Kiesabbau in der Radeburger Heide – JEIN.

In der Stadtratssitzung am 4. April befasste sich Radeburg mit dem in der Heide zwischen Radeburg und Würschnitz geplanten Kiesabbau, der das Waldstück in den nächsten 53 Jahren nachhaltig verändern soll. Eine ca. 140 ha große Fläche östlich von Würschnitz ist bereits genehmigt. Es sollte lediglich eine weitere Fläche von 44 ha dazu kommen, mit der sich Radeburg 2016 befasst hat – jetzt geht es aber noch mal um 135 ha.

Abbaugebiet und Radwege in der Radeburger Heide. Karte: Open Street Maps

Abbaugebiet und Radwege in der Radeburger Heide. Karte: Open Street Maps

Bürgermeisterin Michaela Ritter sagte: „Die Stadtverwaltung ist nicht prinzipiell gegen den Kiesabbau, jedoch hat sie zahlreiche Bedenken, wegen widersprüchlicher Aussagen in den ausliegenden Unterlagen.“ Es werden erhebliche Beeinträchtigungen erwartet hinsichtlich der Erholungsfunktion der Landschaft, zur Störung vorhandener Biotope, Wasserhaushalt in der Trinkwasserschutzzone, Habitat für Pflanzen und Tiere und dem vorgesehenen Einbau tagebaufremden Materials zur nachfolgenden Modellierung der Landschaft.

Aus Sicht der Verwaltung steht das Vorhaben im Widerspruch zu den Grundsätzen des Landesentwicklungsplanes Sachsen. Dieser sieht die Sicherung der biologischen Vielfalt und Bewahrung der biologischen Ressourcen ebenso vor wie die Vermeidung von Einschränkungen der touristischen Nutzbarkeit der vorhandenen touristischen Infrastruktur.

In der Landkarte (oben) sind die betroffenen touristischen Wege rot gekennzeichnet. Nicht dargestellt sind Reitwege, die ebenfalls betroffen sind. Die in der Karte „Abbauentwicklung“ (unten) dargestellten 5-Jahresscheiben zeigen die Abbaufolge. Zwischen Rodung und Wiederaufforstung im jeweiligen Abschnitt sollen nicht mehr als zehn Jahre vergehen.

„Technologisch bedingt wird es in einigen Abschnitten allerdings zu einem größeren Zeitraum kommen,“ gibt der Antragsteller an. Mit dieser nebulösen Formulierung ist Radeburg ebenfalls nicht einverstanden. Zudem moniert die Stadt, dass der Antragsteller fälschlich behauptet, es gäbe keinen Flächennutzungsplan.

Im Flächennutzungsplan der Stadt ist das besagte Gebiet als Wald ausgewiesen. Der Antragsteller schätzt aufgrund eines eigenen hydrogeologischen Gutachtens ein, dass es zu keiner Gefährdung grundwasserabhängiger Ökosysteme käme. Daran hat nicht nur die Verwaltung, sondern haben auch einzelne Stadträte erhebliche Bedenken geäußert und ein unabhängiges Gutachten gefordert. Über die Trinkwasserschutzzone wird Wasser für das Wasserwerk Rödern gewonnen, das die Bürger im Elbtal mit Trinkwasser versorgt. Darüber hinaus steht der derzeit bereits betriebene Tagebau in Verdacht, am sinkenden Grundwasserspiegel beteiligt zu sein, was zum Beispiel zur Verlandung des Vierteiches bei Rödern geführt hat. Im vorliegenden Betriebsplan ist vorgesehen, dass nach dem Abbau unbedenkliche tagebaufremde Materialien eingebaut werden können. Auch diesbezügliche äußerte die Verwaltung bedenken, denen sich die meisten Stadträte anschlossen.

Laut Betriebsplan ist eine Wiederaufforstung vorgesehen. Dies steht aber im Widerspruch zum Landesentwicklungsplan und zum Regionalplan. Laut letzterem sollen in geeigneten Teilbereichen nach einem Abbau die räumlichen Voraussetzungen für eine wassergebundene Erholungsnutzung geschaffen werden. Darauf geht der Antragsteller aber nicht ein. Der Stadtrat beschloss, die Stellungnahme mit den genannten Bedenken beim Oberbergamt einzureichen.

