Aschermittwochgespräch mit Bürgermeisterin Michaela Ritter

Der Rathausschlüssel ist zurück. Tradition in Radeburg ist zwar kein "Politischer Aschermittwoch", aber das Rathausgespräch des Bürgermeisters, bzw. der Bürgermeisterin, mit den "Radeburger Anzeiger", das es nun schon zum 22. Mal gab.

Bürgermeisterin Michaela Ritter

Bürgermeisterin Michaela Ritter: schöne Aussicht, aber hier oben ist man nur dabei und nicht mittendrin

Wie war der gestrige Abend? Wie fühlt man sich, wenn der Rathausschlüssel zurück ist?


Also es waren auch einschließlich der Abschlussveranstaltung gestern wieder wirklich ein paar wunderschöne Tage und selbst die Entkrönung hatte Eventcharakter. Ich habe diesmal den Schlüssel übernommen und dafür die „Original-Bürgi-Boa“ an den Fundus des RCC übergeben, damit sie mal was Gescheites haben, wenn sie mich darstellen wollen. (Lacht) Ich habe das im Zuge des „Kappentauschs“ mit Narrenpolizist René Heerwagen gemacht. Wir sind in die Rolle des jeweils anderen geschlüpft. Naja, mit Rollentausch hatte ich ja nun schon Übung, weil ich beim Narrengericht die Feuerwehruniform meines Mannes anziehen musste.


Schauen wir auf den Umzug. Wie hat Ihnen der gefallen?


Zunächst einmal: Gesamten RCC Man muss vor den Gruppen, die das ja alles ehrenamtlich in ihrer Freizeit machen, tausende Stunden zubringen, um hier anderen eine Freude zu machen, einfach den Hut ziehen.

Was für Phantasie in den Leuten steckt.,,, Ich habe nur gestaunt, was man aus dem engen Thema machen konnte – wie es eigentlich trotzdem vielfältig angegangen wurde. Viele haben auch weniger den Teufel als viel mehr das Jubiläum gefeiert. Das Buffet zum 60. Geburtstag, was für eine Idee! Muss man erst mal drauf kommen. Wir hatten im Rathaus nun ja schon zum vierten Mal unseren närrischen Empfang. Da gibt es eben auch mal so eine Gelegenheit, mit Dresdens OB Dirk Hilbert ein persönliches Gespräch zu führen, der erstmals der Einladung gefolgt war, neben schon öfter hier gesehenen Gästen wie Landrat Arndt Steinbach, Landtagsabgeordneter Sebastian Fischer oder die Geschäftsführer großer Unternehmen, die alle den Vertretern des RCC angefangen vom Präsidenten über das Prinzenpaar, die Garde und die Narrenpolizei sowie Vertretern des Elferrates ihre Aufwartung machen konnten.,

Ansonsten: eine Entdeckung für mich war Erna Walter auf der Bühne. Die ist in der Rolle des Teufels-Maskottchens voll aufgegangen, hat dem Ganzen Feuer gegeben.

Dankbar bin ich auch für das Wetter über die ganze Zeit.


Sie waren mit einer Abordnung des RCC und dem Prinzenpaar zum Rosenmontag in Wittichenau, wo es eine sehr alte Faschingstradition gibt. Wie fällt ein Vergleich zwischen den Faschingshochburgen aus?


Es ist immer gut, wenn man mal über den Tellerrand gucken kann. Die Wittichenauer haben eine sehr lange Karnevals-Tradition – mehr als 300 Jahre. Da sind Pferde beim Umzug dabei, dann gibt es viel historisches Liedgut, es geht in zwei Runden ums Zentrum und so weiter. Mit der Gastronomie ist das dort ganz anders gelöst. Da sind über die Faschingstage privat initiierte Bars offen. Dadurch bleiben die Leute in Bewegung, so wie früher in Rabu auch. Aber das ist dort historisch so gewachsen. Mir ist bewusst, dass das in Rabu nicht so einfach zu übernehmen ist.


Die Polizeidirektion hat eine Sachbeschädigung und zwei Körperverletzungen gemeldet und schätzt ein, dass das „im üblichen Rahmen“ liegt. Leider werden gerade unterschwellige Straftaten oft gar nicht gemeldet. Leider erleben wir immer mehr, dass Leute, die es mit Recht und Gesetz nicht so genau nehmen, sich mangels Konsequenzen ermutigt fühlen, die gewöhnlichen Normen zu brechen. Das fängt beim Mitbringen von Getränken in die Gaststätte an, geht weiter über die Nichtachtung des Hausrechts bis hin zu völlig willkürlicher Sachbeschädigung. Das gilt nicht nur beim Fasching. Delikte, die (wenn überhaupt) gemeldet, aber nicht verfolgt, geschweige geahndet werden. Die Aussage eines Kripobeamten bei einem Einbuch bei Michael Mösch passt da vollkommen: „Wir kommen vor lauter Fallaufnahmen gar nicht zur Aufklärungsarbeit“.


