Schon als Studenten kannten sich die drei und hatten da schon den Plan, ein Unternehmen zu gründen, das von hohem Nutzen ist und in dem sie ihre unterschiedlichen Hintergründe, Entwicklungen und Berufe einbringen können.
Als sie sich dann im Jahr 2016 in Berlin wiedertrafen und von der Legalisierung des medizinischen Cannabis hörten, erinnerten sie sich an den Jugendtraum. Inzwischen hatten alle drei im Ausland schon Erfahrungen gesammelt, Cornelius Maurer studierte Ökonomie an der École normale supérieure in Paris, Adrian Fischer an der Harvard Medical School in Boston und Constantin von der Groeben Rechtswissenschaften, u.a. ein Jahr in New York, wo er auch einige Monate als Gastanwalt bei Hughes, Hubbard & Reed tätig war.
Somit kannten alle drei die Entwicklungen und das enorme Potential der Heilpflanze am Markt schon aus anderen Ländern. Als die Bundesregierung Firmen suchte, die in Deutschland medizinischen Cannabis anbauen würden, gründeten die drei die Deutsche Medizinalcannabis GmbH, inzwischen eine Aktiengesellschaft, und bewarben sich.
Zwei Jahre dauerte das Auswahlverfahren, im Mai 2019 gab es den Zuschlag. Ein Glücksfall war dabei, dass die drei den ehemaligen Schlachthof Naunhof gefunden hatten – und das aus mehreren Gründen. Die Gründer aus Berlin wurden von den Sachsen ohne Vorurteile und mit Wohlwollen willkommen geheißen. „Hier sind wir auf eine Gemeinde gestoßen und auf einen Landkreis, die uns gegenüber und gegenüber dem Thema medizinischer Cannabis sehr offen eingestellt ist,“ erklärte Constantin von der Groeben gegenüber der Presse. „Alle Behörden – der Gemeinde, des Landkreises und auch des Freistaates haben sich als Partner, als Ermöglicher erwiesen.“ Ebersbachs Bürgermeister Falk Hentschel schilderte die Zusammenarbeit aus seiner Sicht und nannte sie „exzellent“, lobte Kompetenz und Zuverlässigkeit der Geschäftsführer. Rückblickend sagte er: „Einst Europas modernster Schlachthof machte nach vier Jahren zu und war damit bisher keine Erfolgsgeschichte, nun habe ich ein gutes Gefühl.“ Auch wenn Falk Hentschel es nicht aufwärmte - mancher wird sich erinnern: die Stilllegung des Betriebes hatte unter anderem zur Folge, dass der damalige Abwasserzweckverband Steinbach-Kalkreuth aufgrund nunmehr überdimensionierter Bedarfsplanung in Schieflage geriet und nur durch staatliche Intervention und Fusion mit dem Schönfelder Nachbarverband gerettet werden konnte.
Falk Hentschel dankte seiner Vorgängerin Margot Fehrmann und dem zwischenzeitlichen Eigentümer Wolle Förster, dass das Objekt nie „verhackstückt wurde“ sondern auf drei Hektar ein geschlossenes Areal blieb. Er schilderte aber auch, was es für Gemeinde, angefangen beim Gemeinderat, bedeutete, ein solches Vorhaben auf den Weg zu bringen. 18 ehrenamtliche Gemeinderäte die überzeugt werden müssen, um verantwortungsbewusst zu entscheiden, wenn es um eine Abweichung im Bebauungsplan oder um eine Teilbaugenehmigung geht. „17 Punkte Brandschutzbedarfsplan hat unser – wohlgemerkt ehrenamtlicher – Gemeindewehrleiter, Richard Weiß, mit Herrn Göschel, Leiter Bauwesen, innerhalb einer Stunde Punkt für Punkt durchgearbeitet.“ So sieht gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ebersbach aus.
Als weiterer Grund für den „Glücksfall Standortwahl“ war zu sehen, dass der Umbau insgesamt kostengünstiger verlief als ein Neubau. Außerdem sparte die Entscheidung „Umbau statt Neubau auf der grünen Wiese“ so viel CO2 ein, „dass damit die gesamte ausgeschriebene Produktionsmenge an Cannabis CO2-neutral produziert werden kann,“ so van der Groeben. Die ausgeschriebene Menge beläuft sich auf jährlich 2,6 Tonnen über vier Jahre, ergänzt Cornelius Maurer. „Damit können jährlich rund 7.000 Patienten therapiert werden. Der Bedarf liegt aber jetzt schon bei rund 100.000 Patienten,“ so der Ökonom.
