Trotz Nur-Briefwahl in Radeburg hohe Wahlbeteiligung - Michaela Ritter wiedergewählt.

Mit einer so nicht erwartet hohen Wahlbeteiligung von 51% und 98% der abgegebenen gültigen Stimmen wurde die Amtsinhaberin klar im Amt bestätigt, dabei standen die Sterne alles andere als günstig.

Wiedergewählt: Bürgermeisterin Michaela Ritter

Wiedergewählt: Bürgermeisterin Michaela Ritter (Foto: privat)

Jahrelang lief es im Radeburger Rathaus wie am Schnürchen - und dann kam der Markt... und dann kam Corona...

Michaela Ritter erwies sich bei ihrem Amtsantritt vor 7 Jahren als Frau der Tat. Sie hatte keine leeren Versprechungen gemacht, sondern beherzt die Themen angepackt, die notwendig waren. Die wirtschaftliche Entwicklung sah sie als vordringlich an, denn hier sollten Arbeitsplätze und Steuereinnahmen generiert werden, die ein gesundes Gemeinwesen braucht. Anders als ihr Vorgänger sah sie deshalb Wirtschaftsförderung als Bürgermeisteraufgabe. So gelang ihr die Ansiedlung mehrerer großer Unternehmen im Gewerbegebiet. Als erste ostsächsische Kommune mit flächendeckend schnellem Internet war ein Coup, um den viele Nachbargemeinden die Stadt beneiden.

Als quasi "gelernte Fördermittelexpertin" konnte sie durch Ausnutzung aller Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten die Stadt und die Dörfer und die Stadt weiterentwickeln, ob Heidestraßenbrücke in Großdittmannsdorf oder Ortsdurchfahrt Volkersdorf, Stadtarchiv, Heimatmuseum oder Feuerwehrgerätehauses Großdittmannsdorf; Beschaffung von Fahrzeugen für die Feuerwehren in Berbisdorf, Bärnsdorf und Radeburg sowie den Bauhof - überall wurden Haushaltmittel mit Fördergeldern veredelt und so Haushaltmittel sparsam und effektiv eingesetzt.

Für ein Radeburg der Generationen wurde ebenso viel erreicht: angefangen beim Hort und beim Sportplatz der Grundschule über das für die Freizeitgestaltung so wichtige Sportzentrum an der Jahn-Allee bis hin zum Betreuten Wohnen im ehemaligen Polyzentrum und dem Baustart im Mehrgenerationenquartier mit Altenheim am ehemaligen Rittergut.
Der drohende Wohnungsnotstand wurde erkannt und ein neues Wohnquartier an der Großenhainer Straße ausgewiesen. 

In ihrem Flyer nannte sie weitere Ziele, bei denen man dabei davon ausgehen kann, dass sie auch diese nicht nur verspricht, sondern dass sie auch erreicht werden. 

So weit, so erfolgreich, doch dann kam "der Markt" - und dieses Stichwort genügt, um vielen Radeburgern die Zornesröte ins Gesicht zu treiben. Hier trat ein bauliches Fiasko ein, das wohl kaum jemand für möglich gehalten hatte. Über das Thema wird zur Zeit im Stadtrat nur nichtöffentlich hinter verschlossenen Türen diskutiert, doch das Offensichtliche konnte man nicht wegschließen und es drohte, die ansonsten grandiose Arbeit der Bürgermeisterin zu überschatten: der Markt ist eine Fehlleistung - nein: nicht nur eine. Eine Aneinanderreihung von Fehlern und Versagen. Aus der Rückschau kann man freilich trefflich Urteile abgeben, aber schon nach den ersten Hinweisen von Fachleuten wäre ein ganz anderes Agieren aus dem Rathaus und aus dem Bauamt notwendig gewesen. 