Ja. Es gibt viel Schaden und wenig Aufklärung…


Im letzten Jahr sind die Ortseingangsschilder ringsum gestohlen worden. Hat man die Täter ermittelt?


Nein. Das Verfahren wurde eingestellt. Und auf den Kosten für die Erneuerung der Schilder – immerhin eine vierstellige Summe - sind wir sitzen geblieben. Die Versicherung zahlt nicht, da es sich um Vandalismusschäden handelt.


Ordentlichen Schaden haben zwei Graffiti-Aktionen gemacht. Wurden diese denn inzwischen aufgeklärt?


Die erste Aktion mit dem Tag „Saubär“ ist nicht aufgeklärt, allerdings waren die Bürger bei der zweiten Aktion schon sehr aufmerksam und gaben viele Hinweise. Zusammen mit einem Überwachungsvideo kam die Polizei auf die richtige Spur. Die Stadt hat Strafanzeige gestellt und den Tätern ihren Schaden in Rechnung gestellt und den andern von dieser „Aktion“ betroffenen kann man nur raten, es auch zu tun. Ich danke ausdrücklich allen, die bei der Aufklärung mitgeholfen haben. So was hat nichts mit Denunzieren zu tun, sondern mit Aufklärung einer Straftat. Zu sagen: das bringt doch eh nichts, ist der falsche Weg. Den Abbau von Polizeistellen zu kritisieren, ist eine Sache und auch vollkommen berechtigt, aber die andere ist, dass die Bürgerschaft auch selbst etwas tun kann, durch mehr Wachsamkeit und weniger Gleichgültigkeit.


Kommen wir zu anderen städtischen Problemen: Wird das neue Sportlerdomizil ein Kostenbummerang?


Erst muss es ein Jahr oder auch länger in Betrieb sein, damit man die laufenden Kosten genauer schätzen kann. Es ist als Niedrigenergiehaus konzipiert und gebaut, so dass man fast keine Heizkosten hat. Bei der Betrachtung der Kostenlast für den Verein muss man auch mit einrechnen, dass die Kosten der alten Kegelbahn natürlich wegfallen. Die war nicht gedämmt und mit Umkleiden und Büro kamen dort ordentlich Betriebskosten zusammen.

Für die Betriebskosten erhält der Verein einen Zuschuss von der Stadt , das gilt übrigens für alle Sportstätten in Radeburg und seinen Ortsteilen und für alle Sportvereine. Damit wird auch sichergestellt, dass Kinder und Jugendliche kein Nutzungsentgelt bezahlen brauchen.


Vor einem Jahr äußerten Sie Bedenken zur Entwicklung im Handball, Sie sagten, "wenn die einheimischen Spieler deutlich in der Minderheit sind, dann konterkariert das unsere Breitensportförderung und überfordert den ehrenamtlichen Verein" - ist das, was über den Jahreswechsel vonstatten ging, die notwendige Korrektur?


Ich stehe zu meiner Aussage vom letzten Jahr. Ich sehe, dass die Mannschaften nach wie vor spielen, und erfolgreich sind. Es ist zuerst Sache des Vereins, wie er seine Zukunft gestalten will. Es wäre sicher im Interesse des Vereins, wenn sich alle mal zusammensetzen und alles aufarbeiten.

In Radeburg wird mir viel zu viel übereinander geredet statt miteinander. Der RCC hatte ja mit dem Motto „Gerüchteküche“ in der vorigen Saison treffend aufgegriffen, was dabei herauskommt. Der Stadtrat will natürlich auch wissen, was im Verein los ist, weil er ja mit einer großen Summe gebürgt hat. Er ist deshalb interessiert, dass der Verein ordentlich läuft.


Apropos Ehrenamt, da gibt es ja noch mehr als Fasching und Sport…


Ja, besonders in unseren Dörfern wurde in den letzten Jahren da viel an Eigenverantwortung wahrgenommen. Der Heimatverein in Bärwalde macht richtig los, in Großdittmannsdorf klappt es und seit Längerem schon sorgt der Verein Bärnsdorferleben für die Dorfgemeinschaft. Nicht zu vergessen die Feuerwehren, die überall mehr machen als nur ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Jugendvereine haben es mangels Kindern und junger Leute in geeignetem Alter etwas schwer, haben aber immer wieder neue Ideen. Darüber rede ich mit den Klubs zweimal pro Jahr, der Austausch funktioniert dadurch auch miteinander ganz gut. Durch unseren Sozialarbeiter Herrn Boros organisierte Projekte bringen immer wieder frischen Wind und auch die Klubs selbst „erfinden“ sich immer wieder neu. Ein bisschen hinterher hängt da noch Volkersdorf. Außer der Feuerwehr und einer kleinen Turngemeinschaft fehlt es an einem Verein, der dort der Dorfgemeinschaft auf die Sprünge hilft. Ansätze und Überlegungen in diese Richtung gab es bereits, wir sollten da dranbleiben. Die Volkersdorfer sind natürlich auch gebeutelt mit ihrer schlechten Straße – das wird hoffentlich bald Geschichte sein - und der ungewissen Zukunft des Kinderkurheims. Aber es gibt Potentiale mit dem herrlichen Gelände hinter dem Kindergarten und überhaupt einer einmalig schönen Naherholungslandschaft.