Der Mediziner Dr. Adrian Fischer führte dazu aus, dass, obwohl Hanf schon seit Jahrtausenden angebaut wird, die medizinische Wirkungsweise des Cannabis erst seit wenigen Jahren erforscht ist und deshalb nun zunehmend bei Therapien eingesetzt wird, bei der andere Methoden nicht mehr helfen können. Es gebe drei Arten von Schmerzen, bei denen der Einsatz von Cannabis naheliegend ist: der chronische Schmerz, der Nervenschmerz und der Tumorschmerz. Auch bei Spastik, Multipler Sklerose und – ganz neu – auch bei Formen der Epilepsie könne Cannabis helfen.
Allein im Jahr 2020 wurden 9,4 Tonnen Cannabisblüten nach Deutschland importiert. Das ist noch weit entfernt von der durch die Bundesbehörde genehmigten Menge von 25 Tonnen pro Jahr. Das zeigt eine große Bedarfslücke und zugleich das riesige Potential dieser Produktion. Das jährliche Marktvolumen des medizinischen Cannabis wird laut Dr. Maurer auf 1 Milliarde Euro geschätzt.
Das klingt natürlich auch in den Ohren des Bürgermeisters und der Gemeinderäte wie Musik, denn Ebersbach fehlt es seit Jahren an steuerkräftigen Wirtschaftsbetrieben, was die Entwicklungsmöglichkeiten bisher sehr eingeschränkt hat. Beim Rundgang wurde den Gästen dann auch gezeigt, dass es über die ausgeschriebene Produktionsmenge hinaus im Objekt genügend Ausbaureserven gibt. Noch ein Grund der für den hiesigen Standort spricht.
Dr. Adrian Fischer erläuterte, warum medizinischer Cannabis so schwierig zu produzieren ist. „Es handelt sich um ein natürliches, ein pflanzliches Produkt,“ so der Mediziner. „Jede Pflanze, jede Blüte ist anders. Es kommt aber darauf an, Cannabisblüten auszuliefern, die eine verlässliche Zusammensetzung an medizinisch wirksamen Inhaltstoffen haben. Hier wollen wir neue Maßstäbe setzen – mit Made in Germany und Made in Saxony.“
Die maximale Homogenität und Reinheit des Produkts soll erreicht werden durch eigene Forschung, durch Arbeit mit Hilfe von qualifiziertem, im Cannabisanbau erfahrenen internationalen Personal, ergänzt durch einheimisches Personal mit Qualifikationen in den Bereichen Medizin und Gartenbau und durch die notwendigen räumlichen Voraussetzungen. Das Team besteht derzeit aus 50 Mitarbeitern, von denen 40 am Objekt in Naunhof arbeiten – Tendenz steigend. Die Zucht erfolgt außerdem in klimatisierten Räumen, die zudem durch den bunkerartigen Bau geschützt sind vor dem Eindringen von Schadstoffen und anderen Kontaminationen.
Übrigens: das Eindringen Unbefugter zwecks Entwendung von Rauschmitteln lohnt sich auf Grund des ungünstigen Aufwand-Nutzen- Verhältnisses nicht. Das Aufbohren des dicken Mauerwerks oder der gepanzerten Tore wäre schon ein riesiger Aufwand und dann müsste man Mengen unhandlicher Paletten mit Blüten nach draußen bringen, wo für lohnende Mengen dann schon ein Lastzug bereitstehen müsste. Der Versuch eines Bankraubs wäre da vielversprechender.
Links:
- #mittendrin: Hanfanbau in Ebersbachin Sachsen (Tagesthemen 22.07.2021)
- Der Beitrag des MDR-Sachsenspiegels "Richtfest für Cannabis-Produktionsstätte in Ebersbach" wurde aus der ARD-Mediathek entfernt.
- Weitere Informationen: www.demecan.de