Im Einzelnen äußerten sich Stadträte kontrovers zu dem Vorhaben. Die Meinungen reichten von „44 ha waren ok, aber eine so große Fläche lehne ich ab“ (Christian Creutz) bis „wir können nicht überall alles ablehnen, denn irgendwo müssen die Rohstoffe für den Bau ja herkommen – und Biotope entstehen nach der Rekultivierung auch wieder neu“ (Christian Damme).

In Würschnitz hat sich eine Bürgerinitiative formiert, die darauf verweist, dass es westlich von Würschnitz ein bereits bewilligtes Abbaugebiet von etwa der gleichen Größe gibt (s. Karte auf der Webseite der Initiative), womit deutlich wird, in welch großem Maße die nicht zuletzt fürs Klima so wichtige Ressource Wald – wenn auch nur für 50 Jahre - hier vernichtet wird. Die Initiative hat am 16.März eine Onlinepetition gestartet, die nun einen Monat läuft. Sammelziel waren 1000 Unterschriften. Bei Redaktionsschluss war dieses Ziel bereits erreicht.

Leserzuschrift: Fachgruppe Ornithologie beim NABU

Herzlichen Dank, dass die RAZ-Redaktion schon zum wiederholten Mal über den flächenmäßig überdimensionierten Kiesabbau in der Radeburg-Laußnitzer Heide berichtet. Mit dem aktuell laufenden Kiesabbau Würschnitz-West haben sich viele Bürger beschäftigt und in Stel-lungnahmen sowie Wortmeldungen im Rahmen der Petition „Rettet die Radeburg-Laussnitzer Heide. Kein-weiterer-Kiesabbau“ der Bürgerinitiative „Würschnitz contra Kiesabbau“ die Be-achtung der Belange des Gemeinwohles gefordert.

Welche Stellung bezieht die NABU-Fachgruppe Großdittmannsdorf?

In unserer FG-Chronik (2015) heißt es: „Grundsätzlich ist anzumerken, dass Natur- und Landschaftsschutz nicht prinzipienlos zu erfolgen hat. Natur- bzw. landschaftsverträgliche Baumaß-nahmen bzw. Landnutzungen, die im Sinne der Naturschutzgesetzgebung ausgleichbar oder ersetzbar sind oder dem überwiegenden Interessen des Gemeinwohles dienen, sind i.d.R. zulässig und sollen im Interesse des Findens sinnvoller Lösungen verantwortungsvoll begleitet werden. Einzutreten ist jedoch für den Erhalt hochrangiger und nicht ausgleichbarer oder ersetzbarer Schutzgüter!“.

Bezüglich des Kiessandtagebaus Würschnitz-West (früher: Kiesfeld Radeburg) fordert die NABU-Fachgruppe u. a. - seit mehreren Jahren ein unabhängiges hydrologisches Gutachten mit dem Nachweis, dass die Moore und Quellen weiterhin ausreichend mit Wasser hoher Güte versorgt werden und - den Verzicht auf die Verfüllung der ausgekiesten Grube mit Bauschutt, so dass keine Ver-schlechterung des Grundwassers in der Radeburg-Laußnitzer Heide eintritt. Begründet ist das wie folgt: Der Kiesabbau Würschnitz-West liegt im Wassereinzugsgebiet der Waldmoore und Quellbereiche im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“. Diese in 8.500 gewachsenen Feuchtgebiete gelten nach § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes als geschützte Biotope. Ihre Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung ist verboten (Ist-Bestimmung!). Das Sächsische Oberbergamt gibt sich aber mit einer „hydrologischen Einschätzung“ (wer einschätzt kann irren!) zufrieden. Rechtssicher ist ein hydrologisches Gutachten eines unabhängigen Fachbüros. Ein vom NABU im Jahr 2000 in Auftrag gegebenes Gutachten vom vereidigten Büro Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH für das Kiesfeld Radeburg geht von 60% weniger Wasserzufluss aus. Würden die Moore und Quellen austrocknen, wäre ein bedeutsames Schutzgut verloren. Der Kiesabbau könnte bis zum Ortsteil Boden fortgesetzt werden.