Leider hat auch Michaela Ritter nicht erkannt, wo Vertrauen schlecht und Kontrolle besser gewesen wäre. Statt in den einen nur die Fachleute zu sehen und in anderen, wie z.B. Stadtrat Uwe Berge, nur Störenfriede und statt der ängstlichen Überbetonung der Einhaltung von Rechtsvorschriften und dem Streit darüber wer wo was einsehen und wer wo teilnehmen darf, wäre es besser gewesen, Kontrolle selbst korrekt auszuüben bzw. einzufordern. Fachleuten zu vertrauen ist gut, ihnen aber blind zu vertrauen ist fahrlässig. Kritik als störend zu empfinden ist menschlich, aber ein Riesenfehler, wenn man ihr nicht nachgeht. Hätten sich Rathaus und Bauamt schon im Mai, bei den ersten Anzeichen, entschieden, die widerstreitenden Seiten etwas anders einzuschätzen als sie es getan haben, wäre uns der Schaden in dieser Form erspart geblieben. 

Wie gesagt, es ist gut Reden aus der Rückschau heraus. Man darf auch nicht vergessen, dass man von Anfang an die Fertigstellung vor dem 11.11.19 als "sportliche Herausforderung" gesehen hat. Vielleicht hat das dafür notwendige Tempo auch dazu geführt, dass man die Realität des Baupfuschs nicht sehen wollte und deshalb außenstehende Fachleute ignoriert hat.

...und dann kam auch noch Corona. Es hat sich ja bei vergangenen Wahlen gezeigt, dass bei Kommunalwahlen immer mehr Wähler zu einer eher bundespolitischen als lokalpolitischen Stimmabgabe tendieren. Keine konnte wissen, wie sich der "Corona-Faktor" auswirkt - inwieweit man eine Bürgermeisterin vielleicht verantwortlich macht für fehlendes Klopapier oder die Ausgangsbeschränkungen.

Radeburg war neben Oderwitz die einzige sächsische Kommune die von der übergeordneten Behörde die Anordnung bekam, die gesamte Wahl als Briefwahl durchzuführen. Sollte das ein Vorteil oder ein Nachteil sein? Die Ausübung des Wahlrechts war von der Ausgangssperre ausdrücklich ausgenommen, aber der eine oder andere hatte das wohl nicht gelesen. Also war bei der Kandidatin dann eher mehr als weniger Verunsicherung. Das einzig Gute wäre bei einem positiven Ausgang mit klarem Votum: man würde schnell wieder zur Sacharbeit zurückkehren können.

Nun war das Votum deutlicher als vermutet. 3145 Wähler, das sind 51% der Wahlberechtigten, machten trotz der Umstände von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Bei einer Wahl mit nur einem Kandidaten sind Wahlbeteiligungen von 30% nicht ungewöhnlich. In Radeburg war die Wahlbeteiligung diesmal sogar knapp höher als bei der Stichwahl im April 2013 (49%). Damals gaben ihr 2194 Wähler das Vertrauen und diesmal sogar 2984. Ein Ergebnis das für sich, oder genauer: für sie spricht. Herzlichen Glückwunsch auch auf diesem Wege!

Michaela Ritter sagte in einem ersten Statement auf Facebook: "Herzlichen Dank für die Durchführung einer Wahl in schwierigen Zeiten. Zuerst an alle Wahlhelfer, die die Bürgermeisterwahl als Briefwahl vorbereiten und durchführen mussten. Alle haben einen tollen Job gemacht. Und natürlich an alle Wählerinnen und Wähler. Für viele - auch für mich - war eine Briefwahl eine neue Erfahrung."

Jetzt gilt es, trotz der schwierigen Situation, in Sachen Markt nun auch mal zum Punkt zu kommen und die Bürger umfassend zu informieren, wie ernst die Lage ist. Es sollte auch eine offene Debatte darüber möglich sein, wie der entstandene Schaden behoben werden kann. Der Markt ist nicht so gut zu verstecken wie die berühmte Leiche im Keller - also sollten wir drüber reden.