Kommentar zum Schülerverkehr: Kinder sind unser wertvollstes Gut – wie gehen wir mit ihnen um?

45.000 Klicks auf unser Video von der Buskontrolle beweisen: hier geht es um ein Thema, dass sehr viele bewegt. Dass das Thema Schülerverkehr überhaupt eine solche Öffentlichkeit bekommen konnte, dafür ist zunächst der Elterninitiative um Jens Purschwitz zu danken, denn ohne diese Initiative hätte es diese niemals gegeben. Außer den lokalen Medien befassten sich nun auch BILD und vor allem der MDR mit den Thema. Am Ende der Sendung Voss & Team am 30.03.17 stand sogar ein Versprechen…

Voss & Team am Bus des RVD

Voss & Team recherchierten eine Woche lang auf der Linie 308 und stellten fest: der Kindertransport ist gefährlich.

Bereits am 7. März hatte die Elterninitiative eine Buskontrolle an der Linie 308 erwirkt. In dem damals eingesetzten Bus mit 50 Sitz- und 50 Stehplätzen kamen zu 47 Sitzenden noch 28 stehende Kinder. Das war alles nach Recht und Gesetz, weil die Kinder nicht mit einem „echten“ Schulbus, sondern mit einem Linienbus transportiert wurden. In einem Schulbus müsste nämlich jedes Kind einen Sitzplatz haben und angeschnallt sein.

Diesmal sah es schlimmer aus, weil drei Faktoren zusammenkamen, die nun dazu führten, dass unter den streitenden Parteien jeder seine Sichtweise behalten konnte und keine Debatte über das Kernproblem geführt wurde, zu der ich am Ende noch kommen möchte. 

Die drei Faktoren, die zusammenkamen, waren

1. Die Elterninitiative hatte dazu aufgerufen, dass diesmal alle Schüler und möglichst auch Eltern mit diesem Bus mitfahren, damit es nicht wieder so glimpflich ausgeht, wie am 7. März.

2. Der Linienbetreiber RVD setzte zu allem Überfluss diesmal statt einen 100er nur einen Bus mit 80 Plätzen ein, dadurch war der Bus am Ende tatsächlich überfüllt und das führte dazu, dass nun dem RVD und dem Busfahrer jeweils einer Geldstrafe drohen und den Busfahrer dazu möglicherweise auch noch ein Punkt in Flensburg.

3. Voss und Team wurde die Rundmail der Elterninitiative mit der Aufforderung zur unlauteren „Nachhilfe“ bei der Überfüllung des Busses während der Dreharbeiten zugespielt und das Team damit überrascht.

Der RVD meint belegen zu können – möglicherweise anhand verkaufter Tickets, dass „20 Eltern“ im Bus waren.

Die maßgebliche offizielle Mitteilung der Polizei, dass sich „19 Personen zu viel“ im Bus befanden (Voss hatte „über 20“, Polizeihauptmeister 21, ich selbst 24 gezählt), deckt sich demnach ziemlich genau mit der Personenzahl, die den Bus überfüllt hat. Zwar konnte ich bei Auswertung der eigenen Fotos und Videos beim besten Willen einige, aber keine 20 Erwachsen entdecken, aber wesentlich bleibt festzuhalten: wäre an diesem Tag wenigstens der 100er Bus gefahren, wären der RVD und der Busfahrer von keine Strafe bedroht, denn bei den offiziellen „19 zu viel“ hätte mit 99 Passagieren im 100er Bus alles gepasst.

„Der Busfahrer… war das letzte Glied in der Kette und soll nun für die Verantwortlichen zahlen...“, bedauert Elternsprecher Jens Purschwitz nach dem Bekanntwerden der Ergebnisse der zweiten Kontrolle die Folgen. 

Die Elterninitiative, die Voss & Team gerufen hatte mit dem Argument, dass Recht und Gesetz nicht eingehalten würden, drohte nun trotz des so nicht gewollten „Erfolgs“ mit dem Anliegen zu scheitern, denn das Kernproblem liegt eben gerade NICHT darin, dass Recht und Gesetz nicht eingehalten würden, sondern darin, dass unsere Schulkinder selbst bei Einhaltung von Recht und Gesetz in extremer Weise gefährdet sind.