Wir sollten zugleich die Frage stellen: Ist der Kiesabbau innerhalb der gewachsenen Wälder mit den in Jahrtausenden entstandenen Waldböden klimapolitisch überhaupt sinnvoll, wo doch im Landkreis Meißen viel Kies unter Ackerflächen liegt, deren Auskiesung mit Wiederverfüllung weitaus unproblematischer ist? Auf einer Bauschuttverfüllung mit Mutterbodenabdeckung entstehen weder gereifte Waldböden noch wertvolle Ersatzbiotope. Leider gibt es auf Landesebene keine Behörde (mehr), die den Natur- und Umweltschutz im bergrechtlichen Verfahren fachlich fundiert und wirtschaftlich unabhängig wahrnimmt. Eine harmonische Waldlandschaft und ein gemeinsamer Grundwasserkörper verbinden alle erschlossenen und das geplante Abbauvorhaben mit den umgebenden Naturschutz-, Fauna-Flora-Habitat- und Europäischen Vogelschutzgebieten. Eine Bewertung der Summationswirkungen (Kumulationseffekte) dieser Kiesfelder wird seit Jahren nicht vorgelegt. Es verwundert, dass der Staatsbetrieb Sachsenforst als Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft im Raumordnungsverfahren keine Bedenken vortrug. Das Abbauvorhaben Würschnitz-West befindet vollständig im Landeswald. Weshalb nimmt der Freistaat Sachsen als Waldbesitzer die öffentlichen Interessen „Klima-, Grundwasser-, Boden-, Wald-, Biotop-, Artenschutz“ nicht wahr?

Ein Gutachten zur Trinkwasserfassung Würschnitz-Glasstraße bescheinigt dem Grundwasser als Daseinsvorsorge (Trinkwasser!) eine hohe Qualität. Dessen ungeachtet genehmigte das Sächsische Oberbergamt dem Kieswerk Ottendorf-Okrila die Verfüllung der Grube bei Medingen mit Bauschutt – ohne Abdichtung des kiesig-durchlässigen Untergrundes! Seither wird das Grundwasser im Medinger Raum mit Salzen und Nährstoffen belastet. Das widerspricht dem Vorsorgeprinzip und der EU-Wasserrahmenrichtlinie – aber trotz der gutachterlichen Dokumentation dieses Umweltfrevels unterbindet keine Behörde dieses Tun: Das Oberbergamt hält auch im laufenden Verfahren an einer Verfüllung in Würschnitz-West fest. Zuletzt eine Bemerkung zur Rolle von Bürgerschaften, Behörden, Natur- und Umweltschutzverbänden im Bergrecht: Sie alle haben 2015 mit ihren Stellungnahmen zur inhaltlichen Ausformung der „Raumordnerische Beurteilung zum Kiessandtagebau Würschnitz-West“ beigetragen. Folgerichtig enthält die Raumordnerische Beurteilung 2016 der Landesdirektion Sachsen Maßgaben (M), die für Behörden des Freistaates Sachsen bindend sein sollten, z. B.:

  • M 1: „Abbau bleibt auf 44 ha beschränkt“, aber: Die Rahmenbetriebsplanfläche umfasst erneut 134,7 Hektar.
  • M 6: „Zerstörungen, Beschädigungen, Veränderungen sowie nachhaltige Störungen durch das Abbauvorhaben für die benachbarten Schutzgebiete sind auszuschließen. Dazu sind Gutachten zur Verträglichkeit des Abbauvorhaben zu erarbeiten.“, aber: Es wurde keine Populationsgefährdungsanalyse für Kleineulen und Kreuzotter und erneut kein hydrogeologisches Gutachten vorgelegt. Eine hydrologische Einschätzung schafft keine Rechtssicherheit.
  • M 9: „Die Auswirkungen des Vorhabens auf den Wasserhaushalt, das Grundwasser und die Wasserqualität … sind zu untersuchen. Stoffeinträge . . in die benachbarten Biotope sind auszuschließen. Eine Wasserverknappung für die benachbarten Biotope ist auszuschließen.“aber: Es liegt kein hydrogeologisches Gutachten eines vereidigten Fachbüros vor.
  • M 15. „Eine Verfüllung mit Bauschutt findet nicht statt.“, aber: Eine Verfüllung der ausgekiesten Grube mit Bauschutt ist weiterhin geplant, obwohl behördlich bekannt ist, dass die Bauschuttverfüllung der Alt-Kiesgrube das Grundwasser im Medinger Raum mit Stoffeinträgen belastet.

