal der Wunsch der Bürger herausgestellt, den Markt als „Wohnzimmer der Stadt“ zu verstehen. Leider sei er durch den Marktumbau zu einer „Steinwüste mit vielen Parkplätzen“ geworden. Bei der Evaluierung erinnerte Bürgermeisterin Michaela Ritter an den langen vorausgehenden Bürgerbeteiligungsprozess. Letztlich hätten sich die Händler durchgesetzt, die für ihre Kunden viele Parkplätze wollten. Um das Bild zu heilen, gab es verschiedene Vorschläge, insbesondere in Richtung Begrünung und Verschattung. Aus dem Runden Tisch heraus hat sich auf Initiative von Mandy Thieme bereits eine Gruppe „Marktgestaltung“ gebildet, die Möglichkeiten dazu ausloten möchte. Vor dem Marktumbau gab es einen viel beachteten Studentenwettbewerb zur Marktgestaltung. Bürgermeisterin Michaela Ritter schlug vor, diese Ideen noch mal rauszuholen und der Gruppe zur Verfügung zu stellen. Als ziemliche Bedrohung für die lebendige Innenstadt und das Veranstaltungsgeschehen wird die irgendwann anstehende Schließung des „Hirsch“ angesehen. Lösungen sind nicht in Sicht. Der Marktumbau hat bei aller Kritik aber die technischen Voraussetzungen für die Nutzung des Platzes als Veranstaltungsort geschaffen. Nun braucht es Initiativen, dass hier auch Veranstaltungen stattfinden. Dass die Stadt den Weihnachtsmarkt organisiert, ist nicht ihre Aufgabe, sondern eine Ausnahme. Aber sonst gäbe es auch diesen nicht mehr. Frühere Veranstalter haben das Handtuch geworfen, vor allem wegen zu viel bürokratischer Hürden. Allerdings: die Dörfer machen derzeit der Stadtbevölkerung vor, wie es gehen kann. Es fehlt wohl eher an Bürgern, die sich den Hut aufsetzen und einfach mal machen… Es kam der Vorschlag, Pop-Up- Läden in Radeburg zu installieren. Hier könnten sich Künstler, Händler oder andere über einen bestimmten Zeitraum den Radeburgern vorstellen. Familie Dirk Klotsche bot sofort an, ein leerstehendes Ladengeschäft mietfrei zur Verfügung zu stellen. Das Angebot wurde bis jetzt noch nicht genutzt. Der zweite Schwerpunkt des Themas „Zukunft der Stadt“ war die innerstädtische Kommunikation, zusammengefasst in der etwas drastischen Formulierung „In Radeburg wird viel gequatscht, aber wenig miteinander geredet.“ Ergebnis war der Vorschlag der Installation eines City-Managers. Stadtrat Rüdiger Stannek versprach, das Thema mit in den Stadtrat zu nehmen. Radeburg ist zu klein, um eine Person mit diesem Amt städtisch anzustellen, es sollte aber geprüft werden, ob ein Selbständiger sich das als Teilzeitjob vorstellen könnte. Offensichtlich ist dies an die Bürgermeisterin herangetragen worden, denn am 20. September (nach Redaktionsschluss) war der City-Manager von Großenhain in den Verwaltungsausschuss eingeladen. Die innerstädtische Kommunikation wird aber mit oder ohne Citymanager weiterhin ein Schwerpunkt bleiben. Die Bürgermeisterin bekannte, sich von den sozialen Medien abgemeldet zu haben. Die Online-Kommunikation beschränkt sich auf die eigene Webseite radeburg.de. Klaus Kroemke kritisierte, dass die Sozialen Medien, obwohl sie nahezu jeder nutzt, verteufelt werden und obwohl der sinnvolle Gebrauch auch bei der innerörtlichen Kommunikation nützlich, sinnvoll und sogar mal lebensrettend sein könnte. Als Beispiel nannte er die WhatsApp-Gruppe „Runder Tisch“, die mit den Gruppen „Marktgestaltung“ und „Ersatzomas“ schon Ableger hat. Auch die Ukrainehilfe wurde über Whatsapp-Gruppen in Radeburg schnell und effizient organsiert. Am Beispiel der ätzendend riechenden Rauchwolke und dem Brand an der Farm an den Ziegeleien am 25. Juli sei zu erleben gewesen, wie Spekulationen und Verunsicherung ins Kraut schießen, wenn die offiziellen Stellen keine Informationen ausgeben. NINA und KatWarn-Apps seien sehr spät und fehlerhaft gewesen - auch beim Brand in der Heide. Das könnte man vor Ort besser beurteilen und sollte deshalb auch die Möglichkeiten nutzen, die eigene Bevölkerung zu informieren. Natürlich ist Radeburg auch zu klein, um sich einen Stadtsprecher leisten zu können, was von einzelnen Teilnehmern als Lösung vorgeschlagen wurde. „Die Kommunikation muss schon über mich laufen,“ bekannte die Bürgermeisterin und fragte, wo sich die Teilnehmer der Runde denn informierten. Mehrfach wurde gesagt: „online beim Radeburger Anzeiger.“ Die Feststellungen blieben mehr oder weniger im Raum stehen. Aber wie schon bei früheren Runden ist festzuhalten, dass nicht zu allen Fragen Konsens erzielt werden kann. Miteinander zu reden statt nur zu quatschen ist aber immer ein erster Schritt – und das wird auch künftig beim Runden Tisch gehalten werden. 

(Nachbemerkung: Terminsuche für den Nächsten Runden Tisch läuft noch. Das Thema: Jugend und Freizeit aus der Sicht der Radeburger Jugendlichen. Der Termin wird über raz24.info und die sozialen Medien bekanntgegeben) 

Der Runde Tisch Radeburg - gemeinsames Statement

Erstveröffentlichung hier.