Die Ära der vom Handel lebenden Innenstädte geht zu Ende

Runder Tisch berät über Lösungsmöglichkeiten, um Leben, Wohnen und Arbeiten in den Städten wieder zusammenzubringen

Radeburg Markt

Wenn viele Geschäfte schließen - wie geht es dann weiter mit Radeburgs Innenstadt? Gibt's schon Ideen für eine neues Stadtleben?

»Jedem 10. Geschäft droht die Schließung,« schrieben wir nach eigenen Recherchen 2018 im Radeburger Anzeiger. Corona dürfte ein Katalysator gewesen sein, der diesen Prozess noch beschleunigt hat. 80% der Händler fühlten sich bereits vor einem Jahr in ihrer Existenz bedroht. Radeburgs Bürgermeisterin Michaela Ritter forderte vor einem Jahr von Martin Dulig einen Plan zur Wiederöffnung der Innenstädte. Es folgte gewissermaßen als Antwort Duligs "Öffnungskonzept", in dem er vor dem starren Festhalten an Inzidenzen warnte, was aber im Kabinett des Freistaates unerhört verhallte. Nun wagt er einen neuerlichen Versuch und hat dafür den Minister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt (CDU) mit im Boot.

Am Montag, dem 17. Januar traf sich der Runde Tisch »Wirtschafts- und Lebensraum Innenstadt«, der als Videokonferenz stattfand. Daran nahmen Vertreter der sächsischen Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, des Handelsverbandes, des Landesverbandes der Kultur- und Kreativwirtschaft, des Hotel- und Gaststättenverbandes, des Städte- und Gemeindetages, der Architektenkammer, des Verbandes Haus und Grund, des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften, der Gewerkschaft ver.di, der Verein »Ab in die Mitte!«, sowie Wissenschaftler und Abgeordnete der Koalitionsfraktionen teil. Vor dem Hintergrund der durch die Corona-Pandemie bestehenden Herausforderungen wurden Handlungsstrategien zur Belebung der sächsischen Innenstädte und Ortsteilzentren beraten.

Das dritte Coronajahr stellt durch ausbleibende Kundschaft, fehlende Besucherfrequenz in den Einkaufsstraßen und die zunehmende Verlagerung des Marktgeschehens in das Internet das auf den Einzelhandel fokussierte »System Innenstadt« infrage. Die Pandemie verstärkt und beschleunigt einen innerstädtischen Strukturwandel, der schon vor Jahren eingesetzt hat, so das Fazit der Runde.

Vielfältigkeit vs. Lärmschutz

Staatsminister Thomas Schmidt ruft alle Kommunen auf, sich am sächsischen ‚Innenstadtnetzwerk‘ zu beteiligen, dem bisher schon acht sächsische Kommunen angehören. »Ich würde es begrüßen, wenn dieses Netzwerk weiter wachsen würde. Als Plattform des Austausches kann es ein wichtiger Baustein für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in ganz Sachsen sein,« so der Minister.

Minister Martin Dulig ist überzeugt, dass man, wenn Innenstädte lebendig bleiben oder wieder werden sollen, »ein vielfältiger Mix aus Handel und Gastronomie, Kunst und Kultur, moderner Mobilität sowie neuen Wohn- und Arbeitsformen« notwendig ist. Allerdings erläutert der Minister nicht, wie die vielen Hindernisse für Kultur in den Innenstädten beseitigt werden sollen, die durch gesetzliche Regelungen bestehen. Vielfältig heißt oft auch laut. So steht vielen Veranstaltungen in Innenstädten schlicht der Lärmschutz entgegen. Zwar kann man einzelne Veranstaltungen immer wieder genehmigen lassen, aber Lärm, der z.B. von einem neuen Kulturhaus mit regelmäßigen Partys ausgeht, ist nicht genehmigungsfähig. Entsprechend gering ist das Interesse von Veranstaltern, in Radeburg z.B. den "Hirsch" zu übernehmen.

Das es wieder lauter wird in den Städten sieht auch Minister Schmidt voraus. »In der Vergangenheit ist nach vergleichbaren Ereignissen ein neuer Lebenshunger in Menschen erwacht und sie haben sich ihre öffentlichen Räume neu angeeignet. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Die Akteure vor Ort sollten deshalb jetzt handeln und sich auf die zu erwartende Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens vorbereiten.«

Quelle (PM)