60 Jahre Volkskarneval in Radeburg: Jetzt ist der Teufel los!

War nicht eben erst die Fünfzigste? Unglaublich wie die Zeit vergeht! Schon wieder steht ein Jubiläum an – und wie in solchen Fällen immer gibt sich der RCC die größte Mühe, ein dem Anlass entsprechend würdiges Motto zu finden.

"Jetzt ist der Teufel los" heißt das neue Motto

"Jetzt ist der Teufel los" heißt das neue Motto - und der RCC lädt die Narren in einen mysteriösen Club 60 ein. Was es mit diesem Club auf sich hat, war aber noch nicht zu erfahren.

"Jetzt ist der TEUFEL los!" ist ein solches. Hm. „Ist das nicht etwas einseitig?“ mag der eine oder andere vielleicht denken. Nicht, wenn man sich mit der närrischen Historie auskennt! Als der Radeburger Karneval am 7. März 1957 aus der Taufe gehoben wurde, ging es der kleinen Gruppe von Enthusiasten vordergründig darum, etwas Spaß zu haben und dafür den Anlass zu nutzen, den die auch in Radeburg schon lange bestehende Faschingstradition bot. Wie wir heute wissen, ist diese Tradition seit mindestens 1847 in Radeburg nachgewiesen.

Wir feiern also neben den 60 Jahren Radeburger Volkskarneval auch 170 Jahre Fasching in Radeburg.

Und auch damals schon war Fasching im Wesentlichen durch Lust und Laune geprägt, bei der die gesellschaftlichen Konventionen bis zu einem gewissen Grad und nur für eine bestimmte Zeit mit „behördlicher Genehmigung“ überschritten werden durften. Diese Erlaubnis für den Exzess geht, ohne dass sich die Akteure dessen unbedingt bewusst sein müssen, zurück auf das mittelalterliche Zweiwelten-Modell, auf eine Weltvorstellung, nach der Himmel und Hölle in ständigem Kampf sind und wo determiniert ist, dass der Himmel siegen wird. Dieser ewige Kampf ist ein Kreislauf, der sich in den Jahreszeiten widerspiegelt. Im Winter, in der Zeit der Finsternis, versucht der Teufel immer wieder an die Macht zu kommen. Im Fasching wird dieser Machtkampf nachgespielt. Für eine kurze Zeit triumphiert die Hölle über den Himmel, das Reich der Teufel, Hexen und Dämonen über das der Götter, Engel und guten Geister. Das Böse und Lasterhafte dominiert das Gute und Tugendhafte, das Reich der Völlerei und des Lasters tritt an wider die Frommen und Bescheidenen, über die Klugen und Weisen herrschen die Dummen und die Narren.

Viele Zeichen und Symbole der 5. Jahreszeit sind Zeichen der satanischen Herrschaft: Die 11 ist eine Teufelszahl. Rechtens und fromm war die Zahl 10. 10 Finger an der Hand, ursprünglich auch 10 (göttliche) Monate (Deca wie in Dezember heißt 10). Und 10 Gebote. Die Überschreitung der Zahl 10 war eine Übertretung des Rechts, die Nichterreichung der 12 galt als Zeichen für die Unvollkommenheit, die Elf also als das Unvollendete. Und schauen die Spitzen der zwei Einsen nicht aus wie die Hörner des Satans!? Wie wir seit einem alten bekannten Trickfilm wissen, liebt der Teufel Pfannkuchen über alles. Warum wohl? Der Pfannkuchen aus Zucker und Fett steht für die Völlerei, so wie der närrische Hofstaat mit seinen Uniformen und Orden für Prunksucht steht. Die Kussfreiheit steht für die Entfaltung zügelloser Triebe, das Zepter, das den Prinzen als Puppe zeigt, als so genannte Marotte, ist das Symbol der Eitelkeit. Die Ministerämter stehen für Anmaßung, ebenso der Akt der Machtübernahme, verlegt in die Zeit der langen Nächte als Allegorie für die Herrschaft der Finsternis. Der Prinz Karneval ist nichts anderes als der Leibhaftige. Schon in der ersten Saison gab es ein Prinzenpaar, in der zweiten gab es Prunksitzung, Garde und Festumzug. Der ganze Ablauf des Karnevals, der mit den Tollen Tagen nichts anderes als den teuflischen Exzess meint und der in der Fastnacht kulminiert und kollabiert, gehört zum „göttlichen Plan“, der auch in Radeburg adaptiert wurde. Mit Kopfschmerz und Kater erwacht der Narr am Morgen des Aschermittwoch, streut sich die sprichwörtliche Asche aufs Haupt und kehrt geläutert in sein normales, gesittetes Leben zurück, der Obrigkeit zum Wohlgefallen. Wenn er Glück hat, hat der Narr noch mitbekommen, dass die Amtsanmaßung durch Entkrönung und Rückgabe des Rathausschlüssels beendet wurde. Die Symbole der Macht gehen zurück an die „gottgewollte“ Ordnungsmacht. Auch in der DDR und im Speziellen auch in Rabu lief das so ab. Seit der Aufklärung weiß man, dass der Kluge oft der Dumme ist, hinter dem Frommen sich das Laster tarnt. Mit der Aufdeckung dieser Wahrheiten durch die Narren tat man sich zu Zeiten schwer, aber seit Goethe ist akzeptiert, dass der Geist der stets verneint, ein Teil ist von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft.

In unserer Jubiläumssaison öffnen wir den „Club 60“

und deshalb ist „der Teufel ist los“. Also, liebe Umzugsgruppen, ihr braucht Euch diesmal nicht eingeschränkt zu fühlen. Lasst uns über lustige Laster lachen. Lasst uns unsere Unvollkommenheit auf die Hörner nehmen. „In Rabu ist der Teufel los!“ Und zwar seit 60 Jahren immer in der Faschingszeit! Blickt zurück, lasst die Bilder Revue passieren, die 60 Jahre Karneval prägten – kramt die Bilder raus und bringt noch einmal auf die Straße, was Euch besonders gefallen hat, ob Raumschiff Peter Vice oder die Bremer Stadtmusikanten, ob Willy Schwabes Rumpelkammer oder RABU-Arthur oder Jahrmarkt. Oder ihr macht Euch mal über modernes Teufelswerk her: Computer, Smartphones, Google, Facebook – alles, was unseren Alltag auf den Kopf stellt und wovon wir sagen: das ist doch nicht mehr „normal“...

Eben. Genau darum geht es. Wir hoffen, Ihr seid dabei und wir singen ab 11.11. alle gemeinsam „Jetzt ist der Teufel los!“