 

Im Klartext: Das Oberbergamt, ein Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit, fühlt sich nicht an diese Maßgaben gebunden, die aus einer Beteiligung der Behörden, Verbände und Bürger hervorgegangen sind. Gelten im Bergrecht keine Spielregeln der Demokratie? Aufgabe des Oberbergamtes sollte es sein, zwischen den betrieblichen Interessen, den natürlichen Schutzgütern sowie der Erholungs- und Lebensqualität auf fachlicher und rechtlicher Grundlage abzuwägen. Wenn die Landesbehörden – wie im Verwaltungsrecht gelehrt wird – die Interessen der Allgemeinheit vor schädlichen Einzelinteressen schützen, wird Politikverdrossenheit vermieden, das Vertrauen in den Rechtsstaat gewahrt und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt!

Matthias Schrack im Auftrag der Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf

Grafik des Abbau-Ablaufs

Onlinepetition

In der Onlinepetition, die Stefanie Herzog aus Würschnitz an den Oberberghauptmann des Sächsischen Oberbergamtes, Herrn Prof. Dr. Bernhard Cramer gerichtet hat, heißt es:

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Cramer,

… die geplante Auskiesung erfolgt in unserem unmittelbaren Wohnumfeld, dass bereits von 2 weiteren offenen Kiesabbauflächen umgeben ist. Letztlich wären insgesamt 5,6 km² alter Baumbestand mit entsprechendem Altbewuchs (Beerensträucher u.dgl.) unwiederbringlich beseitigt. Im direkten und weiteren Umfeld der beantragten Fläche befinden sich mehrere im Rahmen der NATURA 2000 Verordnung der EU festgesetzte zahlreiche EU – Schutzgebiete. Die geringste Entfernung zwischen Abbaukante und einem der Schutzgebiete beträgt 300m! Das östliche Sachsen, hier auch die Radeburger- Laußnitzer Heide, ist ein Gebiet mit wenigen Niederschlägen. Im Zuge des Klimawandels wird sich dieser Zustand verschärfen. Der Feuchtigkeits- und Frischluftspeicher Wald ist verschwunden, unser Naherholungsgebiet zerstört. Die Gutachter des Kieswerkes versichern es gebe keine Auswirkungen auf Quantität und Qualität unseres Grund- und Trinkwassers. Das kann so nicht stimmen. Wir beobachten das kontinuierliche Absinken des Grundwassers in unseren dörflichen Hausbrunnen. Durch Verkippung mit Bauschutt erfolgen unkontrollierte Einträge ins Grundwasser, die sich auf den Bestand der benachbarten Moorgebiete negativ bzw. zerstörend auswirken. Letztlich kann auch eine Belastung unseres Trinkwassers nicht ausgeschlossen werden. Wir bitten Sie bei Ihrer Entscheidungsfindung um eine ganzheitliche Betrachtung aller bisher ausgekiesten, in Auskiesung befindlichen, dazu freigegebenen und beantragten Flächen der Kieswerk Ottendorf-Okrilla GmbH & CoKG. Wir bitten um ein sorgsames Abwägen zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Erhalt wertvoller Schutzgüter in unserem unmittelbaren Umfeld. Wir bitten um ein unabhängiges hydrologisches Gutachten. Wichtig ist auch hier die Einbeziehung aller in Auskiesung befindlichen, zur Auskiesung freigegebenen und beantragten Flächen.

Das Kieswerk Ottendorf – Okrilla ist in seiner Größenordnung deutschlandweit einmalig und einfach überdimensioniert.

Die Bürgerinitiative Würschnitz contra Kiesabbau
www.bi-contra-kiesabbau.de

Begründung

  • Abwägung der wirtschaftlichen Interessen mit dem Erhalt wertvoller Schutzgüter (Mensch, Natur,...)
  • Betrachtung aller aktuellen, genehmigten und zukünftigen Abbaufelder als Komplex und nicht nur als einzelnes Gebiet
  • Erstellung eines unabhängigen hydrologisches Gutachtens
  • Überprüfung der Bergbaurechte
  • keine Zerstörung unseres Heidebogens

 

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