Erneuter Lockdown und massive Kritik

Eine Woche offen –„Inzidenz“ drei Tage über 100 – alles wieder dicht. Am 8.März wurde „gelockert“. Seit Donnerstag, 18. März, sind die „Lockerungen“ wieder weg. Schon nach sieben Tagen, am 13. März, überschritt in Sachsen die Inzidenz die „magische“ 100, Meißen zog am Sonntag, dem 14. März, nach. Damit trat die so genannte „Rückfallregelung (§8c - Rückfallregelung - SächsCoronaSchVO - im Folgenden „C-VO“) in Kraft.

 

Kinder brauchen Kinder

Kinder brauchen Kinder, Menschen brauchen Menschen, Lebewesen brauchen frische Luft und Bewegung. Das starre Festhalten an der Inzidenz verhindert mehr Leben als es beschützt.

Von da an galt wieder:

  • Kontaktbeschränkung: Aufenthalt im öffentlichen Raum, in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken nur mit den Angehörigen des eigenen Hausstandes und einem Angehörigen eines weiteren Hausstandes (Kinder unter 15 nicht mitgezählt).
  • Das Verlassen der Unterkunft ist ohne triftigen Grund untersagt (Ausgangsbeschränkung). Triftige Gründe sind wie gehabt, allerdings sind Sport und Bewegung im Freien sowie der Besuch des eigenen oder gepachteten Kleingartens oder Grundstücks unter Einhaltung der Kontaktbeschränkungen ohne 15km-Beschränkung möglich.
  • Alkoholverbot auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen näher zu benennenden Verkehrsflächen.

Die von Gerichten als „vermutlich rechtswidrig“ eingeschätzte nächtliche Ausgangssperre ist in der neuen C-VO nicht mehr enthalten.
„Keine Auswirkungen hat die Überschreitung der Inzidenz auf die in der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung direkt eingeführten Rechte, wie zum Beispiel zur Öffnung von Gartenbau- und Floristikbetrieben, Gartenmärkten, Blumengeschäften, Buchläden, Baumärkten und Friseurbetrieben. Ebenso sind weiterhin ,Click & Collect‘ Angebote zulässig,“ teilt der Landkreis in seiner Pressemitteilung vom 15. März mit.

Seit Montag, 22. März sind Schulen und KiTa‘s wieder zu

Im Landkreis Meißen sind seit Montag, dem 22. März, die Kindertageseinrichtungen sowie die Schulen wieder geschlossen. Ausgenommen von der Regelung sind die Schüler der Abschlussklassen und Abschlussjahrgänge. Im Landkreis Meißen ist wieder eine Notbetreuung eingerichtet. Es gelten die vorherigen Voraussetzungen für die Notbetreuung bei Eltern in systemrelevanten Berufen.

Begründet wird die Schließung mit der fragwürdigen Inzidenz 100. »Die Corona-Schutz-Verordnung gibt uns hier leider keinen Spielraum, um die Schulen die eine Woche vor den Osterferien weiter offen zu lassen«, so Kultusminister Piwarz.»Ich bedauere die Entscheidung und verstehe die Verzweiflung der Eltern und Kinder. Wir müssen hier in Zukunft andere Lösungen finden. Der Inzidenzwert (kann) nicht mehr alleinig ausschlaggebend für die Bewertung der Situation sein«, machte der Kultusminister deutlich. Ähnlich sehen neben zahlreichen Eltern auch Martin Dulig – siehe Beitrag oben auf dieser Seite –  die 22 Bürgermeister und der Landrat des Landkreises Meißen. In einem vierseitigen Schreiben vom 19. März wenden sie sich an den Ministerpräsidenten:
 

22 Bürgermeister und der Landrat machen Vorschläge

Brief an den Ministerpräsidenten*

Sehr geehrter 
Herr Ministerpräsident,
den Vertretern der kommunalen Politik, die Verantwortung für die Umsetzung der Schutzverordnungen in Landkreisen und Kommunen tragen, fällt es immer schwerer, die Entscheidungen von Bund und Freistaat nachvollziehbar zu kommunizieren. Wir sorgen uns um unsere Kinder und Jugendlichen, um das Überleben unserer Händler und Gastronomen sowie der Sportvereine und um die Zukunft von Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
Deshalb möchten wir an dieser Stelle unsere Unterstützung für den „Offenen Brief der Bürgermeister des Erzgebirges“ zum Ausdruck bringen.
Ergänzend möchten wir einige Lösungsansätze formulieren, die aus unserer Sicht eine konstruktive Debatte zur wenigstens teilweisen Verbesserung der Situation und vor allem mehr Variabilität und Praktikabilität bei der Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen im Sinne der Bürger ermöglichen sollten.

1. Die Teststrategie des Freistaats Sachsen an den Schulen und Kindereinrichtungen hat unsere volle Unterstützung. Aus den Resultaten der Tests müssen jedoch zielgenaue Konsequenzen für den Betrieb der jeweiligen Bildungseinrichtung möglich sein. Mit dem undifferenzierten Verfahren einer Öffnung und Schließung für alle Schulen und Kindertagesstätten eines gesamten Landkreises einzig in Abhängigkeit vom Inzidenzwert wird die Sinnhaftigkeit der flächendeckenden Tests ad absurdum geführt. Es stellt sich die Frage, warum überhaupt getestet wird, wenn eine Schule trotz 100 Prozent negativer Tests dann doch schließen muss. Diese Herangehensweise halten wir weder für die Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen förderlich noch erleichtert sie das Verständnis der Anti-Corona-Maßnahmen bei Lehrkräften und Eltern.