Stichwort Kinderkurheim: es wird als Flüchtlingsunterkunft nun nicht mehr gebraucht…


Der Vorschlag, nach einer alternativen Nutzung zu suchen, kam auch schon im Stadtrat, verbunden mit der Frage, ob man sich nicht wieder an den Tschernobyl-Verein wenden könne. Der Verein hat sich allerdings aufgelöst und das Objekt gehört außerdem dem Landkreis Meißen. Trotzdem kann man eine sinnvolle Nutzung anregen. Es ist schließlich viel Geld in das Objekt geflossen – für die Ausstattung, Sanitäreinrichtung, Wasser, Abwasser, Küche usw. Nicht zuletzt wurde mit großem Aufwand der Brandschutz auf einen betriebsgenehmigungsfähigen Stand gebracht, was vorher nicht der Fall war.


Wie geht es mit der Stadtentwicklung insgesamt voran?


Am 28. März ist Spatenstich in Volkersdorf für den Ausbau des 50 – bzw. 100 Mbit-Internets. Dank ENSO werden unsere Dörfer nun endlich mit der schnellen Datenwelt verbunden. Bis Ende des Jahres 2017 muss die Maßnahme in allen Dörfern beendet sein. Weil es immer wieder die Frage gibt, warum das eine Dorf mit 50, das andere mit 100 Mbit ausgebaut wird, möchte ich an der Stelle noch einmal sagen, dass das daran liegt, dass in den Orten, die 50 Mbit bekommen, der Ausbau nur mit Fördermitteln möglich war und der Ausbau nur bis zu diesem Level gefördert werden konnte. Ich habe mir aber sagen lassen, dass die meisten Nutzer, die zur ENSO wechseln, eh einen 50-Mbit-Vertrag abschließen. Zumindest in Radeburg ist das so. Und bei entsprechender Bezahlung sind gerade für Unternehmen auch leistungsfähigere Anschlüsse möglich, da lohnt dann ein Gespräch mit den entsprechenden Kundenberatern.


Weiter geht es voraussichtlich am 18. Mai mit der Eröffnung des neuen Lidl-Marktes und des DM-Drogeriemarktes in der jetzigen Interims-Kaufhalle am Lindenplatz. Am 26. April findet im Beisein unseres Ministerpräsidenten die Einweihung des Lidl-Logistik-Zentrums statt.

Im späten Frühjahr wird die neue Wäscherei ihren Betrieb aufnehmen, dort haben viele Leute aus Radeburg und Umgebung einen neuen Arbeitsplatz gefunden.

Ja. Und dann haben wir mit unserer Stadtentwicklung ein Problem...


?


Wir sind an einem Punkt, wo wir ausverkauft sind. Sowohl bei Gewerbe als auch beim Wohnen. Es wurden nahezu alle freien Flächen verkauft, bis auf ein paar Restflächen, zum Beispiel in Berbisdorf hinterm Bauhof, wo aber erst noch Baurecht geschaffen werden muss. Der Nachfragedruck ist enorm.

Ich frage mich schon manchmal, was man in der Vergangenheit für Statistiken gehabt hat, auf deren Grundlage zum Beispiel zwei Etagen der alten Grundschule abgerissen wurden. Nun fehlt es auf einmal an Platz für die vielen Kinder, die quasi aus dem Nichts auftauchen. Dazu kommt: Wir sind umzingelt von Schutzgebieten. Was einerseits schön ist für das Wohnen hier und die Naherholung, bedeutet auf der anderen Seite: wir können nur sehr begrenzt wachsen und müssen uns ganz zwangsläufig auf die Innenentwicklung konzentrieren. Natürlich gibt es auch die Überlegung, nun das Thema Gewerbegebiet Nord wieder zu aktivieren. Seit mehreren Jahren läuft das Verfahren für das neue Wohngebiet „Heroldstein“, am Hofwall Radeburg sind wir gerade am Beginn eines Planungsprozesses für die Entwicklung und Erschließung.


Vielen Dank für das Gespräch.

(Das Gespräch führte Klaus Kroemke)