Während sowohl der RVD als auch die Sprecherin des Landratsamtes, Kerstin Thöns, sehr schnell erkennen ließen, dass sie die „gesteuerte Aktion“ als solche werten und zur Tagesordnung übergehen, ließen sich Voss & Team nicht beirren. Sie hatten auch zu anderen Zeiten bereits in der Linie gedreht und stehende Schulkinder gefilmt. Damit kamen sie zum eigentlichen Kernpunkt, den sie mit dem Professor für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten an der Polizeihochschule Bautzen, Dieter Müller, besprachen. 

„Wenn ein Bus plötzlich stark bremsen muss und es befinden sich stehende Personen im Bus, dann drückt die ganze Masse nach vorne und dann fällt auch die ganze Masse um,“ so der Professor gegenüber Sven Voss. „Man darf aber nicht vergessen: hier handelt es sich um Kinder. Diese reagieren impulsiv und nicht logisch. Das ist eine schwierige Sache und das muss man berücksichtigen. Je weniger Kinder sich im Bus befinden und je besser die Verträge auf eine geringere Schülerzahl zugeschnitten sind, um so sicherer ist die Schülerbeförderung.“

Mit den an anderen Tagen von Voss und Team gemachten Aufnahmen konfrontiert, die Kinder im Türbereich stehend zeigen, schätzt Professor Müller ein: „Die Gefahrenstellen sind immer die, wo man sich nicht festhalten kann, das heißt üblicherweise in den Mittelzonen, wo man dann quasi dicht gedrängt steht, Schüler an Schüler, aber auf eine Bremsung nicht richtig reagieren kann. Was ich hier sehe in den Bildern, das ist schon gefährlich und man kann wirklich von Glück reden, dass da nichts passiert.“

Für ihn gibt es nur eine sichere Methode: Schüler dürfen gar nicht erst im Stehen transportiert werden. Er sieht auch die Möglichkeit, Verträge mit den Busunternehmen so zu gestalten, dass Schüler nur sitzend transportiert werden dürfen. „Das ist natürlich die sicherste Variante, weil die Kinder sich dann auch anschnallen können.“

Voss & Team zeigten dann einen Videoclip, der einen Verkehrsunfall mit sitzenden Dummies zeigt, zum Teil angeschnallt, zum Teil nicht angeschnallt. Stehende Kinder, die kaum groß genug sind, sich irgendwo festzuhalten und noch dazu mit Ranzen beladen sind, mag man sich da gar nicht vorstellen.

So geht es auch Grundschuldirektor Thomas Damme, der sich schon, wie sein Kollege Michael Ufert von der Zille-Oberschule mehrfach mit dem Landkreis und dem RVD dazu auseinandergesetzt hat.

Da sich der Landkreis Meißen vor der Kamera nicht äußern will, versucht es Voss beim ebenfalls zuständigen Landratsamt in Bautzen, wo Frances Lein von der Pressestelle durchblicken lässt, dass es Pläne für die Zukunft gibt.

Auch in Radeburg weiß man inzwischen von den Plänen. Bürgermeisterin Michaela Ritter und Direktor Michael Ufert, der zugleich auch Stadtrat ist, bestätigen übereinstimmend, dass es Pläne gibt, eine von Moritzburg kommende Linie, die künftig durch das Gewerbegebiet Süd fahren soll, zu den Schülerverkehrszeiten zusätzlich über Großdittmannsdorf fahren zu lassen.

Dies dürfte für Entspannung sorgen – auf den Linien wie bei allen beteiligten Verantwortlichen. Für die Eltern, nicht nur für die, deren Kinder auf der Linie 308 fahren, sondern auch andere, die sich zu überfüllten Buslinien geäußert haben, ist das aber nur ein schwacher Trost. Gemessen an den Sicherheitsstandards, die wir sonst anlegen: von der Gurtpflicht über das Telefonverbot beim Fahren bis zum Leinenzwang für Katzen bei Vogelgrippe sind wir doch bei der Sicherheit im Schülertransport ziemlich lax. Kinder sind unser wertvollstes Gut. Wie gehen wir mit ihnen um?

Professor Müller hat die Möglichkeiten aufgezeigt und die Vertragspartner könnten vielleicht mehr tun, aber sowohl RVD als auch die Landratsämter handeln, von Ausnahmen mal abgesehen, im Rahmen der Gesetze. Also stimmen die Gesetze nicht.

Klaus Kroemke

Link zum Beitrag von Voss & Team in der MDR-Mediathek

(ab min 24:00)