Unser Vorschlag: Abhängig von den Testergebnissen können Schulleitungen in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Schulträger und der betreffenden Kommune ihre Einrichtung in eigener Verantwortung vollständig schließen oder weiterhin teilweise und im Falle von 100 Prozent negativen Tests sogar vollständig offenhalten. Es kommt darauf an, soviel Schulbetrieb wie nur irgend möglich zu gestatten. Für Grundschulen und Kindertagesstätten orientiert sich eine gleichgelagerte Strategie an den Ergebnissen der Tests für Lehrer und Erzieher sowie freiwilliger Tests bei Kindern.

2. Für Einzelhandel und Gastronomie macht sich bei verschiedenen Öffnungsszenarien eine stärkere Orientierung auf die konkrete Lage vor Ort und zu erwartende Entwicklungen notwendig. Die Geschäfte unserer Innenstädte haben unter erheblichen Mühen tragfähige Hygienekonzepte entwickelt, müssen aber konstatieren, dass diese Konzepte je nach Branche ganz unterschiedlich genutzt werden dürfen. So ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Modegeschäft die Aktion „click & meet“ mit einer genau definierten Zahl von Kunden in festen Zeiträumen wieder einstellen muss, während im benachbarten Buchladen oder Blumengeschäft deutlich bessere Möglichkeiten zum Einkauf bestehen, obwohl die räumlichen Verhältnisse nahezu deckungsgleich sind. Die Situation im Lebensmitteleinzelhandel zeigt sich in vielen Fällen noch drastischer. Diese Ungleichbehandlung, deren Gründe auch nicht sinnvoll zu kommunizieren sind, führt zu erheblichem Frust unter Unternehmern wie Bevölkerung gleichermaßen.

Unsere Vorschläge:

  • Click & Meet hat sich bereits innerhalb weniger Tage absolut bewährt. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass sich bei derart strengen Regularien ein nennenswertes Infektionsgeschehen ergibt.
  • Eigenverantwortliches Handeln soll den Kommunen auch bei der Erlaubnis zur Umsetzung von Außengastronomie nach vorheriger Terminbuchung ermöglicht werden – ggf. mit der Pflicht zur regelmäßigen Testung des Personals - analog zum Verfahren bei Friseurgeschäften. Die strenge Beachtung der Abstandsregeln und eine Maskenpflicht des Personals sind unabdingbare Voraussetzung.

3. Die Einschränkungen bei Sport im Freien erscheinen wenig zielführend und sind kaum zu vermitteln. Das Verbot von Individualsport an frischer Luft und die sportliche Betätigung von Gruppen von Kindern auf Vereinssportanlagen erscheint gerade unter dem Gesichtspunkt der positiven Effekte des Sports auf die Gesundheit aller Altersgruppen und der geringen Infektionsgefahr an frischer Luft als wenig sinnvoll.

Unser Vorschlag: Zumindest die Zulassung von Individualsport im Freien und von Sport für Kinder in festen Gruppen sollte unabhängig von Inzidenzwerten möglich sein – bei Beachtung der geltenden Re-geln z. B. zur individuellen Anreise und dem Verzicht auf das Umziehen und Duschen auf dem Vereinsgelände. Für weitere Erleichterungen sind wie in anderen Bereichen die konkreten Situationen vor Ort stärker in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

4. Kultur und Freizeit: Es ist uns bewusst, dass hier besonders sensibel gehandelt werden muss.
Schon bei den ersten Lockerungen hat sich gezeigt, dass sich alle Kommunen die konkrete Umsetzung sehr genau überlegt haben. Wir ermöglichen den Kultureinrichtungen zumindest einen Bruchteil ihrer sonstigen Aktivitäten und unseren Bürgern eine Perspektive für die Zukunft, die auch für das soziale Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielt.

Unser Vorschlag: Mit einem Testregime für Mitarbeitern sowie penibler Begrenzung der Besucherzahlen – analog zum Handel und der Gastronomie – sowie strengen Hygienebestimmungen sehen wir Möglichkeiten zur Öffnung von Museen, Bibliotheken und Tiergärten und zur Umsetzung kultureller Aktivitäten zumindest unter freiem Himmel und im lokalen Rahmen.

Zusammenfassend beinhalten alle Vorschläge die Möglichkeit, den Entscheidern direkt in den Kommunen mehr Eigenverantwortung und damit ein flexibleres Handeln zu ermöglichen. Die Kommunalverwaltungen stehen ständig im engen Kontakt zu den Gesundheitsämtern der Landkreise und den Kliniken der jeweiligen Region, so dass im Falle einer Verschärfung der Situation sofort und zielgenau reagiert werden kann. Die Gesundheit unserer Menschen bleibt oberstes Gut, daran gibt es nichts zu deuteln. Wir wünschen uns generell durch die Staatsregierung eine stärkere Einbeziehung der engagierten Verantwortlichen der Städte und Gemeinden.

*Leicht gekürzte Fassung, Brief an den Ministerpräsidenten, hier: vollständiger Wortlaut.