Radeburgs „Montagspaziergänger“ auf neuen Wegen

Nachdem die Teilnehmerzahlen bei den so genannten „Montagspaziergängen“ in Radeburg während der Schulferien in den zweistelligen Bereich absackten, waren es am 26. September 183, nachdem bereits seit Ende August die Teilnehmerzahlen wieder über 100 stiegen. Im Januar, beim Höhepunkt der „Spaziergänge“, als in Sachsen Versammlungen auf 10 Teilnehmer beschränkt wurden, fanden sich bis zu 600 Demonstranten unangemeldet im Stadtzentrum ein.

Montagspaziergang am 29. August

Montagspaziergang am 29. August

Auf Empfehlung der Polizei wurde nach Aufhebung der strikten Versammlungseinschränkung Mitte Februar der „Montagspaziergang“ als Versammlung angemeldet. Die Teilnehmerzahlen gingen parallel mit den „Lockerungen“ in den Notverordnungen zurück, war Anfang der Ferien bei einem „Tiefstand“ von 50 Teilnehmern angekommen, steigt aber seitdem wieder - Ende August über 100, zuletzt am 26. September 183.

Wie in anderen Städten hat sich durch die Energiekrise, die Inflation und den Ukraine-Krieg die thematische Ausrichtung auch in Radeburg verändert. Noch Ende Juni stand die Ablehnung der Corona-Maßnahmen und insbesondere die Ablehnung der Impfpflicht sowie speziell der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Vordergrund. Inzwischen haben die Landräte der verantwortlichen Gesundheitsämter vielerorts und so auch im Landkreis Meißen signalisiert, dass es keine Entlassungen für ungeimpftes Personal geben soll – ein Fakt, der wohl mehr aus objektiven Gründen des Personalmangels resultiert, aber der „Rückhalt“, den die Landkreise dafür von der Straße bekommen haben, den schreiben sich die Demonstranten durchaus auch auf ihr Habenkonto.

Die Konsequenz war aber, dass sich damit für manche das Demonstrieren erledigt hatte. So sieht man inzwischen keine Ärzte mehr unter den Spaziergängern. Die Warnung vor erneuten Versuchen, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, wird von vielen Bürgern nicht mehr ernst genommen. Der „harte Kern“, wie sich die etwa 50 Stamm-Teilnehmer selber bezeichnen, suchte deshalb nach neuen Wegen. Das ist zum einen ganz wörtlich gemeint. Man geht jetzt in der einen Woche wie bisher vorbei am Altneubau und in der anderen über das Neubaugebiet Meißner Berg. Des Weiteren wird auch nicht mehr die Form des „Stillen Protestes“ gewählt. Fahnen und Plakate sind zugelassen, ein Megaphon wurde angeschafft und Losungen werden gerufen.

Neben dem Thema Gesundheit und damit im Zusammenhang die Frage nach den Grundrechten wie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, dem Recht, seine Meinung frei zu äußern und auch dem Recht sich zu versammeln, stehen jetzt mit offensichtlichem Bezug auf den Ukraine-Krieg „Frieden in Freiheit“ und mit Bezug auf die Energiepolitik der Bundesregierung die Frage nach „bezahlbarer Energie“ und nach dem „Schutz der Sozialsysteme“ im Fokus.

„Spaziergängerin“ Angela Hofmann erklärt: „Mit meiner Anwesenheit hier möchte ich zeigen, dass ich mit dieser Politik nicht einverstanden bin. Fachverstand muss vor Ideologie gehen. Migrations-, Gesundheits-, Außen-, Wirtschafts-, Energie-, Finanz-, Landwirtschaftspolitik, es sind zu viele Lügengebäude, welche über kurz oder lang zusammenbrechen werden. Ich bin ein Selbstdenker und kein Nazi, als welche wir, die auf die Straße gehen, deklariert werden. Wir müssen miteinander reden und nicht mit der Nazikeule jede Diskussion erschlagen. Daher bin ich auch Mitinitiator des Radeburger Runden Tischs. Reden, zuhören, austauschen. Ich möchte, dass das Land vom Kopf wieder auf die Füße gestellt wird. Und mein Hauptwunsch ist, keine Waffenlieferungen in die Ukraine und die ganze Welt. Hört auf mit der Kriegstreiberei!“

Mittlerweile hat man den Eindruck, dass Einwohner mehr Angst vor den Spaziergängern haben als vor der kritisierten Politik. Eine weitere Teilnehmerin, die nicht namentlich genannt werden möchte, stellt fest: „Ich habe mit Leuten gesprochen, die eigentlich klug genug sind, zu verstehen was in unserem Land vor sich geht. Sie lehnen jedes Gespräch darüber ab, für sie steht fest: wir sind die Verschwörer.“ Die gegen sie gerichteten Vorurteile sehen die „Montagspaziergänger“ als Problem. Deshalb haben sie einen Flyer in Umlauf gebracht unter dem Titel „Wer wir sind.“ Es ist freilich deren Sicht, wer sie sind, aber vielleicht bewirkt es ja wieder eine Belebung der Diskussion und hilft, Gräben in der Zivilgesellschaft zuzuschütten, statt noch mehr Ängste zu schüren.